Landespolitik:Die FDP und ihre Sehnsucht nach einer Zeitreise

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FDP-Spitzenkandidat Martin Hagen will erst mal zurück in den Landtag, dann in die Regierung und natürlich in die Zukunft. (Foto: FDP Bayern)

Die bayerischen Liberalen präsentieren ihre Kampagne für den Wahlkampf - inklusive Regierungsanspruch. Spitzenkandidat Martin Hagen will FW-Chef Aiwanger in der Koalition ersetzen. Immerhin hat er offenbar die gleichen Gegner wie CSU und Freie Wähler.

Von Johann Osel

Plötzlich brummt es, was in einer automobilen Erlebniswelt wie hier im Münchner Norden erst mal wenig verwundert. Kein Besucher aber hat sich ein Exponat geborgt, sondern die bayerische FDP einen DeLorean DMC-12 angemietet. Bekannt aus den "Zurück-in-die-Zukunft"-Filmen vor mehr als drei Jahrzehnten. Hinten sind leuchtende Schläuche und derlei Kram angebracht, für die raketenschnelle Zeitreise. Nun, Martin Hagen, Landes- und Fraktionschef der Liberalen, schießt nicht gerade ums Eck. Er parkt übervorsichtig vor einer großen gelben Plakatwand, wo die FDP am Dienstag ihre Kampagne für den Landtagswahlkampf präsentiert. Jetzt eine Schramme - dann wäre das ganze Brimborium ja eher ein Thema für Glossen, nicht für eine landespolitische Analyse.

Was es dem Gag zur Eröffnung auf sich hat? Böse Zungen könnten sagen: Bei all dem Ärger mit der Streit-Ampel in Berlin, mit deren miesem Image sowie den bayerischen Umfragewerten, die meistens nach wie vor unterhalb der Fünf-Prozent-Hürde liegen, braucht man das Zeitreise-Auto - nix wie weg aus dem tristen Hier und Jetzt, aus diesem sich anbahnenden Zitter-Wahljahr. Doch natürlich haben Hagen und seine Leute eine andere Botschaft: "Wir bringen die Zukunft zurück in die Landespolitik." So wolle man in der künftigen Staatsregierung als Motor für Modernisierung, als Gralshüter der individuellen Freiheit und als Kraft der Vernunft "die Zukunft mit offenen Armen willkommen heißen".

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Richtig gehört, Regierung; nämlich als Juniorpartner der CSU von Ministerpräsident Markus Söder. Ganz offen bietet sich die FDP als Ersatz für die Freien Wähler von Hubert Aiwanger an. Als der bessere Koalitionspartner, ein Hinhörer ist das gerade in diesen Tagen, wo es zwischen Söder und Aiwanger, zwischen CSU und FW erkennbar knirscht und rumpelt - nach der Kundgebung gegen das vom Bund geplante Wärmegesetz ("Stoppt die Heizungsideologie!") am Wochenende in Erding.

In Erding sprach auch FDP-Chef Hagen, unter Pfiffen, mit noch mehr Gegenwind als Söder bei dessen Auftritt. Anders als Aiwanger, der bei der von der Kabarettistin Monika Gruber mit organisierten Demo gefeiert wurde - etwa für den AfD-typischen Spruch, dass "die schweigende große Mehrheit dieses Landes sich die Demokratie wieder zurückholen muss". Hagen, 42, bewies jedenfalls durchaus Mut, als Ampel-Vertreter dort aufzutreten; wollte sich wohl aber das zumeist mindestens konservative Publikum auch nicht entgehen lassen. Er versprach, die FDP in der Bundesregierung werde das Gesetz in Richtung "Pragmatismus statt Ideologie" verändern.

Es gibt da ein Video von Aiwangers Auftritt, Hagen steht währenddessen auf der Bühne im Hintergrund. Und klatscht sogar einmal demonstrativ. Und zwar, als Aiwanger Monika Gruber als "Heldin von Erding und von ganz Bayern" lobt, es werde am Ende heißen, hier sei "der Stein ins Rollen gekommen, der dieser Ampel den Boden unter den Füßen wegzieht". Man kann Hagens Applaus sicher weniger als Gunstbeweis für Aiwanger werten denn als Anerkennung für die Kabarettistin. Vor allem aber als Indiz dafür, wie verhasst das rot-grün-gelbe Bündnis im Bund für die wahlkämpfende Bayern-FDP tatsächlich ist. Die Liberalen, das bahnte sich schon nach den Wahlschlappen etwa in Niedersachsen und Berlin an, wollen das böse A-Wort im Freistaat am liebsten aus ihrem Wortschatz streichen: die Ampel. Und sich erst recht nicht in einem Ampel-Lager mit Grünen und SPD verorten.

