An diesem Montag beginnt in Nürnberg der Prozess gegen Markus Berktold (CSU), den Bürgermeister der Gemeinde Seeg im Ostallgäu. Die Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg wirft ihm unter anderem gewerbsmäßigen Betrug beim Geltendmachen von Leistungen aus dem sogenannten Pflege-Rettungsschirm vor, der während der Corona-Pandemie aufgespannt worden war. Angeklagt ist auch ein Pflegedienstleiter. In Nürnberg ist der Sitz der Bayerischen Zentralstelle zur Bekämpfung von Betrug und Korruption im Gesundheitswesen (ZKG), deshalb muss sich der schwäbische Rathauschef in Nürnberg verantworten, vor der 12. Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth.
Zusammen mit dem Pflegedienstleiter soll der Bürgermeister von 2020 bis 2022 Leistungen in Höhe von insgesamt etwa 2,1 Millionen Euro aus einem Rettungsschirm unrechtmäßig abgerechnet haben. Um dies zu vertuschen, sind laut Anklage nachträglich auch Scheinrechnungen erstellt worden, um die geltend gemachten Leistungen nachzuweisen. Auch mehrere Fälle von Untreue legt die Generalstaatsanwaltschaft dem angeklagten Bürgermeister zur Last. So soll er als Liquidator eines Vereins insgesamt 825 000 Euro auf sein Privatkonto überwiesen und dem Verein zustehende Pachtforderungen in Höhe von über 570 000 Euro ohne erkennbaren Grund nicht geltend gemacht haben.
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Der Pflegedienstleiter wiederum soll gemeinsam mit seiner mitangeklagten Ehefrau Leistungen in Höhe von 270 000 Euro unrechtmäßig aus dem Rettungsschirm geltend gemacht haben. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, das Paar habe private Schulden damit tilgen wollen. Nach Angaben der Sprecherin des Nürnberger Oberlandesgerichts, Tina Haase, beabsichtigt die zuständige Strafkammer noch vor Prozessbeginn das Verfahren gegen die mitangeklagte Ehefrau aus gesundheitlichen Gründen abzutrennen. In der Hauptverhandlung dürften sich von Montag an also nur zwei der drei Angeklagten verantworten müssen. In Nürnberg wird ein aufwendiges Verfahren erwartet, allein die Anklageschrift umfasst mehr als 40 Seiten. Insgesamt hat die Strafkammer elf Verhandlungstage angesetzt. Ein Urteil wird im Januar erwartet.
Die Ermittler werfen dem hauptamtlichen Bürgermeister vor, im Pflegebereich ein Firmengeflecht aus mehreren "von ihm beherrschten Gesellschaften geschaffen" zu haben - als zusätzliche Einnahmequelle. Berktolds Ziel soll es laut Generalstaatsanwaltschaft gewesen sein, seine Unternehmen "mit frischem Kapital" zu versorgen. Coronabedingte Mehraufwendungen sollen dazu laut Ermittlern sogar noch nach Schließung eines stationären Pflegeheims geltend gemacht worden sein. Angeblich sollen auch Kosten für eine Schneefräse und eine elektronische Schließanlage erstattet worden sein - obwohl die Schließanlage zu der Zeit noch gar nicht angeschafft gewesen sein soll.
Staatsanwaltschaft wirft dem Bürgermeister Untreue in 37 Fällen vor
Auch zur Frage, wie der Bürgermeister von Seeg bei den ihm vorgeworfenen Taten vorgegangen ist, hat sich die Staatsanwaltschaft im Vorfeld der Verhandlung geäußert. Sie wirft dem 49 Jahre alten CSU-Politiker vor, er habe Mitarbeitern der Pflegekassen gegenüber "wiederholt auf seine Stellung als Bürgermeister und die mit diesem Amt verbundene Vertrauenswürdigkeit verwiesen", um rascher an Geld zu kommen. In einem Fall immerhin soll eine erhebliche Auszahlung noch gestoppt worden sein, weil zuvor - laut Staatsanwaltschaft - "der Schwindel aufgeflogen" sei.
Auch Untreue in insgesamt 37 Fällen wirft die Staatsanwaltschaft dem Bürgermeister vor. So soll er zum Nachteil der Caritas Stiftung Seeg knapp 1,4 Millionen Euro veruntreut haben. Und als wäre das nicht schon genug, fanden die Ermittler im Wohnhaus des Bürgermeisters ein Gewehr, eine Pistole sowie Munition - ohne, dass er eine entsprechende Erlaubnis dafür gehabt hätte. Ein weiterer Vorwurf in der Anklage ist also: unerlaubter Munitions- und Waffenbesitz.
Ein Mitarbeiter hatte Strafanzeige gestellt und brachte die Ermittlungen in Gang. Das angeklagte Ehepaar hat die Vorwürfe laut Staatsanwaltschaft gestanden, der Bürgermeister hatte sich zunächst nicht geäußert. Sein Anwalt hatte aber in verschiedenen Medien betont, sein Mandant habe sich nie persönlich bereichert. Der CSU-Politiker befindet sich seit Januar in Untersuchungshaft, in der Gemeinde Seeg werden die Geschäfte derweil interimsmäßig geführt. Würden sich die Vorwürfe der Anklage bestätigen, gerade jener des gewerbsmäßigen Betrugs, so könnte Berktold eine mehrjährige Haftstrafe drohen - und die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis. Nach Angaben der Landesanwaltschaft wurde der Bürgermeister inzwischen vorläufig vom Dienst suspendiert. Für ihn gilt weiter die Unschuldsvermutung.