Newsblog Gillamoos:"Wir stehen vor dir, wenn von vorne mit Dreck geworfen wird"

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Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger hat die Affäre um ein antisemitisches Flugblatt aus Schulzeiten bei seinem Auftritt auf dem Volksfest Gillamoos auf der Bühne mit keinem Wort erwähnt. (Foto: Daniel Löb/dpa)

Einen Tag nach Söders Entscheidung, seinen Vize im Amt zu belassen, wird FW-Chef Aiwanger beim Gillamoos gefeiert. Die SPD fordert, dass so ein "rechtspopulistischer Geisterfahrer" nicht länger die Hand am Lenkrad Bayerns haben darf. Eindrücke aus Niederbayern.

In Bayern führt im Wahlkampf kein Weg an den Bierzelten vorbei. An diesem Montagvormittag versammeln sich alle im Landtag vertretenen Parteien im niederbayerischen Abensberg zu einem traditionsreichen Schlagabtausch. Und es geht besonders hoch her, steht der politische Frühschoppen beim diesjährigen Gillamoos doch nicht nur im Zeichen der Landtagswahl in fünf Wochen, die Flugblatt-Affäre um Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger ist bei der Opposition das Thema im niederbayerischen Abensberg.

12.14 Uhr: Kein einziges Wort zur Flugblatt-Affäre

Hubert Aiwanger entwirft seine Vision für Bayern in zehn Jahren: Dass es dann noch Kinder gebe, "deren Ziel es ist, beim Sportfest eine Ehrenurkunde zu gewinnen", die ordentliche Noten in der Schule erreichen wollten und anschließend eine Berufsausbildung machten. Wer eine Firma gründen wollte, der müsse von Staat und Gesellschaft unterstützt werden, alte Menschen sollten so lange wie möglich daheim bleiben können. Kurz gefasst: Dass "gesunder Menschenverstand die Zukunft dominiert und nicht Ideologie die Zukunft kaputt macht". Deswegen "unterziehen wir uns diesem Spießrutenlauf".

Eine Stunde hat Aiwanger gesprochen und kein einziges Wort zur Flugblatt-Affäre gesagt.

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:Eine verhängnisvolle Affäre

Die Entscheidung von Söder, Aiwanger im Amt zu lassen, war vor allem ein Balanceakt in Sachen Schadensbegrenzung. Doch an wen er sich da gekettet hat, zeigt schon der Sonntag: Der bayerische Ministerpräsident hat sein Urteil noch nicht verkündet, da triumphiert sein Stellvertreter schon im Bierzelt.

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12.09 Uhr: Themen, die man im Bierzelt so eher nicht erwartet hätte

Bei den Grünen hat Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann eine eher komplizierte Rede gehalten, bei der kaum Stimmung aufkam. Von Napoleon über den Medikamentenmangel bis hin zur Gasumlage: In seiner Rede an das "geschätzte Bayernvolk" streifte Kretschmann viele Themen, die man im Bierzelt so eher nicht erwartet hätte. Den historischen Exkurs über das Bündnis Bayerns mit Napoleon nutzte er, um die Wandlungsfähigkeit der Bayern zu erklären. Die seien "mal geschmeidig, mal bockig, mal barsch, mal lustig, mal mutig, mal angenehm, mal geschmacklos, mal mit dem Heiligenschein, mal ruchlos."

Zum Schluss ging Deutschlands einziger grüner Ministerpräsident auf Hubert Aiwangers Erding-Rede aus dem Juni ein. Darin hatte Aiwanger gesagt, die "schweigende Mehrheit" müsse sich die "Demokratie zurückholen". Ein "ganz wirrer Satz", sagte Kretschmann, "gefährlich". Das sei Demagogie, "die absolut empfindliche Stelle der Demokratie". Damit müsse man vorsichtig sein, so Kretschmann. "Wir wissen aus unserer Geschichte, was Demagogen angerichtet haben." Über die Flugblatt-Affäre äußerte sich der Grünen-Politiker nicht explizit.

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Mehr als 13 000 Menschen kommen zur Demonstration in die Kleinstadt Erding nahe München. Kabarettistin und Mitorganisatorin Monika Gruber spricht von einer "Duftmarke", Landtagspräsidentin Aigner findet kritische Worte.

