Schienenersatzverkehr:Der Busfahrer und die Bombe

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Wenn die Bahn nicht fährt, muss der Bus ran. Das nennt sich dann Schienenersatzverkehr und ist in Bayern berüchtigt. (Symbolbild) (Foto: Andreas Arnold/dpa)

Weil am Landshuter Hauptbahnhof eine Fliegerbombe entschärft wird, muss der Schienenersatzverkehr einspringen. Ein unnötig geringschätziger Begriff, denn im Bus übernimmt schließlich der Alltagsheld im Karo-Hemd.

Von Thomas Balbierer

Gute Busfahrer bringt nichts aus der Ruhe, nicht mal eine Bombe. Am Landshuter Hauptbahnhof wimmelt es am vergangenen Donnerstag von Polizisten, Seitenstraßen sind gesperrt, im Busradio berichten sie über die 250 Kilogramm schwere Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg. Die Anwohner seien vor der Entschärfung in Sicherheit gebracht worden, sagt die Radiostimme. Am Busfenster ziehen gleichzeitig Warnschilder vorbei: "Bombenräumung Lebensgefahr". Doch unser Fahrer lenkt den vollbesetzten Reisebus unerschrocken in die Gefahrenzone. Nächste Station, Bombe hin oder her: Landshut Hauptbahnhof.

Seine Gelassenheit strahlt auf die zunächst irritiert wirkenden Passagiere ab. Ein kurzer Halt, dann geht die Fahrt weiter Richtung München. Nicht mal ein schwieriges Wendemanöver unter skeptischen Blicken der Polizei beeindruckt den Kapitän. Ein Alltagsheld im Karo-Hemd.

Viel zu selten würdigt man den Beitrag der Männer und Frauen, die Tag und Nacht ein rund zehn Tonnen schweres Ungetüm manövrieren, zuverlässig und ohne großes Aufsehen. Sie halten das Land selbst dann in Bewegung, wenn der Zugverkehr von einem uralten Sprengkörper gestoppt wird. Im Bahnsprech heißt das dann Schienenersatzverkehr (SEV), was unnötig geringschätzig klingt. Wie wäre es stattdessen mit: Rettung durch Bus (RdB)?

Die Bedeutung des Buspersonals weiß man oft erst dann zu schätzen, wenn es nicht fährt. Schon heute fehlen dem Verband deutscher Verkehrsunternehmen zufolge Tausende Fahrerinnen und Fahrer. Und die Not wächst: In keiner anderen Branche gehen demnächst so viele Beschäftigte in den Ruhestand, zu wenige junge kommen nach. Kein Wunder, dass der SEV in Bayern berüchtigt ist: Busse kommen manchmal gar nicht, zu spät oder mit viel zu wenig Platz, um alle gestrandeten Zugfahrer aufzulesen.

Auch der Busfahrer, der uns wegen des Zugausfalls von Regensburg nach München bringen soll, hat schon graues Haar. Vor der Abfahrt bildet sich eine lange Schlange vor seinem Bus, es sind zu viele Menschen für ein Fahrzeug. Irgendwann ruft er aus seiner Fahrerkabine: "Der Bus ist voll." Draußen macht sich Unverständnis breit, der Fahrer reagiert unaufgeregt: Er habe schon beim Bahnbetreiber angerufen, doch es sei kein zweiter Bus bestellt worden. "Kann ich nix machen, ich bin nicht schuld." Dann fährt er los. Auch Retter kommen mal an ihre Grenzen.

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