Opec plus:Die arabischen Ölförderländer füllen Putins Kasse

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Khurais-Ölfeld in Saudi-Arabien, etwa 160 Kilometer von Riad entfernt. (Foto: Ali Haider/picture alliance/dpa/EPA)

Mit ihrer Entscheidung, die Produktionsmenge zu kürzen, brüskieren die Opec-plus-Staaten US-Präsident Joe Biden. Den politischen und ökonomischen Schaden hat am Ende die gesamte Weltgemeinschaft.

Kommentar von Claus Hulverscheidt, Berlin

Olaf Scholz und Joe Biden sind in ihren Heimatländern ordentlich dafür verdroschen worden, dass sie im Sommer nach Saudi-Arabien reisten, dem Kronprinzen Mohammed bin Salman die Hand reichten und den mutmaßlichen Auftraggeber eines Journalistenmordes so in den Kreis der allseits respektierten Regierungschefs zurückbeförderten. Verteidigt haben sich Kanzler und US-Präsident damit, dass man in Zeiten einer wahrhaft historischen Energiekrise den weltweit größten Ölproduzenten nun einmal brauche, um die Versorgung daheim zu sichern. Diese Strategie ist, das weiß man jetzt, auf ganzer Linie gescheitert.

Nicht nur, dass das Förderkartell Opec plus in dieser Woche beschlossen hat, zur Stabilisierung des Ölpreises die gemeinsame Produktionsmenge um zwei Millionen Barrel, also etwa 320 Millionen Liter, pro Tag zu kürzen. Bin Salman und seine Mitstreiter hatten vielmehr auch kein Problem damit, die Kriegskasse des Kartellmitglieds Wladimir Putin weiter zu füllen. Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass die Bemühungen des Westens um eine weltweite Ächtung des russischen Präsidenten immer mehr ins Leere laufen, dann ist er hiermit erbracht.

Dennoch ist die Interpretation manch westlicher Beobachter, bin Salman habe den USA und ihren Verbündeten politisch eins auswischen wollen, eher fragwürdig. Wahrscheinlicher ist, dass der Prinz allein die eigenen Interessen im Blick hatte. Er nämlich braucht einen Ölpreis von 70,80 Dollar, um all die sozialen Wohltaten bezahlen zu können, mit denen er seine Untertanen bei Laune hält und Widerstand unterdrückt. Dieser Marke war der Preis zuletzt bedrohlich nahegekommen.

Die Wahrheit ist wohl: Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und andere US-"Verbündete" kümmern sich einen feuchten Kehricht um die Ukraine oder gar so etwas Sinnfreies wie die Menschenrechte. Den autokratischen Herrschern geht es allein um sich selbst und den Erhalt ihrer Macht. Sie machen auf gut Freund mit dem Westen, wenn es gegen den langjährigen gemeinsamen Feind Iran geht oder wenn sie Waffen brauchen. Und sie bandeln ebenso behände mit Russland an, wenn ihre Interessen als Öllieferanten auf dem Spiel stehen.

Die Opec-plus-Staaten unterlaufen den Kampf des Westens gegen die Inflation

Was aber bedeutet der Beschluss der Opec plus nun ökonomisch? Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass eine Kürzung der Fördermenge um zwei Millionen Barrel gar nicht so sehr ins Gewicht fällt, da sie gerade einmal zwei Prozent der Weltproduktion entspricht. Die Entwicklung des Ölpreises jedoch spricht eine andere Sprache: Er hat sich binnen einer Woche um fast zehn Prozent erhöht. Damit unterlaufen die Opec-plus-Staaten nicht nur die Bemühungen westlicher Notenbanken, die Inflation einzudämmen. Sie torpedieren auch die Bemühungen der Politik, Bürger und Firmen gegen die schlimmsten Folgen der Energiekrise abzuschirmen. Hauptleidtragende allerdings sind - wie so oft - die Schwellen- und Entwicklungsländer, für die Öl und Gas immer unbezahlbarer werden. Dass beide Energieträger meist in Dollar abgerechnet werden, der seinerseits so stark ist wie seit 20 Jahren nicht mehr, macht die Sache noch dramatischer.

Allerdings könnten die Ölstaaten mit der Förderkürzung auch ein klassisches Eigentor geschossen haben. Ziel des Beschlusses ist es ja, den Preis auf hohem Niveau zu stabilisieren, obwohl die Weltkonjunktur wegen der Dreifachkrise aus Pandemie, Wetterchaos und Krieg schon massiv schwächelt und die Öl-Nachfrage entsprechend sinkt. Mit der jetzigen Preiserhöhung könnte dieser Prozess noch beschleunigt werden. Das gilt umso mehr, sollten sich im Weißen Haus die Stimmen derer durchsetzen, die mit Blick auf die anstehenden Kongresswahlen die Ausfuhr amerikanischen Rohöls vorübergehend verbieten wollen. Dies würde das weltweite Angebot weiter verringern und die Preise entsprechend treiben.

Anders gesagt: Die Opec plus - und mit ihr diesmal die USA - könnten jene globale Rezession überhaupt erst auslösen, gegen die sie sich durch die Drosselung von Produktion oder Exporten schützen wollen. Was das für ihre Fördereinnahmen hieße, konnte man im Juni 2020 auf dem Höhepunkt der ersten Corona-Welle besichtigen: Damals kostete ein Fass noch ganze 30 Dollar.

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