Landespolitik:Die Angst der Liberalen vor dem Ampel-Schaden

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Martin Hagen brachte die FDP 2018 schon als Spitzenkandidat zurück in den Landtag. In gleicher Funktion soll er die bayerischen Liberalen in den Landtagswahlkampf 2023 führen - falls er beim Parteitag gewählt wird. (Foto: Christian Endt)

Am Wochenende hält die FDP in Amberg ihren Parteitag ab, bei dem sich alles um bayerische Themen drehen soll. Vor allem aber steht die Wahl Martin Hagens zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl 2023 an.

Von Andreas Glas und Johann Osel

Da war es plötzlich wieder, das Pfui-Wort für viele in der FDP: "Ampel-Opposition". Als neulich Vertreter von Grünen, SPD und eben Liberalen im Landtag ihre Pläne für zwei Untersuchungsausschüsse präsentierten, wollte die Presse wissen: Ist das nun ein Vorbote für ein gemeinsames Bündnis im Wahlkampf 2023, vielleicht sogar darüber hinaus? Nun, sagte SPD-Fraktionschef Florian von Brunn, mit der Koalition in Berlin habe sich die Zusammenarbeit der drei Fraktionen in Bayern deutlich verbessert, man wäre "jederzeit regierungsfähig". Und Martin Hagen, Chef der FDP-Fraktion? Der wirkte fast so, als habe man Unerhörtes gefragt, und meinte ziemlich trocken: Seiner Kenntnis nach würden Regierungen immer erst nach einer Wahl gebildet.

An diesem Wochenende trifft sich die Bayern-FDP zum Parteitag im oberpfälzischen Amberg, ein erster Auftakt für den Landtagswahlkampf. "Es geht um Bayern", lautet das Motto. Dazu denken muss man sich wohl: und nicht um Berlin! Die Ampel-Beteiligung ist man, so hat es Hagen mal erklärt, aus "staatspolitischer Verantwortung" eingegangen; spätestens nachdem CSU-Parteichef Markus Söder seinerzeit die Jamaika-Option im Bund "per Handstreich beerdigt" habe. Dass die Regierung in Berlin mit all ihren Zwängen und gerade in der Krise wahlkämpfenden Landesverbänden nicht gut tut, ist dagegen ein offenes Geheimnis.

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Das weiß man spätestens seit der Wahl kürzlich in Niedersachsen, als die dortige FDP aus dem Landtag geflogen ist. Und als das Erklärungsmuster Ampel-Kollateralschaden nicht lange auf sich warten ließ. "Wir müssen verhindern, dass linke Projekte in dieser Koalition umgesetzt werden", sagte zum Beispiel prompt der Generalsekretär der Bundes-FDP, Bijan Djir-Sarai. Im jüngsten BR-Bayerntrend konnten Martin Hagen und seine Leute das alles dann gleich für den Freistaat nachlesen: Absturz auf drei Prozent, die Liberalen wären damit auch in Bayern raus aus dem Parlament. Dass die Ampel bei vielen Sympathisanten und Mitgliedern der FDP gerade im etwas konservativer beleumundeten Landesverband Bayern nicht der sehnlichste Wunsch war, wusste man auch schon davor. "Wir werden uns nicht in einem Ampellager verorten", hatte Hagen, wohl in Vorahnung, bereits 2021 beim Start der Berliner Regierung betont.

Inhaltlich geht es also in Amberg beim Parteitag um Bayern. Der Leitantrag will skizzieren, wie Deutschland und der Freistaat "widerstandsfähig" werden, es geht um Energieversorgung, Lieferketten, internationale Abhängigkeiten und Freihandelsabkommen. Aber vor allem steht die Wahl des Spitzenkandidaten für 2023 an: Martin Hagen. Landesvorstand und Landtagsfraktion haben ihren Chef im Oktober dafür nominiert, bisher gibt es auch keine Gegenkandidatin, keinen Gegenkandidaten. Hagen führte die FDP 2018 schon als Spitzenkandidat zurück in den Landtag, knapp, mit 5,1 Prozent - nachdem die Partei bei der Wahl 2013 das Kunststück vollbracht hatte, als Regierungspartei in der damaligen schwarz-gelben Landesregierung unter Horst Seehofer (CSU) aus dem Parlament zu fliegen. Im November 2021 übernahm der 41-Jährige zusätzlich den Landesvorsitz. Bei seiner Nominierung hatte er erklärt: "Der Wahlkampf wird kein Spaziergang - aber kämpfen können wir."