Am Tag nach Erding war Hagen dann schnell zur Stelle mit einer Bewertung zu Aiwanger: "Die CSU sollte sich gut überlegen, ob sie sich an einen Koalitionspartner ketten will, der zunehmend klingt wie die AfD." Am Dienstag in der Münchner "Motorworld" gibt es Nachschlag. Aiwanger, sagt Hagen, fasele ja nicht nur darüber, die Demokratie zurückholen zu wollen, sondern verliere sich auch im "Kulturkampf" beim Fleischverzehr oder Gendern. Statt dass er die wirklich wichtigen Themen als Wirtschaftsminister und FW-Parteichef adressieren würde: Wirtschaft und Fachkräfte für den Freistaat, Energieversorgung, Bildung, ein effizienter digitaler Staat. "Handwerklich", findet der FDP-Spitzenkandidat, sei die Koalition seit 2018 sogar schwächer als zuvor die CSU-Alleinregierung. Gerade die FW-Ministerien Wirtschaft und Bildung seien "die Schwachstelle der Staatsregierung". Und: Jeder solle doch einfach essen und sprechen, wie und was er wolle.

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Nachfrage: Sind nicht der vermeintliche Kampf ums Schnitzel auf dem Teller oder gegen Gendersternchen auch Lieblingsthemen von Söder, also des neuen Wunschpartners der FDP? Natürlich sei man nicht mit allem "glücklich", was Söder so treibe, meint Hagen. Aber der Unterschied habe sich eben in Erding gezeigt. Der Ministerpräsident grenze sich von der AfD ab, "während Aiwanger deren Tonalität übernommen hat". Schon einmal, als in der Pandemie Aiwangers anfangs impfskeptischer Kurs zum Aufreger geriet, hatte Hagen ein unmoralisches Angebot gemacht. An diejenigen FW-Abgeordneten, "die nicht mehr bereit sind, den Kurs von Aiwanger mitzutragen, wenn er weiter so im Trüben fischt". Sie könnten doch zur FDP wechseln, empfahl er damals, acht müssten es sein, um groß genug zu sein als Spontan-Regierungspartner an Söders Seite. Ohne Aiwanger.

Rechenspiele müsste man indes auch bei der jetzigen Offerte der FDP anstellen. 2018 war sie mit 5,1 Prozent knapp wieder in den Landtag gekommen. Ein ähnlicher Wert der Liberalen im Oktober müsste schon auf ein CSU-Resultat von sehr deutlich mehr als 40 Prozent treffen. Falls Söder überhaupt auf die Idee käme, denn der Schwur zur Fortsetzung des Bündnisses steht trotz des aktuellen Kriselns. Und auch Grüne und SPD könnten sich übrigens vorstellen, mit der CSU zu regieren, sollte diese denn doch noch umfassender auf Brautschau gehen wollen.

Erst mal steht die FDP für sich allein und muss darum kämpfen, überhaupt im nächsten Landtag zu sitzen. "FDP pur", das soll auch die Kampagne aussagen, laut den Machern zeige sich das unter anderem an reduzierter Optik auf Großplakaten, bei "hohem Gelbanteil". Der Hauptslogan soll lauten: "Servus Zukunft". Im Gegensatz zu Erzkonservativen will man sich zudem als "erzinnovativ" präsentieren, viele Elemente sind auf den Spitzenkandidaten Hagen fokussiert. Doch zur Vorstellung der Kampagne sind zum Beispiel die Münchner Kandidatinnen Susanne Seehofer und Julika Sandt gekommen. Und während auch die beiden am Zukunftsreise-Wagen posieren, fällt einem auf, was an diesem Tag gar nicht, wirklich kein einziges Mal jemandem über die Lippen kommt: die Ampel, das böse A-Wort.

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