Immobilien:Es wird weniger gebaut

Lesezeit: 3 min

Die Baubranche hat mit einigen Problemen zu kämpfen. (Foto: Florian Gaertner/photothek.net; via www.imago-images.de/imago images / photothek)

Trendwende am Wohnungsmarkt: Das Ziel der Bundesregierung, deutlich mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, rückt in die Ferne.

Von Roland Preuß, Berlin

Mehr bezahlbare Wohnungen vor allem in Deutschlands Städten, hat sich dieses politische Ziel auf absehbare Zeit bereits erledigt? Die Zahlen, die das Statistische Bundesamt am Montag vorlegte, nähren jedenfalls die Zweifel, dass sich die Lage für Millionen Mieter und Familien auf Wohnungssuche bald entspannen wird. Laut den Statistikern entstanden in Deutschland vergangenes Jahr rund 293 400 Wohnungen neu. Das ist ein deutlicher Rückgang im Vergleich zum Vorjahr, als noch gut 306 000 Wohnungen hinzukamen. Und es ist eine Trendwende: Seit 2010 waren jedes Jahr mehr Wohnungen fertiggestellt worden als zuvor, nun registriert man erstmals wieder einen Rückgang.

Die Entwicklung ist in vielerlei Hinsicht bemerkenswert. So wurde weniger gebaut, obwohl viele Menschen dringend eine neue Wohnung suchen und Eigentümer und Immobilienfirmen meist höhere Mieten und Kaufpreise verlangen können als noch vor wenigen Jahren. Zudem waren vergangenes Jahr die Rahmenbedingungen für Neubauten und Sanierungen noch günstiger als derzeit: Die Preise für viele Baumaterialien waren noch nicht so horrend gestiegen, der Staat förderte energiesparende Neubauten nach dem inzwischen gängigen EH-55-Standard noch mit einer zweistelligen Milliardensumme. Im Januar dann stoppte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) das Förderprogramm, seitdem gelten strengere Anforderungen. All das lässt für dieses Jahr einen weiteren Rückgang erwarten - neben weiteren Faktoren wie steigenden Zinsen, Lieferengpässen bei Baumaterialien und fehlenden Fachkräften.

Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) zeigte sich am Montag dementsprechend zerknirscht. Die neuen Zahlen könnten sie "nicht zufriedenstellen", ließ sie ausrichten. Geywitz wird sich vor allem an einer Zahl messen lassen müssen: Jedes Jahr sollen 400 000 neue Wohnungen entstehen, so ist es im Koalitionsvertrag niedergelegt. Geywitz hat Wohnen zu "einer der wichtigsten sozialen Fragen unserer Zeit" erklärt und zusätzliche Milliarden zur Wohnbauförderung erhalten. Nun zeichnet sich ab, dass auch dies nicht reichen könnte, um das Ziel zu erreichen. Wenn die Ministerin nach der Marke von 400 000 zusätzlichen Wohnungen im Jahr gefragt wird, formuliert sie bereits seit Wochen auffällig vorsichtig.

Bundesfinanzminister Christian Lindner hält nichts von noch mehr Geld für die Bauförderung

Die Bau- und Immobilienbranche lädt inzwischen im Wochentakt zu Medienterminen und Politikerpodien, um zu unterstreichen, wie dramatisch die Lage aus ihrer Sicht ist. Am Montag nahmen der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA) sowie die Branchenverbände IVD und VDIV die jüngsten Zahlen zum Anlass, weitere Forderungen an Bund und Länder zu richten. Das Ziel der alten Bundesregierung, vergangenes Jahr 350 000 neue Wohnungen zu schaffen, sei "grandios verfehlt worden", die nun 400 000 seien nur "sehr, sehr schwer erreichbar", sagte ZIA-Hauptgeschäftsführer Oliver Wittke. Nötig sei eine höhere und verlässlichere Förderung durch den Staat. IVD-Bundesgeschäftsführerin Carolin Hegenbarth sieht den Rückgang beim Neubau als den "Ausgangspunkt einer dramatischen Abwärtsspirale" und erwartet für dieses Jahr nochmals deutlich weniger neue Wohnungen. Auch sie verlangt mehr öffentliches Geld.

Dass es so kommt, ist allerdings eher unwahrscheinlich. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hatte kürzlich bereits klargemacht, dass er nichts davon hält, noch mehr Milliarden in die Bauförderung zu geben und damit die Preise womöglich weiter steigen zu lassen, weil dies den Überbietungswettbewerb bei Baustoffen und Personal weiter anfachen könnte.

Die Bau- und Immobilienvertreter selbst wollen durchaus auch an anderer Stelle ansetzen: Die Genehmigungs- und Planungsverfahren seien zu lang, die Vorschriften zu zahlreich und zu kompliziert, heißt es in einem Zehn-Punkte-Plan der Branchenvertreter. Die Anzahl der Bauvorschriften habe sich zwischen 1990 und heute von 5000 auf 20 000 vervierfacht, sagte ZIA-Hauptgeschäftsführer Wittke. Eine Streichung der Vorgaben wirft allerdings regelmäßig die Frage auf, welche verzichtbar sind. Vorschriften für Brandschutz? Für mögliche Gifte in Baustoffen? Oder Regeln für mehr Klimaschutz? Die Beispiele zeigen, wie schwierig die Debatte über schlankere Bauvorschriften werden dürfte, weil es dabei eben auch um wichtige Ziele geht.

Das Statistische Bundesamt legte am Montag noch eine weitere Zahl vor, welche die düstere Lage etwas aufhellte. Vergangenes Jahr gab es fast 850 000 Wohnungen, die genehmigt, aber noch nicht fertiggestellt worden sind. Dies ist der höchste Stand seit 25 Jahren. Laut ZIA sind die meisten davon bereits im Bau. Es ist also einiges auf dem Weg. Viele Projekte allerdings, so schreiben die Statistiker, würden derzeit nicht verwirklicht, weil es offenbar an Material und den nötigen Leuten fehle oder die hohen Preise die Vorhaben unrentabel machten.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusGeldanlage
:Warum ETF-Anleger jetzt aufpassen müssen

Plötzlich sinken am Parkett die Kurse, Experten warnen vor schlechten Börsenjahren. Sollten sich Anleger jetzt noch eins zu eins an einen Aktienindex binden?

Von Victor Gojdka

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: