Landtagswahl in Bayern:FDP will das A-Wort im Wahlkampf aus dem Wortschatz streichen

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Ein einsamer Bistrotisch mit FDP-Luftballons - könnte das ein Sinnbild für den aktuellen Zustand der Partei sein? (Foto: Johannes Simon)

In Berlin sind die Liberalen gerade aus dem nächsten Landesparlament geflogen. Die Bayern-FDP begründet den Sinkflug mit der ungeliebten Ampel-Koalition im Bund - und übt sich vor der Wahl im Oktober in Zweckoptimismus.

Von Johann Osel

Bayerns FDP-Chef Martin Hagen ist am Montag erst mal kaum zu erreichen, Bundesvorstand, Parteipräsidium, die Gremien. Es dürften durchaus Krisentreffen gewesen sein nach der Wahlniederlage am Vortag in Berlin. "Wir wissen um den Ernst der Lage", sagt Hagen über die Analyse und Aussprache. In seinem Landesverband ganz besonders: die riesigen Verluste bei Wahlen wie in Schleswig-Holstein 2022, der verpasste Einzug ins Parlament in Niedersachsen und nun auch in Berlin - die bayerische FDP kann seit der Ampel-Beteiligung im Bund ihren Parteifreunden überall beim Sinkflug zuschauen. Im Oktober ist in Bayern Landtagswahl, droht dasselbe Schicksal? Ein "bitterer Abend für die Liberalen" hatte Hagen am Sonntag nach den Hochrechnungen getwittert. Und erntete prompt Häme von Usern: "Ihr seid im Herbst die nächsten."

Bei vier Prozent stand die FDP im jüngsten BR24-Bayerntrend, davor waren es auch mal nur drei, in einer anderen Umfrage im Januar immerhin fünf - 2018 war sie mit 5,1 Prozent knapp wieder in den Landtag gekommen. Es steht ein Zitter-Wahljahr an. Hagens Analyse ist indes optimistischer. Dass die Ampel keinen Rückenwind gebe und die FDP-Wählerschaft sich in der Konstellation "kulturell unwohl fühlt", sei kein Geheimnis, sagt er, das sei "eingepreist" gewesen.

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Die Berlin-Wahl sei wiederum ein spezieller Fall: Es habe wegen der "katastrophalen Bilanz" des Senats Wechselstimmung gegeben - mit der CDU als Profiteur, die FDP sei da untergegangen. In Bayern, wo kein Rennen ums Amt des Ministerpräsidenten zu erwarten sei, werde das anders. Hagen will im Freistaat einen "Turn around" für die Bundespartei hinlegen. "FDP pur" sei das Rezept - mit den Kernpositionen auftreten und darstellen, was man jetzt schon alles leiste.

Die Fraktion im Landtag fällt zumindest durch Arbeitseifer auf, zumal bei nur zwölf Abgeordneten. Etwa der neue Untersuchungsausschuss zur umstrittenen Finanzierung des Nürnberger Zukunftsmuseums ist letztlich der Hartnäckigkeit der FDP zu verdanken. Und im Bayerntrend zeigte die Frage nach den Kompetenzen: Bei Wirtschaft und Finanzpolitik stellten die Befragten der FDP sogar ein besseres Zeugnis aus als den Grünen, der Oppositionsführerin, und den regierenden Freien Wählern. Ummünzen in Zustimmung bei der Sonntagsfrage ließ sich das freilich nicht.

Was schon feststeht: Die FDP will das A-Wort, Ampel, im Wahlkampf quasi aus dem Wortschatz streichen, verortet sich definitiv nicht in einem Lager mit SPD und Grünen, sieht die CSU als potenziellen Partner. Oft entsteht der Eindruck, die FDP bietet sich freimütig als Ersatz für die FW an. Das Amt des Wirtschaftsministers, so geht ein Hagen-Klassiker und gemeint ist Hubert Aiwanger, sei ja "gefühlt vakant". Hagen sagt es am Montag so: Es gebe sicher "keinen Kuschelkurs" zur CSU. Aber zeigen wolle man schon, dass man ein moderner Koalitionspartner wäre, als "Korrektiv und Motor".

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2013 ist die FDP schon mal aus dem Landtag geflogen, aus der Regierung mit der CSU heraus. Bei den Altvorderen gehen die Meinungen zur aktuellen Lage auseinander. "Die FDP kämpft wieder einmal um ihre Existenz", sagte der einstige Wirtschaftsminister Martin Zeil, 66, der Augsburger Allgemeinen. "Offensichtlich schadet die Ampel uns mehr, als sie uns nutzt."

Gelassen gibt sich Wolfgang Heubisch, 76, damals Wissenschaftsminister, heute Vize-Präsident des Landtags, auf Nachfrage der Süddeutschen Zeitung. Es sei nun mal so, "dass wir brutal vom Bundestrend abhängen", die Ampel sei auch nicht die Idealvorstellung gewesen. Und doch sei es 2013 weitaus schlimmer gewesen - Umfragen, bei denen die FDP bundesweit an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterte, ständig Zoff in Bundesregierung wie Partei. Stimmen von den FW und in den Städten von der CSU könne man im Herbst schon holen, vor allem mit Wirtschaftskompetenz, glaubt Heubisch. Und Blues-Gefühle seien da nicht hilfreich, trotz der Wahlschlappen. "Ich hab' schon so viel mitgemacht in der FDP, das wirft einen sicher nicht aus der Bahn."

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