Landespolitik:"Die richtige Zeit für ein Büro in London wäre jetzt"

Lesezeit: 2 min

A day of pride and beer: So lautete 2019 das Motto, als die LGBTQ-Community in London das "Pink Oktoberfest" feierte. (Foto: Peter Dench/Getty Images)

Die Idee für eine weißblaue Repräsentanz in Großbritanniens Hauptstadt existiert schon länger. Mit einiger Verzögerung soll sie nun 2022 realisiert werden - die Planungen seien bereits sehr weit fortgeschritten.

Von Johann Osel, München

Die schaumlosen Bierkrüge, faschingstaugliche Trachten, Kreationen wie Pommes mit Blaukraut oder Brühwurst mit Brezn und Ketchup - schaut man sich als Bayer Bilder von Londoner Oktoberfesten an - alles "very bavarian", ob im Millwall-Park oder an den Docks der Themse -, packt einen das Grausen. Da wünscht man sich glatt ein offizielles Nachhilfebüro in bayerischer Lebensart für die Briten. Nun unterhält der Freistaat weltweit Repräsentanzen und dort findet das als Nebeneffekt tatsächlich statt: Bei Veranstaltungen können Gäste aus dortiger Wirtschaft und Gesellschaft zuweilen korrekt geschnürte Dirndl und korrekt zubereitete Bratwürste erleben.

Doch Kernpunkt dieser Niederlassungen sind natürlich politische Vernetzung und Ökonomie. Das wäre nach dem Brexit noch wichtiger als ein beiläufiger Bayernknigge. Nur: In London gibt es eine solche Quasi-Botschaft, obwohl versprochen, nicht - doch 2022 soll sich etwas tun. "Die Planungen sind bereits sehr weit fortgeschritten", Corona habe die Umsetzung verzögert, teilte ein Sprecher der Staatskanzlei auf Anfrage der SZ mit. "Das bayerische Büro in London soll im kommenden Jahr seine Arbeit aufnehmen."

Seit 2019 gibt es auch ein Afrika-Büro

Bayern hatte in den Achtzigern den Drang in die Welt entfacht: Einige Repräsentanzen wie in Prag, Québec oder in Tel Aviv sind heute der Staatskanzlei zugeordnet. Seit 2019 gibt es auch ein Afrika-Büro. Dazu kommen gut zwei Dutzend Standorte über das Wirtschaftsministerium wie in Moskau, Santiago de Chile, Riad oder Sichuan. Sie sollen Handel, Investitionen und wirtschaftliche Zusammenarbeit fördern; für London, wenngleich im Beritt der Staatskanzlei, ebenso wichtig.

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London calling - die Idee kursierte schon früher, mit dem Brexit wurde sie konkret. 2019 kündigte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) "ein starkes Büro in London als klares Signal des Miteinanders" an, in zentraler Lage, mit kurzen Wegen zu Regierung oder Vertretern von Wirtschaft und Wissenschaft. Ende Januar 2020 zum Brexit-Abkommen stellte Söder die Eröffnung noch vor Sommer in Aussicht. Seitdem: Funkstille. Die Pandemie sei der Grund, hieß es stets - womöglich war es auch schwierig, ein Objekt in der Lage zu finden. Welche Immobilie man ergatterte, ist nicht zu erfahren. Aber: Die Eröffnung ist im Haushaltsentwurf für 2022 aufgeführt, Einzelplan Staatskanzlei. 500 000 Euro sind veranschlagt, der Löwenanteil dürfte die Miete sein. Das zeigte sich schon in früheren Etatplänen.

Das Wirtschaftsleben leidet unter dem Brexit

In der Opposition ärgerte man sich, seit der Termin im Sommer 2020 verstrich. "Die richtige Zeit für ein Büro in London wäre jetzt. Irgendwann 2022 ist zu spät", sagt Florian Siekmann, Europapolitiker und Fraktionsvize der Grünen. Er verweist etwa auf Knappheit bei Ersatzteilen aus UK und Rückgang beim Export. "Ob das Büro am Ende sein Geld wert ist, muss es noch beweisen. Dass ursprünglich mehr als die Hälfte der Mittel für Miete und Pacht vorgesehen war, lässt jedenfalls zweifeln." Nicht auf eine teure Immobilie kommt es in Siekmanns Augen an, "sondern auf einen guten Service".

Der Brexit zeigt längst Spuren: War Großbritannien 2015 noch zweitwichtigster bayerischer Exportmarkt, liegt es inzwischen auf Platz sechs; auch die Einfuhren aus dem Königreich sanken stark. Die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft schlug kürzlich Alarm: Kleine und mittlere Unternehmen sowie Dienstleister litten unter einem "Flickenteppich" an Regelungen. Die Repräsentanz wäre da sicher nicht die Lösung aller Probleme - kann aber womöglich Lösungen für einzelne Probleme aufzeigen oder vermitteln. Derweil spechten die Regierungsfraktionen auch auf Schottland - auf die "langjährige Partnerschaft, die über den Brexit hinaus verbindet", wie es in einem Antrag im Juni hieß. Treiber der bayerisch-schottischen Liaison sind die Freien Wähler. Deren europapolitischer Sprecher Tobias Gotthardt hat gar mal ein Büro in Edinburgh angedacht. Vielleicht ginge das dann schneller als in London.

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