Landwirtschaft:Almbauern wollen kein Welterbe werden - doch Gericht weist Klage ab

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Die markanten Buckelwiesen in den Bergen rund um Garmisch-Partenkirchen sind wichtiger Bestandteil der laufenden Welterbe-Bewerbung. (Foto: kdscholzfoto/mauritius)

Der Landkreis Garmisch-Partenkirchen will sich seine Wiesen- und Weidelandschaften von der Unesco mit einem Prädikat schützen lassen. Doch sieben Grundbesitzer fürchten das Schlimmste: mehr Naturschutz, weniger Landwirtschaft. Sie ziehen vor das Verwaltungsgericht - vergeblich.

Von Matthias Köpf, Garmisch-Partenkirchen

Wie viel und wie viele da unter einen Hut zu bringen wären, das zeigt schon der Titel der Bewerbung: Als "Alpine und voralpine Wiesen-, Weide- und Moorlandschaften im Ammergau, Staffelseegebiet und Werdenfelser Land" will der Landkreis Garmisch-Partenkirchen größere Teile seines Gebiets unter den Schutz der Unesco stellen lassen. Weltkulturerbe sollen all die Moore, Almen und Buckelwiesen werden - mit starker Betonung auf Kultur. Denn mit dem Wort Naturerbe, also womöglich mit noch mehr Vorschriften zum Naturschutz, braucht den meisten Bauern im Werdenfelser Land keiner zu kommen.

Zudem ist diese Landschaft auch nichts irgendwie Urwüchsiges, sondern geprägt durch eine über Jahrhunderte kaum veränderte Weidewirtschaft. Ob sich an all dem durch den angestrebten Welterbe-Status etwas verändern wird oder eben nicht, ist im Landkreis allerdings umstritten. Manche Bauern befürchten, dass sie ihren Grund und ihre Weiderechte bald nicht mehr der nächsten Generation vererben dürfen, sondern gleich der ganzen Menschheit hinterlassen müssen. Sieben von ihnen haben deswegen vor dem Verwaltungsgericht München gegen die Bewerbung geklagt - vorerst ohne Erfolg, das Gericht hat die Klage abgewiesen.

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Fünf der sieben Kläger sind Eigentümer von Grundstücken, die Teil der Welterbe-Bewerbung sind, zwei Kläger halten Weiderechte auf solchen Flächen. Dieses jahrhundertealte System der Weiderechte und Weidegenossenschaften ist ausdrücklich Teil dessen, was der Landkreis als Welterbe schützen lassen will. Zusammen mit den ausgedehnten Moorflächen etwa im Murnauer Moos erstrecken sich die Alm- und Weideflächen aus der Bewerbung auf mehr als 20 000 Hektar und damit auf gut ein Fünftel des Landkreises. Doch es haben sich keineswegs alle Bauern überzeugen lassen. Einige erwirkten über ihre Gemeinden, dass ihre Flächen nicht aufgenommen wurden, und die Gemeinde Eschenlohe verweigerte sich dem Vorhaben am Ende ganz. Andere, darunter die Kläger, sahen für sich keine Möglichkeit, ihre Flächen aus der Welterbe-Bewerbung zu nehmen. Denn zu sehr zerstückeln lassen will man sich im Landratsamt die zu schützende Landschaft auch nicht.

Landrat Anton Speer (FW) war mit einigen Funktionären des Almwirtschaftlichen Vereins und des Bauernverbands lang durch die Rat- und Wirtshäuser gezogen, um in Versammlungen für das Projekt zu werben. Es gehe dabei nicht in erster Linie um ein neues Werbeschild für den Tourismus, sondern um den Erhalt der althergebrachten Wirtschaftsweise, hatte Speer, im Nebenerwerb selbst Almbauer, stets betont. Auf den Versammlungen hatte der Landrat gern die Hoffnung genährt, dass die Bauern mit dem Welterbe-Status auch bei der alten Anbindehaltung für ihre Kühe bleiben könnten und dass sie ihre traditionelle Almwirtschaft zudem mit Waffengewalt gegen den Wolf verteidigen könnten, auf den sie sich gedanklich eingeschossen haben. Bei beiden Themen dürfen sie in Wirklichkeit kaum mit Schützenhilfe von der Unesco rechnen.