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12.03 Uhr: Von Hubert Aiwanger ist bei der CSU nicht zu hören

Jetzt geht es in die Schlussrunde, kündigt Markus Söder an. Aber von Hubert Aiwanger kein Wort, von "Flugblatt" erst recht nicht. Bis zum Schluss nicht. Stattdessen sagt der CSU-Chef vor dem Ende seiner Rede: Wer Berlin einen Denkzettel verpassen will, soll CSU wählen. Auf keinen Fall AfD, denn die schade dem Land. Im Gegensatz zu den Zelten von Grünen und FDP zum Beispiel ist von Hubert Aiwanger übrigens bei der CSU nicht zu hören - obwohl die Freien Wähler die Lautsprecher offenbar absurd laut aufgedreht haben.

11.50 Uhr: Aiwanger spricht über Flüchtlinge

Aiwanger spricht das Thema Flüchtlinge an. Wer wirklich verfolgt werde, für den gelte das Asylrecht, sagt er. Doch alle anderen müssten schon an der EU-Außengrenze abgewiesen werden. Auf jeden Fall dürften die Bürgermeister nicht allein gelassen werden, wenn dort in den Kommunen Menschen ankämen, die dann schnell untergebracht werden müssten. Es sei gefährlich, so etwas zu sagen, weil man ja gleich "als rechts" abgestempelt werden, sagt Aiwanger. Deswegen habe die "politische Mitte" weggeschaut und diese Fehler holten das Land nun ein. "Wir brauchen eine geordnete Zuwanderungspolitik", sagte Aiwanger, kein Zuwanderungschaos, wie es derzeit herrsche. Und wer sich nicht anständig benehme, der müsse schnell wieder abgeschoben werden.

(Foto: Sven Hoppe/dpa)

11.31 Uhr: So richtig Stimmung will noch nicht aufkommen

Markus Söder reitet jetzt die Themen durch. Tenor: Läuft nicht mit der "Hampelampel". Energieversorgung? Deutschland braucht die Kernkraft. Landwirtschaft? Wird drangsaliert. Mehrwertsteuer runter beim Essen, Stromsteuer runter für alle, Netzentgelte, Länderfinanzausgleich, Heizungsgesetz und Hände weg vom Ehegattensplitting. So richtig Stimmung will noch nicht aufkommen, Applaus vor allem für folgenden Satz: "Bayern ist nicht die ,Letzte Generation', sondern die letzte Bastion der Vernunft".

11.29 Uhr: AfD-Anhänger wollen "mal beim Aiwanger schauen"

AfD-Bundeschefin Weidel kommt, "Alice, ich will ein Kind von dir", brüllt einer rein. "Ein Bier oder ein Bild", fragt Weidel, hat es nicht richtig verstanden. Mehr Einwanderung, weniger Wohlstand, dafür freies Kiffen, sagt sie. "Wir werden von Wahnsinnigen regiert und von Idioten." Das alles kommt an, ebenso Sätze wie: "Deutschland ist das Sozialamt der Welt." Die CDU sei immer noch die Merkel-CDU, Söder ein "Wendehals". Auflösungserscheinungen nach Weidel im Publikum, obwohl noch Reden angesetzt sind. Viele Gehende, hört man, wollen "mal beim Aiwanger schauen".

11.28 Uhr: 25 Antworten sind "eine Peinlichkeit"

Das bayerische Spitzenduo der Grünen hat die Entscheidung von Markus Söder, seinen Stellvertreter Aiwanger im Amt zu lassen, heftig kritisiert. "Von Hubert Aiwanger erwarte ich nichts mehr", sagte Katharina Schulze. Seine Antworten auf Söders 25 Fragen seien "eine Peinlichkeit". Dennoch habe sich der Ministerpräsident damit zufriedengegeben. "Markus Söder hat sich für Machterhalt statt Haltung entschieden", so Schulze, deren Rede von einer älteren Dame mit Trillerpfeife unterbrochen wurde. Auch Ludwig Hartmann sagte, er habe eine andere Antwort erwartet. "Markus Söder hat sich für Taktik entschieden, nicht für Haltung". Das schade dem Ansehen Bayerns.

