Großer Warnstreik im Verkehr:Wo Deutschland am Montag stillstehen wird

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Teilnehmer eines Warnstreiks in der Kieler Innenstadt. (Foto: Axel Heimken/dpa)

Flughäfen, Bahnhöfe, Autobahnen: Vielerorts wird wegen des geplanten Verkehrsstreiks nichts mehr gehen. Was Reisende und Pendler wissen müssen und was Gewerkschaften und Arbeitgeber sagen.

Von Juri Auel und Benedikt Peters

Der Warnstreik könnte der größte im Verkehrsbereich seit gut 30 Jahren sein. Am kommenden Montag steht Deutschland weitgehend still: Die Gewerkschaft Verdi und die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) haben zu einem großangelegten bundesweiten Warnstreik im Verkehrssektor aufgerufen. Wann geht es los? Wo genau ist mit welchen Behinderungen zu rechnen? Und welche Rechte haben Reisende? Was sagen die Gewerkschaften, was die Arbeitgeber? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Wann beginnt der Streik?

Die Gewerkschaften haben für den Streik den gesamten Montag eingeplant, also von 0 bis 24 Uhr. Auf offener Strecke sollen Reisende aber nicht stranden. "Wir werden keinen Fahrgast aus dem Bus werfen", hieß es von Verdi. Es wird aber damit gerechnet, dass der Streik ausstrahlende Wirkung hat - und somit bereits am Sonntag beziehungsweise noch am Dienstag Beeinträchtigungen an Bahnhöfen und Flughäfen zu erwarten sind.

Wo wird bei der Bahn gestreikt?

Die Deutsche Bahn kündigte als Folge des Warnstreiks an, den gesamten Fernverkehr am Montag einstellen zu müssen.

Ist nur der Fernverkehr betroffen?

Nein. Die EVG bestreikt die gesamte Bahn, so dass der Betrieb im Fern-, Regional-, und S-Bahn-Verkehr stillsteht. Im Regionalverkehr werde "größtenteils kein Zug fahren", hieß es von der Bahn. Hinzu kommen auch kommunale Nahverkehrsbetriebe in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen. Die Münchner Verkehrsgesellschaft rechnet damit, dass es bei U-Bahnen, Tram- und Buslinien in der Landeshauptstadt zu Einschränkungen kommen könnte. Man plane aber, wie an vorherigen Streiktagen zumindest einen Teil des Betriebs aufrecht zu erhalten. In Hamburg und Berlin werden Busse, Straßen- und U-Bahnen fahren. Aber bei der von der Bahn betriebenen S-Bahn ist auch in diesen beiden Großstädten mit massiven Einschränkungen zu rechnen.

Was passiert mit gebuchten Bahntickets?

Nachdem beim aktuellen Streik der gesamte Fernverkehr zum Erliegen kommen wird, gestattet die Bahn eine flexible Nutzung schon gekaufter Tickets auch an anderen Tagen: Fahrgäste, die für Montag oder Dienstag eine Bahnreise gebucht haben, könnten den Fahrschein bis einschließlich 4. April einsetzen, kündigte die Bahn an. Sitzplatzreservierungen lassen sich kostenlos stornieren.

Grundsätzlich gilt: Fällt ein Zug wegen des Streiks aus oder verpasst der Reisende seinen Anschluss, kann er ohne Aufpreis auf einen beliebigen anderen Zug ausweichen - wenn wieder einer fährt. Bei Angeboten wie einem Sparpreis-Ticket wird die Zugbindung aufgehoben. Nähere Informationen zu den Regelungen lesen Sie hier.

Was müssen Flugreisende wissen?

Wie stark es an den einzelnen Flughäfen zu Ausfällen und Verzögerungen kommt, war zunächst noch offen. Zum Streik aufgerufen sind nach Angaben der Gewerkschaft Verdi die Beschäftigten der deutschen Verkehrsflughäfen bis auf Berlin. Die Flughäfen München und Frankfurt teilten bereits mit, dass bei ihnen kein regulärer Flugbetrieb stattfinden werde. In München gilt dies sogar bereits ab Sonntag.

Wenn Flüge deshalb annulliert oder umgebucht werden, kontaktieren die Airlines in der Regel die Passagiere, die bei der Buchung ihre Kontaktdaten hinterlassen haben. Wer ohne Benachrichtigung bleibt, sollte den aktuellen Stand der Buchung selbst kontrollieren. Eine Übersicht, welche Rechte Passagiere bei Flugausfällen haben, finden Sie hier.

