Mitten in Cham:Die Entwurstung bayerischer Baustellen

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Einst die Lieblinge einer jeden Baustellen-Pause: die Wurstsemmel. Doch Zeiten ändern sich, wie das Beispiel aus Cham zeigt. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Ein Bauunternehmen bietet seinen Beschäftigten Gemüse aus Foodtrucks. Und das, obwohl Markus Söder einen solchen Lebensentwurf für sinnlos hält und Hubert Aiwanger gar davor warnt, die Arbeiter fielen bei dieser Art Ernährung vom Gerüst.

Glosse von Max Weinhold, Cham

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hat nicht erst einmal die Bratwurst zum Lebenselixier hochstilisiert. Ein Leben ohne sei theoretisch möglich, aber sinnlos, so lautet seine Losung. Auch im aktuellen Landtagswahlkampf ist sie zu hören. Gemessen daran entschwindet dem Leben der Bauarbeiter der Rädlinger Unternehmensgruppe aus Cham gerade jeder Sinn. Sie speisen nämlich zunehmend wurstlos.

Das muss man sich mal vorstellen: Bauarbeiter. In ländlicher Gegend. Und dann sagt einer von ihnen in einem Bericht des BR auch noch allen Ernstes: "Das ist einfach mal eine Abwechslung, nicht bloß immer Wurstsemmel, Wurstsemmel - das hängt dir doch irgendwann auch zum Hals raus." Sapperlot! Geht Söder hier etwa gerade ein Wahlkampfthema flöten?

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Dass der kulinarische Kulturkampf ein eben solches ist für den CSU-Chef, das ist unverkennbar. Bei der viel diskutierten Demo von Erding witterte Söder zum wiederholten Male eine "zwanghafte Veganisierung", vorangetrieben durch die Grünen. Da muss es ihn geradezu schocken, dass so etwas wie zeitweiser Fleischverzicht auch freiwillig geschehen kann. Oder ist aus den "Umerziehungsfantasien" (Wortlaut im CSU-Grundsatzprogramm) doch schon Realität geworden?

Jedenfalls nicht auf dem Bau in Cham. Vielmehr geht es Firmenchef Josef Rädlinger um das Wohlergehen seiner Mitarbeiter. "Wenn wir uns überlegen, wie wir uns in der Vergangenheit um unsere Baumaschinen gekümmert haben, die bekommen das beste Öl und den besten Service, damit sie immer gut funktionieren. Aber um gutes Essen für die Mitarbeiter hatte sich keiner gekümmert."

Deshalb wird heuer nicht nur den Verwaltungsmitarbeitern in der Kantine Salat aus dem eigenen Bio-Gemüsegarten serviert, sondern mittels Foodtrucks auch den Beschäftigten auf dem Bau.

Nun könnte man meinen, nur Söder sei besorgt von der fortschreitenden Entwurstung bayerischer Baustellen. In Wirklichkeit aber ist eine ganze Berufsgruppe in Gefahr - jedenfalls wenn das stimmt, was sein Stellvertreter Hubert Aiwanger letzthin als Schreckensszenario für den gemeinen Bauarbeiter entwarf: "Wenn der nur einmal die Woche Fleisch kriegt und nur Salat, fällt er am dritten Tag vom Gerüst runter." Aus Cham sind derlei Fälle bisher allerdings nicht überliefert.

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