Flüchtlingspolitik:Söder verspricht 1500 bayerische Grenzpolizisten bis 2028

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Ministerpräsident Markus Söder ließ sich von einem Drohnenpiloten der Grenzpolizei über die technischen Daten einer Polizeidrohne aufklären. (Foto: Tobias C. Köhler/dpa)

Der Ministerpräsident holt kurz vor der Landtagswahl das Thema Migration erneut nach vorne. An der Grenzbrücke zwischen Bayern und Österreich referiert er die Erfolge im Kampf gegen Schleuser. Und wiederholt seine Forderung nach maximal 200 000 Zuwanderern pro Jahr.

Von Florian Fuchs und Matthias Köpf, Freilassing

Die Flucht mit dem Auto endete an einem Gartenzaun, der Schleuser aber rannte noch zu Fuß weiter. Ende Juli war er in einem Fahrzeug mit englischer Zulassung auf der A 94 auf Höhe Altötting unterwegs gewesen, als ihn eine Streife der Bundespolizeiinspektion Freilassing kontrollieren wollte. Der Fahrzeuglenker verließ die Autobahn, doch dann rammte er mit seinem Wagen das Dienstfahrzeug, überholte es rechts auf dem Gehweg, raste an mehreren Anwohnern vorbei, beschleunigte auf Höhe eines Spielplatzes und landete schließlich in einer Sackgasse in einem Gartenzaun. Am Ende stellte ein Diensthund den Flüchtigen. In seinem Fahrzeug fanden die Einsatzkräfte sieben Personen, eine davon im Kofferraum - während der Verfolgungsjagd hatten sie teils ihre Reisepässe zerrissen und die Schnipsel aus den Fenstern geworfen.

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Dass ein Schleuser vor der Polizei flüchtet, kommt gar nicht so selten vor. Erst vor ein paar Tagen wurden zehn Flüchtlinge, darunter drei Kinder zwischen drei und neun Jahren, bei einem Unfall leicht verletzt. Sie saßen in einem Kleintransporter, als sich der 28 Jahre alte Fahrer einer Polizeikontrolle entziehen wollte und mit Tempo 150 über die Bundesstraße Richtung Eggenfelden raste. In einer Kurve verlor er die Kontrolle über das Fahrzeug und kippte damit um.

Oft sind Schleuserfahrzeuge überfüllt, wie Anfang September in Kiefersfelden, als ein 18-Jähriger in einem Auto mit nur fünf Sitzplätzen elf Menschen einzuschleusen versuchte. Die Flüchtlinge erzählten, dass ursprünglich sogar noch eine vierköpfige Familie in dem Auto gesessen haben soll, nach einem Streit über die beengte Platzsituation aber ausgestiegen war. Teils setzen Schleuser ihre Mitfahrer auch einfach an der Autobahn aus. Der 18-jährige syrische Fahrer befand sich selbst illegal in Deutschland und soll im Auftrag einer Schleuserorganisation gehandelt haben.

13 496 illegale Einreisen hat die Bundespolizei nach eigenen Angaben von Januar bis Juli allein in Bayern registriert, bundesweit waren es in der gleichen Zeit etwa 56 000. Die nahezu täglichen Mitteilungen über Aufgriffe und Schleuserfahrten sind längst wieder zur Routine geworden, doch in der politischen Debatte in Bayern hat das Thema lange nur eine Nebenrolle gespielt. Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder hat es zuletzt lieber der AfD und den Freien Wählern überlassen. Doch wenige Wochen vor der Landtagswahl am 8. Oktober spricht auch Söder wieder viel über Flüchtlinge und Zuwanderung und fordert eine Obergrenze wie einst sein Vorgänger Horst Seehofer.

Eine Frau und ein Kind, von Schleusern über die Autobahn A 8 von Salzburg nach Bayern gebracht. (Foto: Matthias Balk/dpa)

Mit Seehofer, damals noch Bundesinnenminister, ist Söder 2020 schon einmal medienwirksam an der Grenzbrücke zwischen dem oberbayerischen Freilassing und dem benachbarten Salzburg gestanden. An diesem Mittwoch hat er dort mit Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) und viel Polizei Position bezogen. Auf all den blauen Kappen und an den Ärmeln der Beamten prangt diesmal aber nur das weißblaue Rautenwappen, der Bundesadler der eigentlich für Grenzkontrollen zuständigen Bundespolizei ist nirgendwo zu sehen.