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Die bayerische Staatsregierung veröffentlicht den Fragenkatalog zur Flugblatt-Affäre samt Erwiderungen des Vize-Regierungschefs. Lesen Sie das Dokument im Wortlaut.

11.26 Uhr: "Dieses Land wird derzeit rückabgewickelt"

Im Weißbierstadl erzählt Aiwanger jetzt von einem jungen Metzger, der keine Zukunft mehr in Bayern sehe und nun nach Kanada auswandern wolle. Er spricht von Unternehmen, die in Bedrängnis gerieten und vom schwindenden Wohlstand. "Dieses Land wird derzeit rückabgewickelt", sagt Aiwanger. Es werde in Frage gestellt, ob Leistung sich überhaupt noch lohne. Wenn ein Bürgergeld-Empfänger genauso viel bekomme wie ein Mindestlohn-Empfänger nach Steuerabzug, dann sei das nicht gerecht. Dann werde das dazu führen, dass immer mehr Leistungsträger das Land verließen.

11.22 Uhr: Regieren in Bayern? "Da bist du den ganzen Tag am Essen und machst schöne Termine"

Der SPD-Bundesvorsitzende Lars Klingbeil - er erlebt als Norddeutscher seine Premiere beim Gillamoos - attackiert nicht als Erstes Aiwanger, sondern Söder. Die linke Hand in der Hosentasche beschreibt er seinen Eindruck bei Ansicht von Söders Instagram-Auftritt. Regieren in Bayern?: "Da bist du den ganzen Tag am Essen und machst schöne Termine". So aber mache man keine ernsthafte Politik. Und Aiwanger? Dessen Entschuldigung nehme er ihm nicht ab: Wenn man ernsthaft um Verzeihung bitte, so lasse man sich "nicht zeitgleich im Bierzelt als Opfer einer Medienkampagne feiern - das ist unanständig". Klingbeils Schlussfolgerung: "Markus Söder und Hubert Aiwanger sind seit vergangener Woche keine Vorbilder mehr für junge Menschen." Lauter Jubel, das SPD-Zelt ist inzwischen prall gefüllt.

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11.20 Uhr: Wolfgang Krebs tritt direkt neben dem echten Söder auf

"Wer sich eine Bratwurst brät, der hat ein Bratwurst-Bratgerät", sagt Markus Söder - oder halt: der Kabarettist Wolfgang Krebs in der Rolle als Söder. Krebs tritt im Ottenbräu-Zelt auf, direkt neben dem echten Söder. Wenn man zwischen den Zelten steht, legen sich die Stimmen der beiden aufeinander. Dann krempelt Krebs die Ärmel seines weißen Hemds rauf und stellt sich auf die Zehenspitzen: "Meine Damen und Herren", setzt er an - und die Leute lachen und klatschen, weil sie jetzt der Hubert Aiwanger besucht.

11.13 Uhr: Aiwanger kommt ohne Schimpfworte aus

Jetzt spricht Hubert Aiwanger (FW) über das Heizungsgesetz. Man habe die Meinung des überwiegenden Teils der Bevölkerung nicht ausblenden dürfen, sagte Aiwanger, deswegen sei er zu dem Thema auf die Bühne gegangen. Er meint womöglich die Demo in Erding, als er den umstrittenen Satz gesagt hatte, dass sich die "große schweigende Mehrheit" die "Demokratie wieder zurückholen" müsse. Nun klingt er nüchterner, auch wenn er von einer "ideologischen Gesetzgebung" spricht. Er kritisiert die Bundesregierung, kommt aber ohne Schimpfworte aus.

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Mit seiner Teilnahme an der Kundgebung gegen die Heizungspläne der Ampelregierung hat sich Bayerns Ministerpräsident verkalkuliert. Aber sein Vize Aiwanger hat eine rote Linie überschritten.

