Europaparlamentarierin Sarah Wiener:"Wenn wir durch dieses Tor schreiten, werden wir eine andere Spezies sein"

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Unternehmerin, Fernsehköchin und EU-Parlamentarierin: Sarah Wiener. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Die Köchin Sarah Wiener ist seit drei Jahren Europaabgeordnete. Sie setzt sich für gesunde Ernährung ein und würde am liebsten auch in Brüssel mehr am Herd stehen.

Von Lea Hampel, München

Sarah Wiener, 59, würde ihre politischen Gespräche am liebsten beim Schnippeln und Brutzeln führen. Doch zum einen ist es Europaabgeordneten nicht erlaubt, im Büro zu kochen. Zum anderen wohnt die vor allem als Köchin bekannte Österreicherin meist in Hotels, seit sie im Europäischen Parlament sitzt. Seit drei Jahren befasst sie sich als Abgeordnete mit Landwirtschaft, Ernährung und Tierwohl und hatte vor allem in den ersten beiden Jahren "viele schlimme Momente", wie sie am Mittwoch beim SZ-Nachhaltigkeitsgipfel erzählte, zu dem sie von ihrem Bauernhof in der Uckermark angereist war.

Dabei war es eine "sehr schnelle Entscheidung", als die österreichischen Grünen sie fragten, ob sie für sie antreten wolle. Sie habe zugestimmt, so Wiener, "ohne so recht zu wissen, worauf ich mich da einlasse". Mit den Themen, die sie heute politisch bearbeitet, hatte sie sich allerdings schon als Köchin befasst. "Ich habe mich genähert vom Schneidebrett aus", sagte sie. "Es hat so angefangen, dass ich mich gefragt habe, was qualitativ hochwertige Lebensmittel sind." Dass eines ihrer Themen gesunde Ernährung geworden sei, sei eher ein "Kollateralschaden" gewesen. Damals habe als "Superlebensmittel" gegolten, was "selten, teuer, frisch" sei. Dass aber der ganze Prozess, vom Boden über die Sorte und die Ernte bis zur Lagerung, entscheidend sei, "das ist mir erst im Lauf der Jahre klar geworden".

Als eine von zwei österreichischen Grünen in Brüssel ist sie nun, wie sie es nennt, Teil der "Massenmenschenhaltung" in Brüssel. Anfangs fiel es ihr schwer, sich zurechtzufinden. Das Parlament arbeite durchgehend, man bekomme abends 130 Seiten Vorlage und solle sich bis zum Morgen eine Meinung bilden. "Da hatte ich eine ganz, ganz steile Lernkurve", erzählte sie. Sie hat unter anderem die "Farm to Fork"-Strategie miterarbeitet, mit der die Kommission die gesamte Lebensmittelkette verändern will. Besonders fokussiert hat sich Wiener auf den Grad der Verarbeitung von Lebensmitteln. Sie hält In-vitro-Fleisch und ähnliches Laborfleisch für "hochproblematisch". "Wenn wir durch dieses Tor schreiten, werden wir eine andere Spezies sein", ist sie überzeugt. Sie hat die "Förderung und Forschung von regionalem Lebensmittelhandwerk" in die Strategie eingebracht und kämpft seit drei Jahren für europäische Mindeststandards in der Putenhaltung. "Kein Tier wird so überzüchtet und erhält so viele Antibiotika", sagte Wiener. Zum Abschied riet sie, nicht zu denken, dass man sich mit Salat mit Putenbrust Gutes tue. "Lassen Sie es lieber, wenn Sie Ihren Körper nicht zum Endlager machen möchten", und riet: "Selbst kochen!" Dafür hätte sie auch gern mehr Zeit - eilte aber am Ende des Tages weiter nach Brüssel.

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