Die Bayern-FDP wird wohl einen Wahlkampf führen, der die Ampel in Berlin nach aller Möglichkeit ausklammert. "FDP pur" kündigte Hagen auf Nachfrage der SZ schon mal an, als "eigenständige liberale Kraft". Schon in einem Positionspapier im Januar 2020, also vor Corona, habe sich die Fraktion "Mut zur Kontroverse" verordnet. Gerade für eine kleine Oppositionspartei sei es wichtig, Positionen "nicht weichzuspülen, weil Gegenwind zu erwarten ist, vielleicht ein Shitstorm auf Twitter". Dass die Liberalen nach dem Ampel-Start ein Umfragehoch in Bayern hatten (sieben Prozent im Januar-Bayerntrend 2021), dürfte übrigens auch mit der Pandemie zu tun gehabt haben. Sozusagen ein anhaltender Dank der Kernwählerschaft für den teils sehr kritischen Corona-Kurs.

"Nicht hausgemacht" - das ist auch so ein Begriff, den man in der Bayern-FDP allerorten hört, wenn es um die aktuellen Umfragen geht. Tatsächlich macht die kleinste Fraktion im Maximilianeum seit 2018 relativ viel Rummel, nicht nur wegen Hagen mit seinem smarten Redetalent. Viele Abgeordnete stecken tief in den Themen, ein Mediziner für Gesundheitspolitik, ein Architekt für Baupolitik, zum Beispiel. Allgemein zeigt sich der Vorteil einer so kleinen Fraktion darin, dass sie wendig ist, schnell reagiert - kein großer Tanker, in dem alles tausendmal durchgekaut werden muss. Dazu kommt ein bisschen Promi-Glamour. Zur Fraktion gehört Ex- Focus-Chef Helmut Markwort, 85, der nächstes Jahr erneut antreten wird - sodass bei Fraktionsfesten durchaus mit Fotografen der Bunten zu rechnen ist, ein seltener Anblick im Landtag. Ein medialer Coup 2023 dürfte auch die Kandidatur von Susanne Seehofer für die FDP sein, Tochter des früheren CSU-Ministerpräsidenten.

Und was kommt nach der Wahl? "Wir schließen nichts aus", sagt Hagen. Verantwortung für den Freistaat wolle man sehr wohl übernehmen "und mithelfen, unser Land fit für die Zukunft zu machen". Die CSU sei "für uns immer ein potenzieller Koalitionspartner", es gebe "politische Schnittmengen". Dieser Tage hatte Hagen die Präventivhaft für Klimaaktivisten nach Festklebe-Aktionen in München als "hart, aber angemessen" unterstützt und damit indirekt auch das umstrittene Polizeiaufgabengesetz (PAG) der Staatsregierung. Der Twitter-Trubel kam prompt, die FDP als Büttel der CSU, so ein Tenor. Das aber will Hagen so nicht stehen lassen: Es gehe um die "Anwendung geltenden Rechts", wenn die Gefahr der Wiederholung illegaler Aktionen drohe - und nicht um die konkrete Ausgestaltung des PAG; hier plädiere er auch für eine Verkürzung des erlaubten Gewahrsams.

In Amberg wird es um andere Themen gehen, "Kernkompetenzen" der FDP, wie sie gerne von sich selbst sagt, um Wirtschaft vor allem, auch um Finanzen. Auch in Bayern will sich die Partei ja als Garantin für nachhaltige Finanzpolitik profilieren, selbst in der Krise. Haushaltspolitik als Wahlkampfschlager? Die FDP weiß natürlich, dass sie da mehr anbieten muss. Bildung und Digitalisierung, das sind weitere Themen, die beim Parteitag auf dem Programm stehen. Martin Hagen spricht oft vom nötigen "Update" für den Freistaat. Er sagt: "Bayern hätte ein Update gebraucht 2018 - bekommen hat es Hubert Aiwanger." Woraus sich dann auch leicht rauslesen ließe, wen er anstelle der Freien Wähler lieber sähe, im Wirtschaftsministerium, und an der Seite der CSU in der Staatsregierung.

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