Kommentar von Katja Auer

11.07 Uhr: Söder: "Wir tragen sogar seltsame Menschen auf Händen raus"

Markus Söder geht um kurz nach 11 Uhr auf die Bühne, reißt einen kurzen Witz über die Kanzlerkandidatur ("Interessiert mich nicht."), da muss er auch schon kurz pausieren. Gerade verweist er auf leere Bierbänke in den Zelten der anderen Parteien, kraftmeiert, dass die CSU der Ort ist, "wo wirklich Politik entschieden wird". Da springt ein Aktivist in oranger Warnweste auf, vermutlich von der "Letzten Generation". Sicherheitsleute entfernen den Mann schnell, Markus Söder verabschiedet ihn fürsorglich: "Wir tragen sogar seltsame Menschen auf Händen raus."

Zuvor hatte der CDU-Vorsitzende Merz Bayerns Ministerpräsidenten für die Aufarbeitung der Aiwanger-Affäre gelobt. Söder habe in den vergangenen Tagen eine verdammt schwierige Aufgabe gehabt, und die habe er bravourös gelöst, sagte Merz. "Sehr gut, genauso war's richtig, das so zu machen."

11.05 Uhr: Von der Flugblatt-Affäre nichts, zumindest zunächst einmal

Auftritt Hubert Aiwanger, der Stadl jubelt. Aiwanger schaut ernst, konzentriert und bedankt sich "für diese Rückenstärkung". Er beginnt mit einem Rückblick auf das vergangene Jahr, als ein als Winnetou verkleideter Darsteller auf die Bühne kam. In dieser "woken Zeit" sei es vielen nicht mehr angemessen erschienen, wenn Kinder Cowboy und Indianer spielen, aber die Freien Wähler stünden für Meinungsvielfalt. Er werde auch weiterhin von Papa und Mama reden und nicht von Elternteil 1 und Elternteil 2. Er spricht von "sehr, sehr, sehr sensiblen Themen", von Geschlechtsumwandlung und Cannabis-Freigabe. Von der Flugblatt-Affäre nichts, zumindest zunächst einmal.

10.45 Uhr: Die AfD-Spitzenkandidatin redet so unverblümt, als wäre sie in der NPD

Nur eine kurze Passage zum Aufreger der vergangenen Tage findet sich in der Rede von AfD-Spitzenkandidatin Katrin Ebner-Steiner. Aiwanger spiele nur Opposition, er "hat die Aufgabe, kritische Stimmen ins System reinzuholen und dort zu neutralisieren". Womit klar ist, wo sich ihre Partei selbst sieht: nicht im System. Ansonsten redet Ebner-Steiner unverblümt, als wäre sie in der NPD. Sie spricht von "deutschlandfeindlichen Tagedieben" in der Bundesregierung und "heimatfeindlichem Pack". Söder sei durch seinen Wahlkampf 2021 "der Samenspender dieser Ampel-Missgeburt". Und "Asylforderer" kämen "nur zum Kassieren", müssten alle in die Heimat ausreisen. Den Leuten hier gefällt so etwas, viel Applaus.

10.44 Uhr: Glauber: Freie Wähler von Grund auf bodenständig

Umweltminister Thorsten Glauber betritt die Bühne. "Wir Freien Wähler sind von Grund auf bodenständig und wir sind in den Kommunen zuhause", sagt er. Sein Thema ist die Basis der Freien Wähler, die Verwurzelung in den Gemeinden, von denen die Freien Wähler profitierten. Als die FW 2008 in den Landtag einzogen, seien sie "belächelt" worden, sagt Glauber, "keine Faxgeräte, keine Mitarbeiter", hätten sie gehabt, aber einen starken Zusammenhalt und eine gute Fraktion.

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10.34 "Eine Jugendsünde? Nein, eine Sauerei"

Im Härteis-Festzelt setzt die örtliche SPD-Landtagskandidatin Luisa Haag gleich mal den Ton, ohne dabei Hubert Aiwanger zu erwähnen. Zweierlei seien ihr als Heranwachsende als Lebensleitsätze mitgegeben worden: "Lass dir nichts gefallen" und "Entschuldig' dich g'scheit, wenn'sd einen Fehler gemacht hast." Großer Jubel samt "Luisa"-Rufen.

