Mobilfunk:Wie es um den Handyempfang in Deutschland steht

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Ein Experte für Funknetze in einem schlecht versorgten Gebiet auf der Suche nach Mobilfunkempfang. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Längst nicht jedes Funkloch ist gestopft, vor allem in der Bahn gibt es Probleme. Doch bald kommt ein neuer Netzbetreiber auf den Markt. Auch staatliche Auflagen werden 2022 strenger. Ein Ausblick.

Von Helmut Martin-Jung und Benedikt Müller-Arnold, München/Köln

Der kürzlich ausgeschiedene Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier brachte das Problem anschaulich auf den Punkt. Während Autofahrten solle sein Büro ihn nicht mit Kollegen aus dem Ausland verbinden, erzählte der CDU-Politiker ziemlich zu Beginn seiner Amtszeit, "weil es mir total peinlich ist, wenn ich dann dreimal, viermal neu anrufen muss, weil ich jedes Mal wieder rausfliege."

Nun, nach Ende der Legislaturperiode fragt man sich: Ist der Handyempfang endlich besser hierzulande? Wird 2022 alles anders, mit der neuen Regierung und dem zusätzlichen Netzbetreiber 1&1? Oder woran hakt es noch?

"Wir sind auf einem guten Weg", sagt Jochen Homann an diesem Donnerstag. Der 68-Jährige ist Präsident der Bundesnetzagentur, der Regulierungsbehörde für Telekommunikation. "Die Flächenversorgung hat sich erheblich verbessert", so Homann. Mittlerweile könnten sich hiesige Mobilfunknetze auch im internationalen Vergleich "ganz gut sehen lassen".

"Ganz" gut, diese Relativierung hängt beispielsweise damit zusammen, dass 0,36 Prozent der Fläche Deutschlands noch klassische Funklöcher sind: Landstriche völlig ohne Handyempfang. Immerhin: Der Anteil sei in den vergangenen Monaten leicht zurückgegangen, so die Netzagentur.

Knapp vier Prozent der Fläche ist ohne mobilen Datenempfang

Fast noch relevanter ist freilich die Frage: Ist der Empfang gut genug, um Fotos mit dem Handy zu verschicken, einen Anhang herunterzuladen oder ein Video zu schauen? Unmöglich sei das noch auf knapp vier Prozent der Bundesfläche, den sogenannten weißen Flecken, also Gegenden ohne mobiles Breitband. Aber, berichtet die Behörde, auch diese Quote sei rückläufig.

Und es kommt auf den Anbieter an. So bezeichnet die Netzagentur etwa 6,8 Prozent der Fläche Deutschlands als "graue Flecken": Dort hat man zwar mit einem Netzbetreiber Empfang, aber mit den anderen nicht. Die Behörde erhebt Versorgungsdaten von den Unternehmen, prüft und misst aber auch selbst - und berücksichtigt Meldungen über ihre Funkloch-App.

Woran der Ausbau zuweilen scheitert, davon berichtete Srini Gopalan, Deutschlandchef der Telekom, in dieser Woche auf dem sogenannten Netzetag seines Konzerns. "An einigen Hundert Standorten in Deutschland dürfen wir nicht bauen", sagt er: In einem Fall verhinderten Naturschutz-Auflagen seit sieben Jahren, ein Funkloch am Waldrand zu stopfen. Andernorts könnte ein neuer Funkturm die Aussicht aus einem Schloss stören. Mancherorts sei die Telekom "seit zehn Jahren auf Standortsuche", konstatiert Gopalan.

Die Koalition aus SPD, Grünen und FDP will sich mit dem Status quo jedenfalls nicht zufriedengeben. "Unser Ziel ist die flächendeckende Versorgung mit Glasfaser und dem neuesten Mobilfunkstandard", heißt es im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung.

Tunnel, Grundstücke, Fensterscheiben: In der Bahn ist Mobilfunk eine Herausforderung

Und bis Ende 2022 müssen die Netzbetreiber jene Auflagen erfüllen, die mit der jüngsten Frequenzauktion einhergingen. Dann müssen sie 98 Prozent der Haushalte jedes Bundeslands so versorgen, dass man auf dem Handy mindestens 100 Megabit pro Sekunde herunterladen kann. Das ist eine Datenrate, die viele Menschen vom heimischen Wlan kennen. Andernfalls drohen den Unternehmen Sanktionen. Die Vorgaben gelten auch entlang der Autobahnen sowie der wichtigsten Bundesstraßen und Schienenwege.