Was kommt auf Autofahrer zu?

Auf den Straßen dürfte es sehr voll werden, vor allem in den Städten, in denen auch der Nahverkehr bestreikt wird. Zunächst war befürchtet worden, dass sogar Tunnel gesperrt werden müssten, weil diese nicht mehr überwacht werden könnten. Die Autobahngesellschaft wies das später jedoch zurück.

Was bedeutet der Streik für die Schifffahrt

Schleusen auf wichtigen Wasserstraßen und etwa Deutschlands größter Hafen in Hamburg sollen bestreikt werden. Bestimmte Bereiche könnten komplett blockiert sein. Es wird damit gerechnet, dass der Hamburger Hafen für große Schiffe teils nicht mehr erreichbar sein wird.

Was ist das Kalkül der Gewerkschaften?

Mit der Großaktion am Montag lassen sie pünktlich zur dritten Verhandlungsrunde für den öffentlichen Dienst die Muskeln spielen. Verdi und EVG haben sich für diesen Superstreiktag zusammengeschlossen, weil aus ihrer Sicht in mehreren Tarifrunden zu wenig vorangeht. Neben kleineren Verhandlungen für Fluglotsen und einzelne Flughäfen kämpft Verdi vor allem im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen für mehr Geld. Dort geht es um höhere Gehälter für 2,5 Millionen Arbeitnehmer, darunter sind auch Busfahrerinnen und andere Mitarbeiter des öffentlichen Nahverkehrs in einigen Bundesländern. Verdi verlangt angesichts der hohen Inflation für sie 10,5 Prozent mehr Lohn, aber auch ein monatliches Mindestplus von mindestens 500 Euro brutto, das, je nach Verdienst, Gehaltssteigerungen von bis zu 25 Prozent bedeuten würde.

Die EVG wiederum befindet sich im Clinch mit der Bahn und anderen Zugunternehmen. Sie verlangt 12 Prozent mehr Geld beziehungsweise ein Mindestplus von 650 Euro brutto im Monat. Die EVG verhandelt für etwa 230 000 Beschäftigte, 180 000 davon sind bei der Bahn angestellt. Einerseits wollen die Gewerkschaften Druck auf die Arbeitgeber machen, damit diese sich in den Verhandlungen im öffentlichen Dienst (die nächsten Gespräche beginnen Montag) und bei der Bahn (nächste Gespräche Ende April) bewegen. Zugleich wissen Sie, dass der Superstreiktag ihnen große Aufmerksamkeit verschafft - und dadurch auch mehr Mitglieder. Seit Jahren kämpfen die Gewerkschaften mit sinkenden Zahlen. Auch aufgrund der vielen Warnstreiks scheint sich bei Verdi aber gerade der Trend zu drehen: Der Januar war nach Angaben von Verdi-Chef Frank Werneke in Sachen Mitgliederwerbung der erfolgreichste Monat in der Geschichte der Gewerkschaft.

Wie reagieren die Arbeitgeber?

Sie kritisieren den Verkehrsstreik als deutlich überzogen. "Jetzt streiken und dann vier Wochen lang nicht verhandeln, das kann nicht der Ernst der Gewerkschaft sein", sagte Bahn-Personalvorstand Martin Seiler. Die EVG hält dem entgegen, dass der nächste Verhandlungstermin schon lange auf Ende April terminiert ist und die Bahn bei den letzten Gesprächen Mitte März ein besseres Angebot hätte vorlegen müssen. Es lautet auf fünf Prozent mehr Lohn in den nächsten 27 Monaten, hinzukommen soll eine Inflationsausgleichsprämie von 2500 Euro. Die Chefverhandlerin der kommunalen Arbeitgeber im öffentlichen Dienst, Karin Welge, hatte Verdi ein ähnliches Angebot unterbreitet. Sie sagte: "Selten habe ich es erlebt, dass die Bevölkerung eines Landes derartig in Mitleidenschaft gezogen wird. Wir lehnen die Streikmaßnahmen entschieden ab." Die Arbeitgebervereinigung BDA fordert angesichts der vielen heftigen Warnstreiks in den vergangenen Monaten, diese stärker zu regulieren.

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