Dann macht Florian von Brunn weiter bei der SPD. Markus Söder und Hubert Aiwanger nennt er das "Duo Fatale". Die SPD habe immer das Prinzip gelebt: erst die Menschen, dann das Land, dann erst die Partei. Spätestens seit Sonntag wisse man, dass dies bei Markus Söder anders ist: "Dem geht es um seine Macht, und nichts anderes." Und Aiwanger? "So ein rechtspopulistischer Geisterfahrer darf nicht länger die Hand am Lenkrad Bayerns haben." Er wolle das mal in Erinnerung rufen, sagt Brunn. Sophie Scholl habe Flugblätter gegen die Nazis verteilt. Bei Aiwanger wurde mindestens ein Flugblatt gefunden, mit der Menschen wie Scholl "verhöhnt" worden seien: "Eine Jugendsünde? Nein, eine Sauerei", ruft Brunn. Das sei "rechtsradikal - und nichts anderes."

10.27 Uhr: "In der Heimat des gesunden Menschenverstandes"

Fabian Mehring, der parlamentarische Geschäftsführer der FW-Landtagsfraktion, der in den vergangenen Tagen mit besonders lautstarker Verteidigung von Hubert Aiwanger aufgefallen ist, begrüßt die Gäste "in der Heimat des gesunden Menschenverstandes". Er kenne keinen einzigen Freien Wähler in Bayern, dessen politische Heimat "nicht geradeaus in der Mitte" sei. Gleichzeitig seien die Freien Wähler ein "Bollwerk gegen die rechten Spinner". Mehring wirft sich erneut vor Aiwanger: "Unser Hubert Aiwanger hat mehr Demokratieverständnis im kleinen Finger, als diejenigen, die dieses Kesseltreiben veranstalten im ganzen Kerle."

Und er versichert dem "lieben Hubert": "Wir stehen vor dir, wenn von vorne mit Dreck geworfen wird, und wir stehen hinter dir, wenn von hinten mit Dreck geworfen wird." Denn Bayern brauche die Freien Wähler und Bayern brauche Hubert Aiwanger. Das Publikum dankt mit "Hubert, Hubert"-Rufen.

10.25 Uhr: Steigerlied statt "Money, Money, Money"

Beim Einzug ins Zelt der CSU erklingt das Steigerlied, "Glück auf", die berühmte Bergmannshymne, ein freundliches Servus für Friedrich Merz, den Gast aus NRW. Gut, Merz hat sein Geld zuletzt bei Blackrock verdient, "Money, Money, Money" von ABBA hätte womöglich auch gepasst.

10.23 Uhr: FW sind zu laut - Beschwerden bei der Festleitung

Vor dem Zelt der Grünen schimpft ein lokales Parteimitglied über die Freien Wähler (FW). Es geht dabei gar nicht um Aiwangers Flugblatt-Affäre, sondern um den Ton der Konkurrenz, wortwörtlich. Die Zelte der beiden Parteien liegen nebeneinander und die Reden der FW schallen durch Außenlautsprecher in hoher Lautstärke herüber. Die Grünen-Frau, die gerade Flyer verteilt, sagt, sie habe sich bereits bei der Festleitung beschwert. Sie habe aber erfahren, dass die Außenbeschallung in diesem Jahr erstmals offiziell erlaubt ist. "Aber wir drehen dann auch auf", sagt die Frau.

10.16 Uhr: Noch viele Lücken bei den Grünen

Bei den Grünen weisen die Sitzreihen im Weinzelt um kurz vor 10 Uhr noch viele Lücken auf. Im Hintergrund spielt eine Blaskapelle, etwa die Melodie des Pippi-Langstrumpf-Lieds: "Ich mach' mir die Welt, widdewidde wie sie mir gefällt." So richtig los geht es hier erst um 10.45 Uhr, wenn Spitzenkandidat Ludwig Hartmann auf das kleine Holzpodest steigt. Auf ihn folgt Katharina Schulze und für 11.15 Uhr wird der Auftritt von Winfried Kretschmann aus Baden-Württemberg erwartet. Deutschlands einziger grüner Ministerpräsident ist Hauptredner der Partei.