Aber Söder und Herrmann sind ja auch gekommen, um kurz vor der Wahl in Bayern über bayerische Erfolge und speziell über die Erfolge der vor fünf Jahren wieder eingeführten bayerischen Grenzpolizei zu sprechen. Direkt an den gemeinsamen 357 Kilometern mit Tschechien oder an der 818 Kilometer langen Grenze zu Österreich wie am Mittwoch in Freilassing darf Bayerns Grenzpolizei nur in Auftrag und Absprache mit der Bundespolizei kontrollieren, was in diesem Jahr bisher 140 Mal der Fall war. Meist beschränkt sie sich aber auf Schleierfahndung im Hinterland. Insgesamt habe man so im vergangenen Jahr 191 Schleusungen und 3068 unerlaubte Einreisen aufgedeckt, berichtet der stellvertretende Leiter der Grenzpolizei, Stephan Seiler. Dieses Jahr waren es nach Zahlen des Innenministeriums allein bis August schon 2085 unerlaubte Einreisen und 154 Schleuserfälle, dazu stießen die Beamten bei ihren Kontrollen immer wieder auf Waffen oder Rauschgift und zogen fast 1000 per Haftbefehl gesuchte Menschen aus dem Verkehr.

Ein Teil dieser zunehmenden Aufgriffe und Fahndungstreffer könnte allerdings auch mit der wachsenden Personalstärke der Grenzpolizei und den damit häufigeren Kontrollen zu tun haben. Derzeit verfügt die Grenzpolizei laut Herrmann über rund 850 Beamte, von denen mehr als die Hälfe aber zuvor schon in anderen Einheiten als Schleierfahnder unterwegs waren. Die fehlenden 150 Grenzpolizisten bis zu dem für heuer angekündigten Soll von 1000 Stellen sind laut Herrmann noch in der Ausbildung. Bis zum Ende der nächsten Legislaturperiode, also bis 2028, sollen es nun aber schon 1500 Beamte werden, kündigt Söder in Freilassing an. Dieser Zuwachs solle sich nicht allein auf die Grenzpolizei beschränken, sondern auch die normalen Inspektionen im Grenzgebiet stärken. Zugleich sollten die grenznahen Regionen bei der Verteilung weiterer Zuwanderer übers ganze Land entlastet werden.

Ministerpräsident Markus Söder (Dritter von rechts) und Innenminister Joachim Herrmann (rechts) lassen sich bei einem Termin über Maßnahmen zum verstärkten Grenzschutz von einem Drohnenpiloten der bayerischen Grenzpolizei über die technischen Daten einer Polizeidrohne aufklären. (Foto: Tobias C. Köhler/dpa)

"Bayern schützt den Freistaat, aber Bayern schützt auch Deutschland", sagt Söder und bezeichnet die bundesweit einzige landeseigene Grenzpolizei als klares Signal an illegale Zuwanderer, "dass es sich nicht lohnt, über Bayern nach Deutschland zu kommen". An den Grenzen der Bundesrepublik müsse es nach Söders Worten am besten 10 000 zusätzliche Polizisten geben - in Bundesländern, die womöglich nicht so leistungsfähig seien wie Bayern, müssten diese Beamten vom Bund kommen. Bis die EU-Außengrenzen wieder wirksam geschützt seien, müsse man den Grenzschutz selbst in die Hand nehmen.

Denn die Bundesrepublik steht für Söder "vor einer Überforderung durch unkontrollierte Zuwanderung". Er wiederholt deshalb auch direkt an der Grenze seinen Vorschlag, maximal 200 000 Zuwanderer pro Jahr zuzulassen, was der Ministerpräsident aber nicht mehr ausdrücklich "Obergrenze" nennen will, wie es einst Horst Seehofer getan hat, sondern "Integrationsgrenze". Von der Kritik aus der bayerischen Opposition, dies sei ein Vorschlag aus der politischen Mottenkiste, lässt Söder sich nicht beirren. Stattdessen zeigt der CSU-Chef nach Berlin. Die Bundesregierung müsse Länder vor allem in Nordafrika als sichere Herkunftsländer definieren mit ihnen Abkommen schließen und außerdem das erst jüngst beschlossene Bürgergeld überarbeiten, damit nicht noch mehr Zuwanderer angelockt würden. Statt Asylbewerbern Geld auszuzahlen, werde Bayern zum Sachleistungsprinzip zurückkehren und auf gemeinnützige Arbeit setzen, kündigt Söder an und stellt sich mit Herrmann kamerawirksam auf die Salzachbrücke, wo beide den Verkehr Richtung Österreich an sich vorbeiziehen lassen.

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