Kampf gegen das Coronavirus:Impfbeginn in Bayern: Auftakt mit Pannen

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Der Start verlief nicht überall so reibungslos wie bei Maria Möse, 93, im Plattlinger BRK-Seniorenheim im Landkreis Deggendorf. (Foto: N/A)

Im Freistaat sind am Sonntag 9750 Impfdosen ausgeliefert worden. Bei etlichen davon war die Kühlkette nicht klar nachvollziehbar - sie werden vorerst zurückgehalten.

Von Dietrich Mittler und Christian Sebald, Plattling/München

Für Maria Möse, 93, und Bewohnerin der BRK-Seniorenheims im niederbayerischen Plattling, war die Corona-Impfung ganz offenkundig keine große Sache. "Sie hat das sehr routiniert gemacht", berichtet Christian Köglmeier am Telefon. Der Internist hat der hochbetagten Seniorin am Sonntagmorgen als einer der ersten Klientinnen in Bayern den Impfstoff gegen die Pandemie in den Oberarm gespritzt.

Köglmeier und sein mobiles Impfteam waren dazu eigens in die streng abgeschirmte Einrichtung gefahren. Auch die Impfungen dort erfolgten unter scharfen Sicherheitsvorkehrungen. "Nachdem wir Frau Möse über das Vorgehen aufgeklärt hatten, hat sie den Oberarm freigemacht", berichtet Kögelmeier, "nach dem Piks hat sie nur gemeint, das ist ja wie immer bei einer Impfung. Dann war das Ganze auch schon vorbei." So wie im Plattlinger BRK-Seniorenheim haben am Sonntag in den bayerischen Landkreisen und Städten die Corona-Impfungen begonnen.

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Der Start verlief aber nicht überall so reibungslos wie im niederbayerischen Landkreis Deggendorf. In großen Teilen Oberfrankens und in den Landkreisen Augsburg und Dillingen musste er sogar aufgeschoben werden. Der Grund war, dass die Kühlkette für die Impfstoff-Dosen nicht nachvollziehbar war. "Bis zum jetzigen Zeitpunkt konnte man uns aus medizinischer Sicht nicht bestätigen, dass die Impfdosen bedenkenlos verwendet werden können", sagte der Augsburger Landrat Martin Sailer (CSU). Deshalb habe man sich entschlossen, die gelieferten Impfdosen nicht an die Impfteams auszugeben. Es solle erst abgeklärt werden, was genau passiert sei. In Oberfranken waren die Landkreise Coburg, Lichtenfels, Kronach, Hof, Bayreuth, Wunsiedel, Forchheim und Kulmbach betroffen. Die Kühlboxen waren von der Staatsregierung zur Verfügung gestellt worden. In den Landkreisen Augsburg und Dillingen waren die Pannen nach wenigen Stunden behoben. In den oberfränkischen Regionen sollen die Impfungen an diesem Montag starten.

Der Pharma-Hersteller Biontech hält seinen Impfstoff trotz der gemeldeten Probleme mit der Kühlkette für sicher. So hieß es in einer Stellungnahme des Unternehmens, dass "die Temperaturabweichung, die registriert wurde, keinen Einfluss auf die Qualität des Impfstoffes hat".

Nach Angaben von Biontech muss der Impfstoff für einen längeren Zeitraum bei minus 70 Grad gelagert werden. In speziell entwickelten Versandboxen mit Trockeneis übersteht das Präparat bei dieser Temperatur bis zu 15 Tage. In den Impfzentren kann der Impfstoff in ungeöffnetem Zustand laut Biontech in den Lieferboxen oder auch in herkömmlichen Kühlschränken bis zu fünf Tage bei zwei bis acht Grad aufgehoben werden. Bis zwei Stunden vor dem Spritzen könne das Präparat bei bis zu 30 Grad gelagert werden. Die Impfung selbst könne bei Zimmertemperatur erfolgen.

Trotz der anfänglichen Pannen äußerte sich Gesundheitsministerin Melanie Huml sehr erleichtert. "Wir konnten wie geplant mit den ersten Corona-Impfungen beginnen", sagte sie in München. "Ich bin sehr froh, dass wir dieses für uns alle so herausfordernde und bewegte Jahr mit dieser guten Nachricht beenden können." Biontech hatte am zweiten Weihnachtstag 9750 Dosen seines Corona-Impfstoffs nach Bayern geliefert. Sie wurden gleichmäßig auf die 71 Landkreise und 25 kreisfreien Städte des Freistaats verteilt. Ein jeder bekam 100 Impfdosen, nur die Millionenstadt München erhielt 250. Die Impfungen selbst wurden wie vorgesehen hochbetagten Bewohnerinnen und Bewohnern von Altenheimen und Pflegeeinrichtungen sowie dem Pflegepersonal dort verabreicht. "Wir müssen zuallererst die schützen, die durch das Coronavirus am allermeisten gefährdet sind", sagte Huml.

Bereits an diesem Montag werden die Lieferungen fortgesetzt. Dann werden 97 500 Impfdosen im Freistaat erwartet, bei der dritten Lieferung am 30. Dezember sollen es laut Gesundheitsministerium 107 500 sein. Im neuen Jahr gehen die Lieferungen regelmäßig weiter, dem Vernehmen nach mit ungefähr 100 000 Impfdosen pro Woche. Da für einen wirksamen Schutz zwei Mal geimpft werden muss, wird jeweils die Hälfte der Dosen zurückgestellt und in den zentralen Standorten in München und Erlangen zwischengelagert.

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Kurz vor dem Impfstart hatte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) vor negativen Folgen durch etwaige Lieferengpässe gewarnt. "Endloses Warten reduziert auch die Bereitschaft der Bevölkerung, sich impfen zu lassen", sagte er. Leider sei noch nicht genügend Impfstoff vorhanden. "Die Bestellungen des Bundes reichen wohl, aber die Produktion dauert. Daher ist es wichtig, alle Kapazitäten zur Herstellung des Impfstoffes zu erhöhen." Ansonsten erwartet Söder keine größeren Probleme. "Die Impflogistik steht." Alle Seuchen hätten am Ende nur durch Impfungen bekämpft werden können. "Dazu müssen wir die Impfbereitschaft der Menschen noch deutlich erhöhen. Denn eine Impfpflicht wird es nicht geben." Zugleich betonte Söder aber: "Je mehr geimpft wird und je mehr sich impfen lassen, desto schneller können wir den großen Schrecken von Corona reduzieren."

Wissenschaftsminister Bernd Sibler (CSU) sagte eine Unterstützung der Begleitstudie über die Wirksamkeit und Sicherheit der Corona-Impfung zu. Der Freistaat stelle für dafür eine Million Euro zur Verfügung. Die Studie soll von den Universitätskliniken in München, Würzburg, Regensburg und Augsburg sowie der Hochschule Hof durchgeführt werden. Auch das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, das Paul Ehrlich-Institut und das Robert-Koch-Institut sind einbezogen. Die Federführung hat Professor Klaus Überla vom Universitätsklinikum in Erlangen.

Huml betonte, dass aktuell bei den Impfungen nur Personen mit der höchsten Prioritätsstufe zum Zug kommen. Außer Senioren über 80 Jahre, Mitarbeitern von Senioren- und Pflegeheimen sowie ambulanten Pflegediensten sind das Beschäftigte von Intensivstationen, Notaufnahmen, Rettungsdiensten und anderen Einrichtungen, in denen das Infektionsrisiko sehr hoch ist. Huml wies darauf hin, dass der Personenkreis per Anschreiben über die Impfmöglichkeit informiert wird.

© SZ vom 28.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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