10.14 Uhr Anzug, weißes Hemd, eigentlich wie immer

Blasmusikeinzug mit Brunn und Klingbeil. Das erste Festzeltdrittel - wie gesagt: Das ist gut gefüllt - steht und klatscht, der Rhythmus stimmt. Klingbeil hat sich gar nicht erst die Mühe gegeben, sich der bayerischen Folklore kleidungsmäßig anzubiedern. Anzug, weißes Hemd, eigentlich wie immer. Brunn trägt Joppenartiges, immerhin.

Prost: Friedrich Merz (l.) und Markus Söder. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

10.05 Uhr: Herzlicher Empfang auch für Söder

Auf dem Parkplatz am Festgelände plauscht Söder noch mit dem baden-württembergischen Kollegen Kretschmann. Sein Einmarsch aufs Gelände ist dann von weniger Ekstase begleitet als der Aiwangers ein paar Minuten zuvor, aber herzlich ist der Empfang schon auch. Als Söder und Merz am Weißbierstadl vorbeiziehen, wird dort drinnen gerade Aiwanger begrüßt. Den Andrang bei der FW ordnet man in der CSU demonstrativ gelassen ein: Der Stadl habe halt nur 800 Plätze, das CSU-Zelt 3500. Und auch die würden voll.

10.02 Uhr: Wie die FDP-Redner akustisch und inhaltlich gegen die populistische Konkurrenz kämpfen

Um 10 Uhr geht auf der Zufahrtstraße zum Gillamoos nichts mehr. Wer trotzdem hin will, parkt sein Auto an der Landstraße und läuft die letzte Viertelstunde zu Fuß. Die FDP hat ein kleineres Zelt direkt neben den Freien Wählern. Deren Redner und Blaskapelle schallen laut ins Zelt der Liberalen. Drinnen kämpfen die Redner akustisch und inhaltlich gegen die populistische Konkurrenz. Die CSU kommt bei den ersten Rednern nur am Rande vor. Es geht vor allem um Aiwanger. Er habe Hubert Aiwanger nie als Antisemit kennengelernt, sagt etwa der FDP-Landtagsabgeordnete Alexander Muthmann. "Aber er ist ein begnadeter und rücksichtsloser Populist." In Sachen Populismus sei er nicht zu schlagen. Der FDP bleibe also nur sich mit Sachlichkeit, Vernunft und sinnvollen Gegenvorschlägen abzuheben. "Geht's raus und sagt den Leuten, dass diese Begeisterung für Hubert Aiwanger höchst problematisch ist. Wir haben bessere Lösungen anzubieten", sagt er zum Abschied.

(Foto: Sven Hoppe/dpa)

9.57 Uhr: Verlassensängste bei der SPD

Im Härteis-Festzelt, wo die SPD beim Gillamoos auftritt, haben sie den Bildausschnitt für die Fernsehkameras geschickt gewählt. Kurz vorm Festzelteinzug des bayerischen SPD-Spitzenkandidaten Florian von Brunn und dem SPD-Bundesvorsitzenden Lars Klingbeil sieht man im ersten Drittel, kurz vor der Bühne, ein gut gefülltes Festzelt. Im zweiten Drittel des Zeltes wird's schon dünner. Im letzten Drittel drohen akute Verlassensängste. Da sitzt drei Minuten vor dem offiziellen Beginn nahezu niemand.

9.50 Uhr: Aiwanger kommt an

Hubert Aiwanger kommt am Festplatz an, die Kapelle nimmt Aufstellung. "Musi, legt's los", sagt Aiwanger. Es sei viel Betrieb im FW-Weißbierstadl, sagt ein Reporter zu ihm. Vielleicht brauche man "ein größeres Zelt", sagt Aiwanger. Dann setzt sich der Zug in Bewegung, der Applaus schwillt an. Vor dem Weißbierstadl geht er in Jubel über. Beinahe unbemerkt laufen Lars Klingbeil und Florian von Brunn von der SPD hinterher.

9.46 Uhr: Nein, nein, "mia san keine Grünen"

Auf dem Festplatz sorgt eine Gruppe von Grünen für Aufregung, alle in einheitlichen Partei-T-Shirts. "Was wollt's na ihr da?", fragt ein junger Mann aus der Aiwanger-Schlange. "Die Grünen", sagt ein anderer kopfschüttelnd. Die Grünen protestieren entsetzt: Nein, nein, "mia san keine Grünen" - "mia san vom Hotel- und Gaststätten-Verband". Nur die T-Shirts sind grün, und drauf steht: "7 Prozent auf Speisen müssen bleiben". Die Unterhaltung nimmt eine Wendung ins Herzliche.