Landrat Anton Speer von den Freien Wählern ist im Nebenerwerb selbst Bergbauer und ein großer Verfechter der Welterbe-Bewerbung. (Foto: Angelika Warmuth/dpa)

Die sieben Kläger, von denen sich eine per Vollmacht vom Murnauer CSU-Kreisrat Rudolf Utzschneider vertreten ließ, befürchten zudem, dass die ganze Bewerbung nur eine Art Trick sein könnte, um auf dem Umweg über Welterbe und Denkmalschutz noch mehr Flächen faktisch unter Naturschutz zu stellen. Dadurch, dass sich Deutschland international verpflichtet hat, für den Schutz des Welterbes zu sorgen, sehen sich manche regelrecht enteignet. Denn eine neue Hofstelle oder eine Maschinenhalle dürften sie auf den Flächen ihrer Befürchtung nach dann nicht mehr bauen, trotz des gewohnten landwirtschaftlichen Bauprivilegs. Würde man sie am Ende sogar dazu zwingen können, ihre Weiderechte tatsächlich auszuüben, um so die Welterbe-Landschaft zu erhalten?

Dass sich aus all diesem Bedenken auch ein Klagerecht vor dem Verwaltungsgericht ableiten lässt, daran äußerte die Vorsitzende Richterin am Dienstag aber große Zweifel. Demnach ist es zumindest fraglich, ob der Landkreis oder der Freistaat wirklich jeden Grundbesitzer und Weiderechtler einzeln fragen muss, ob der mit seiner Fläche Teil einer Welterbe-Bewerbung sein will. Es gebe bei so einer Bewerbung - anders etwa als bei einem kommunalen Bebauungsplanverfahren - keine geregelten Beteiligungsrechte, die da verletzt worden sein könnten.

Gegen wen muss sich die Klage richten?

Zudem musste die Kammer erst herausarbeiten, wer denn der richtige Beklagte sein könnte: der Landkreis, von dem die Bewerbung ausging, oder der Freistaat, dessen damaliger Wissenschaftsminister Bernd Sibler (CSU) die Papiere unterschrieben hat. Danach brachte Landrat Speer das fast 1000 Seiten dicke Bewerbungsbuch persönlich ins Auswärtige Amt nach Berlin, das die Bewerbung am 18. Januar bei der Unesco in Paris hinterlegte. Mit einer ersten Einschätzung der Gutachter rechnet das Wissenschaftsministerium irgendwann im kommenden Jahr.

Das Verwaltungsgericht hingegen hat den Fall für sich nach ziemlich genau einem Jahr abgeschlossen. Denn die erste Klage von damals noch fünf Grundbesitzern ging Ende November 2021 ein - also noch vor Abgabe der Bewerbung. Weil diese aber inzwischen in Paris liegt, tauchte kurzfristig die Frage auf, ob sich der ganze Rechtsstreit nicht vielleicht schon dadurch erledigt haben könnte. Doch der Landkreis könnte seine Bewerbung wieder zurückziehen - und der Freistaat, so signalisierte es vor Gericht der zuständige Ministerialrat, würde dann wohl seinerseits von der Bewerbung zurücktreten. Daran denken jedoch beide nicht - schon gar nicht nach dem einige Stunden später veröffentlichten, aber noch nicht im Detail begründeten Urteil, wonach die Klage abgewiesen wird. Eine Fortsetzung könnte folgen. Denn die Frage des Klagerechts hält der Anwalt der Kläger ausdrücklich "für eine rechtsgrundsätzliche, die auf jeden Fall in höheren Instanzen erörtert werden muss".

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