Bayern:Knobloch: Ich habe Aiwangers Entschuldigung nicht angenommen

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Charlotte Knobloch leitet die Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern und saß auch jahrelang dem Zentralrat der Juden in Deutschland vor. (Foto: POOL/REUTERS)

In der Affäre um ein antisemitisches Flugblatt erneuert die Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde in München ihre Kritik am bayerischen Wirtschaftsminister. Zugleich nennt sie es richtig, dass er im Amt bleiben darf.

Von Kassian Stroh

Scharfe Kritik am bayerischen Vizeministerpräsidenten Hubert Aiwanger und zugleich volles Verständnis für die Entscheidung, ihn im Amt zu behalten: Charlotte Knobloch, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, verteidigt den Entschluss von Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Dieser sei "aus politischen Gründen" völlig zu akzeptieren, sagte sie am Morgen im Deutschlandfunk. Freie-Wähler-Chef Aiwanger aus dem Kabinett zu werfen, hätte noch schlimmere Folgen gehabt.

Zugleich erneuerte Knobloch, eine der führenden Stimmen aus dem jüdischen Leben in Deutschland, ihre Kritik an Aiwanger. Dieser habe sich bei ihr gemeldet. "Ich habe die Entschuldigung nicht angenommen."

Zu dem antisemitischen Flugblatt aus Aiwangers Schulzeit, das in seiner Tasche gefunden und für das er auch bestraft wurde, dessen Autorenschaft er aber bestreitet, sagte Knobloch, dieses enthalte "entsetzliche Worte"; das komme einer "Katastrophe" gleich für jemanden, der so viel politische Verantwortung trage. Das sei "normalerweise nicht zu akzeptieren". Sie verstehe aber Söder sehr gut, der am Sonntag mitgeteilt hatte, an Aiwanger festzuhalten, sagte Knobloch. Bayern stehe vor einer entscheidenden Wahl. Eine Entlassung durch Söder hätte Aiwanger im Wahlkampf ausgenützt und damit hätte er wohl auch Erfolg gehabt. "Das wäre noch die größere Katastrophe gewesen", sagte Knobloch. "Aiwanger ist Aiwanger. Wir werden ihn nicht erziehen und wir werden ihn auch nicht verändern."

Söder hatte Aiwanger am Sonntag öffentlich nahegelegt, das Gespräch mit den jüdischen Gemeinden zu suchen und generell "Reue und Demut" zu zeigen. Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, sagte, "von der Reue und Demut allerdings habe ich nichts gehört". Das irritiere ihn. Zudem habe er eine "gewisse Skepsis", dass Aiwangers Bitte um Entschuldigung ernst gemeint sei, wenn er zugleich weiter von einer "Schmutzkampagne" gegen sich spreche, sagte Schuster im Bayerischen Fernsehen.

Auf dem Gillamoos kein Wort von Aiwanger zu der Affäre

Auch der Vorsitzende der CSU-Nachwuchsorganisation in Bayern erkennt bei Aiwanger noch keine Reue. Da müsse dieser "schon noch zu innerer Erkenntnis kommen und die nach außen tragen", sagte Christian Doleschal im Deutschlandfunk. "Hubert Aiwanger hat keinen Freifahrtschein", sagte der CSU-Europaabgeordnete und Landeschef der Jungen Union, "er ist in den nächsten Tagen immer unter Beobachtung."

Anders als am Sonntag, als er bei einem Bierzelt-Auftritt erneut eine "Schmutzkampagne" gegen sich beklagte, ging Aiwanger am Montag auf dem Gillamoos-Volksfest mit keinem Wort auf die Flugblatt-Affäre ein. Das erledigten seine Parteifreunde, etwa der parlamentarische Geschäftsführer der Freien Wähler in Bayern, Fabian Mehring. Der nannte die Vorwürfe gegen Aiwanger eine Kampagne "mit dem Ziel, der Ampel den Weg zu bahnen", und sagte: "Wer da das Denunziantentum unterstützt, der hat in diesem Land nichts verloren." Söder, der ebenfalls auf dem Gillamoos auftrat, erwähnte Aiwanger und die Freien Wähler mit keinem Wort.

In Bayern wird am 8. Oktober ein neuer Landtag gewählt. Erklärtes Ziel von Ministerpräsident Söder ist es, die Koalition mit den Freien Wählern fortzuführen.

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Die Entscheidung von Söder, Aiwanger im Amt zu lassen, war vor allem ein Balanceakt in Sachen Schadensbegrenzung. Doch an wen er sich da gekettet hat, zeigt schon der Sonntag: Der bayerische Ministerpräsident hat sein Urteil noch nicht verkündet, da triumphiert sein Stellvertreter schon im Bierzelt.

Von Katja Auer, Sebastian Beck, Roman Deininger und Andreas Glas

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