Landesplanung:"Rückwärts gewandt und von Weitsicht keine Spur"

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Bayern ist Autoland: Auch im neuen Landesentwicklungsprogramm setzt die Staatsregierung auf Straßenbau. Hier ein Kreisverkehr bei Frontenhausen im niederbayerischen Landkreis Dingolfing-Landau. (Foto: imago)

An diesem Donnerstag tritt das neue Landesentwicklungsprogramm in Kraft. Die Grünen werfen der Staatsregierung Generalversagen vor. Wirtschaftsminister Aiwanger hat für die Kritiker einen Tipp parat.

Von Christian Sebald

Wenn es um das neue Landesentwicklungsprogramm (LEP) geht, das an diesem Donnerstag offiziell in Kraft tritt, ist den Grünen kein Wort hart genug. "Rückwärtsgewandt" und "von Weitsicht keine Spur", sagt der Chef der Grünen-Landtagsfraktion, Ludwig Hartmann. Mit der aktuellen Fortschreibung, die an diesem Donnerstag offiziell in Kraft tritt, stelle die Staatsregierung "erneut unter Beweis, dass sie keine Lösungen für die Herausforderungen unserer Zeit hat und weiter in ihrem alten Denken verharrt". Hartmanns Forderung lautet, das LEP, wie es jetzt vorliegt, einzustampfen und ein komplett neues zu entwickeln.

Natürlich ist Hartmanns Rhetorik auch dem Wahlkampf geschuldet. Am 8. Oktober wird der neue Landtag gewählt, seit geraumer Zeit dümpeln die Grünen zwei bis drei Prozentpunkte unter ihrem Ergebnis von 2018 vor sich hin. Deshalb müssen sie jetzt punkten. Auf der anderen Seite kann sich Hartmann bei seinem Verriss auf praktisch die gesamte landesplanerische Fachwelt berufen. Ein breites Bündnis aus Wirtschaftsverbänden, Kommunen, Akademien, Architekten, Ingenieuren und Naturschützern hat sich in den zurückliegenden Wochen genauso kritisch wie der Grünen-Politiker geäußert.

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Beispielhaft spricht Hartmann von drei "Versäumnissen", wie er sagt. Beispiel eins ist der Trinkwasserschutz. Seit Jahren gibt es viel Kritik daran, dass die Wasserschutzgebiete in Bayern zu klein bemessen sind. Tatsächlich ist ihr Anteil an der Landesfläche mit fünf Prozent viel geringer als in den meisten anderen Bundesländern - deutschlandweit beträgt er zwölf Prozent. Statt die Wasserschutzgebiete aber auszuweiten, wollten die CSU und Freie Wähler im LEP sogar Lockerungen des Trinkwasserschutzes durchdrücken - bis Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder die Forderungen kassierte.

Beispiel zwei ist der Dauerbrenner Flächenfraß. Zwar macht die Staatsregierung im neuen LEP einige Lockerungen für die Ausweisung neuer Gewerbegebiete rückgängig. Aber das reicht nach Überzeugung von Fachleuten nicht aus, um den anhaltend hohen Flächenverbrauch im Freistaat von zehn Hektar am Tag einzudämmen. Das von der CSU und FW in ihrem Koalitionsvertrag von 2018 ausgerufene Ziel, ihn auf fünf Hektar zu halbieren, ist in weiter Ferne. Und aus Sicht von Hartmann wird es das bleiben, solange die Staatsregierung keine verbindliche Obergrenze für den Flächenverbrauch erlässt.

Auch bei der Energiewende und beim Klimaschutz - Hartmanns drittem Beispiel - braucht es nach seiner Überzeugung mehr verbindliche Vorgaben. Ein klarer Plan sei nur bei der Windkraft erkennbar und das nur deshalb, weil das von seinem Parteifreund Robert Habeck geführte Bundeswirtschaftsministerium dem Freistaat entsprechende Vorgaben gemacht habe. Ansonsten hätten CSU und FW in Sachen Klimaschutz nichts zu bieten: Das Straßennetz solle weiter ausgebaut werden, die dritte Startbahn am Münchner Flughafen bleibe im LEP, der öffentliche Nahverkehr spiele eine eher nachrangige Rolle.

Masterplan für eine gute Zukunft

Das LEP ist - so der Anspruch der Staatsregierung - der Masterplan für eine gute Zukunft Bayerns. Sein wichtigstes Ziel ist die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse überall im Freistaat - ob das nun die Bildung, das Gesundheitswesen, den Verkehr, das Wohnen oder anderes mehr betrifft. Die Klimakrise und aktuelle Entwicklungen wie der Krieg in der Ukraine sowie die Energiekrise stellen diesen Anspruch immer öfter in Frage. Deshalb hat die Staatsregierung große Teile des LEP überarbeitet.

"Wir haben in Bayern jetzt das modernste LEP in ganz Deutschland", sagte unlängst Wirtschafts- und Energieminister Hubert Aiwanger (FW), unter dessen Regie das neue LEP erarbeitet worden ist. "Mit ihm setzen wir ambitionierte Leitplanken für einen starken ländlichen Raum, Klimaschutz, sichere Energieversorgung und Mobilität." Seinen Kritikern rief Aiwanger zu, "dass sie es in Ländern, wo sie selbst mitregieren, erst mal besser machen sollen".

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