Wohnungsmangel:Falsch gefördert, falsch gebaut

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Der Boom am Bau ist in Deutschland vorbei, doch das ist kein Grund zur Panik. (Foto: Julian Stratenschulte/picture alliance/dpa)

In Deutschland entstehen weniger Wohnungen, dabei ist der Bedarf vielerorts noch groß. Schuld daran ist auch eine verfehlte Förderpolitik. Jetzt wäre Gelegenheit umzusteuern.

Kommentar von Stephan Radomsky

Das war so nicht geplant: In Deutschland wird weniger gebaut. Nicht einmal 300 000 neue Wohnungen sind vergangenes Jahr fertig geworden, erstmals seit mehr als zehn Jahren ist die Zahl wieder gesunken. Der Boom am Bau, er ist vorbei - so sagen sie zumindest in der Immobilienbranche, und fordern prompt mehr Geld vom Staat. Und Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) zeigt sich angesichts der Statistik auch gleich zerknirscht.

Dabei ist der Knick kein Grund zur Panik. Und auch kein Anlass, hektisch Fördergeld übers Land zu verteilen. Fast 850 000 weitere Wohnungen sind bereits genehmigt, aber nicht fertig: 64 Milliarden Euro an unerledigten Aufträgen hatte die Baubranche zum Jahreswechsel in den Büchern, ein Rekord. Mit mehr Geld vom Staat geht es deshalb auch nicht schneller voran, wohl aber könnte es die Preise noch schneller hochtreiben. Nötig wäre ein klarer Plan, was gefördert werden soll und wie.

Von den dringend benötigten Wohnungen wurden viel zu wenige gebaut

Den zu entwerfen, wäre Kernaufgabe der Bauministerin. Bisher allerdings ging es ihr vor allem um eine Zahl: 400 000 neue Wohnungen sollen jedes Jahr entstehen, so hat es sich die Koalition vorgenommen, davon 100 000 als Sozialwohnungen. Inzwischen, so scheint es, rückt Geywitz zwar vorsichtig von der Zielmarke ab. Wie der Bund aber weitermachen will am Bau, das bleibt offen.

Dabei fehlt in Deutschland weiterhin Wohnraum. Vor allem in den Städten leben immer mehr Menschen in überbelegten Wohnungen, und immer mehr Haushalte sind mit den Wohnkosten eigentlich überlastet. Doch gerade dieser Teil der Bevölkerung hatte kaum etwas vom Bau-Boom des vergangenen Jahrzehnts. In den Ballungsräumen ging er "ausschließlich auf kleinere Geschosswohnungen" zurück - und damit "an den Bedürfnissen der Familien völlig vorbei", heißt es etwa im jüngsten Frühjahrsgutachten der sogenannten Immobilienweisen, dem Beratergremium des Immobilien-Spitzenverbands ZIA.

Von den dringend benötigten Wohnungen wurden also viel zu wenige gebaut, zugleich schrumpft die Zahl der Sozialwohnungen seit Jahren beständig. Statt diesen Mangel zu beseitigen, gab es die Förderung wahlweise für Ein-Zimmer-Kasernen oder Einheits-Eigentums-Blöcke mit Penthouse obenauf. Gebaut wurden diese immer in der Erwartung, dass die Kaufpreise weiterhin um acht, zehn, zwölf Prozent pro Jahr steigen, dass die Zinsen bei null bleiben - und dass der Staat weiter Milliarden Euro für mittelmäßig klimafreundliche Bauten zuschießt.

Damit aber ist es vorbei. Die Zinsen steigen rasant, genauso wie die Baukosten. Stahl, Holz, Beton, alles ist viel teurer als noch vor einem Jahr. Zudem hat die KfW ihre Neubauförderung weitgehend eingestellt, die vom Bund bereitgestellten Mittel sind aufgebraucht, schon zum zweiten Mal in diesem Jahr. Alles zusammen hat die Kalkulation für so manchen Neubau zerbröseln lassen.

Sicher, für private Bauherren ist das schmerzlich und teuer. Im Kern aber war es notwendig. Jahrelang wurde zu viel Falsches gefördert und gebaut. Zuschüsse von der KfW zum Beispiel gab es pro Wohneinheit und nicht pro Quadratmeter. Für viele kleine Wohnungen gab es also viel mehr Förderung als für die eigentlich benötigten größeren Einheiten. Das rächt sich jetzt dreifach: Den Firmen fehlt für so manches Bauprojekt das Geschäftsmodell, den Käufern und Mietern fehlt das Geld, und der Bundesregierung fehlen die versprochenen Wohnungen.

Solche Fehler dürfen sich nicht wiederholen, weder im für die KfW zuständigen Wirtschafts- und Klimaministerium noch im Bauministerium. Viel hilft eben nicht viel, auch nicht am Bau. Wer klima- und menschenfreundlich baut, soll auch in Zukunft unterstützt werden, gern kräftig. Wer aber vor allem für maximalen Profit plant, schafft das auch allein.

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