9.32 Uhr: Gartenfestatmosphäre und Bier aus Plastikbechern

So viel Andrang war noch nie beim AfD-Freiluft-Frühschoppen, die Bierbänke reichen bei Weitem nicht, wegen Überfüllung wird geschlossen. Es ist fast ein bisschen Gartenfestatmosphäre, mit Bier aus Plastikbechern. Die AfD trifft sich immer im Schloßgarten neben der Festwiese, mangels Zelt. Ein Kaminkehrer in voller Montur verteilt Glücksbringer; er ist ein AfD-Direktkandidat. In den Gesprächen vor den Reden auf der Bühne geht es überall um Aiwanger, um "linke Lehrer". Parteispitzen versichern dagegen, es werde heute vor allem um Themen gehen wie Migration oder Heizen, um "das Versagen der Altparteien"; am Rande vielleicht um die Freien Wähler. Wohl will die AfD keine weitere Solidarisierung mit Aiwanger in der eigenen Wählerschaft riskieren. Was ja Stimmen kosten könnte, gerade in Niederbayern.

Wird bestimmt voll werden: Draußen stehen die Leute sich die Füße in den Bauch, um den bayerischen Vizeministerpräsidenten zu erleben. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

8.56 Uhr: So viel Interesse hat Aiwanger noch nie gezogen beim Gillamoos

Vor dem Weinstadl, den die Grünen angemietet haben, hat sich schon früh am Morgen eine lange Schlange gebildet. Sie führt aber nicht in den Weinstadl, sondern rüber in den Weißbierstadl, wo Hubert Aiwanger für die Freien Wähler sprechen wird. Es ist noch nicht mal 9 Uhr, um 10 Uhr soll es losgehen - und die Leute stehen sich die Füße in den Bauch, um den bayerischen Vizeministerpräsidenten zu erleben. So viel Interesse hat Aiwanger noch nie gezogen beim Gillamoos. Vor dem Weißbierstadl hat sich ein Mann mit einem Pappschild postiert: "Schon Jesus sprach: Wer von euch ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein!"

Was die Besucher erwartet

Alle bayerischen Spitzenkandidaten werden zum Gillamoos kommen. CSU-Chef Markus Söder tritt mit Verstärkung aus Berlin an: Ihn begleitet der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz. Bei den Freien Wählern tritt - wie immer - Landes- und Bundeschef Hubert Aiwanger auf. Am Sonntag hatte Ministerpräsident Söder erklärt, ihn im Amt des Wirtschaftsministers belassen zu wollen. "Demut und Reue" erwarte er nun von Aiwanger, sagte Söder, deswegen wird sein Auftritt mit besonderer Spannung erwartet.

Die Bayern-SPD schickt ihren Bundesvorsitzenden Lars Klingbeil. Bei den Grünen wird der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann erwartet. Für die FDP ist Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki angekündigt. Die AfD ist mit Parteichefin Alice Weidel vertreten.

Der oder das Gillamoos?

Bevor er losgeht, klären wir noch diese wichtige Frage. Ob es der oder das Gillamoos heißt, ganz klar: der. Der Name lässt sich vom (St.) Gil(g) a(m) Moos" herleiten, Gilg ist dabei eine süddeutsche Nebenform von Ägidius. Der Gillamoos gehört zu den größten und ältesten Volksfesten in Niederbayern. Die Veranstaltung im Landkreis Kelheim hat eine mehr als 700-jährige Tradition und ist gerade für die politischen Reden am letzten Festtag überregional bekannt. Mehr dazu im Aktuellen Lexikon:

Aktuelles Lexikon
:Gillamoos

Der Jahrmarkt im niederbayerischen Abensberg hat eine lange Tradition. An diesem Montag wird er zum Schauplatz eines politischen Schlagabtausches.

Von Katja Auer

Mit Material der Nachrichtenagentur dpa

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