Doch gerade an ICE-Strecken haben Mobilfunkanbieter große Mühe, die Auflagen zu erfüllen: Nicht überall finden die Unternehmen passende Grundstücke für zusätzliche Masten. Vor Tunneleinfahrten sind entweder kleine Zusatzantennen nötig - oder sogenannte Repeater im Inneren, die das Signal in der Röhre verbreiten. Und Handyfrequenzen dürfen den alten Zugfunk nicht stören.

Die Telekom hat bereits ein Bündnis mit der Deutschen Bahn geschlossen und wird Vorstandsmitglied Gopalan zufolge knapp 140 Millionen Euro in besseren Empfang im Zug investieren. "Entlang der ICE-Strecken bauen wir alle zweieinhalb Tage einen neuen Mobilfunkstandort", sagt Gopalan - mahnt aber zugleich: "Das Mobilfunksignal muss in den Wagen ankommen." Hier gelten die massiven Fensterscheiben älterer Fernzüge als Problem. Und auch in Zügen sind Repeater erforderlich, die das Signal von außen aufnehmen und im Inneren streuen.

Der Konkurrent Vodafone baut nach eigenem Bekunden ebenfalls fleißig Antennen und Repeater nahe Bahnstrecken und in Tunneln. Man stehe in guten Gesprächen mit der Bahn, um über die staatlichen Auflagen hinauszugehen, teilt das Unternehmen mit. Auch von Telefónica/O2 heißt es, dass man "in einem kontinuierlichen, konstruktiven Austausch" mit der Bahn sei und gut vorankomme.

1&1 hat mehrere Hürden genommen, ein eigenes Mobilfunknetz aufzubauen

Aber was macht eigentlich Deutschlands künftiger vierter Netzbetreiber 1&1? Unter dem Namen Drillisch hatte der Konzern 2019 erstmals für 1,1 Milliarden Euro Spektrum ersteigert - also einen Frequenzbereich im Mobilfunk. Das Ziel: ein eigenes Netz aufzubauen. Und auch für den Neuling gelten Auflagen der Netzagentur: Bis Ende 2022 muss 1&1 mindestens 1000 eigene Basisstationen in Betrieb haben. Außerdem muss der designierte Netzbetreiber bis 2025 mindestens ein Viertel der Haushalte in Deutschland abdecken, bis 2030 dann die Hälfte.

Kürzlich hat 1&1, eine Tochterfirma des United-Internet-Konzerns, einen wichtigen Schritt auf diesem Weg geschafft. Bis zum Jahr 2025 sicherte sich 1&1 den Zugang zu mindestens 3800 Antennenstandorten des Anbieters Vantage Towers in Deutschland, mit einer Option, die Zahl auf 5000 zu steigern. Die Laufzeit des Vertrages ist mit 20 Jahren recht lang. Eine Option, ihn bis zum Jahr 2060 zu verlängern, ist ebenfalls Teil der Übereinkunft. Vantage ist eine Abspaltung von Vodafone. Der Telekommunikationskonzern hat das Unternehmen, das über insgesamt 82 000 Funkstandorte verfügt, in diesem Jahr an die Börse gebracht.

Die Frage, was passiert, wenn 1&1-Kunden den Bereich verlassen, der von dem Unternehmen selbst abgedeckt wird, wurde bereits im Februar dieses Jahres geklärt. Ein ebenfalls langfristig angelegtes Abkommen mit Telefónica sichert 1&1 Zugriff auf deren Funknetz überall dort, wo das eigene nicht hinreicht. Auch Telefónica hatte anfangs einen ähnlichen Vertrag mit der Telekom. Da 1&1 zudem einen Liefervertrag mit einem Netzwerkausrüster geschlossen hat, stehen die Ampeln für den neuen Mitbewerber auf Grün - was nicht heißt, dass es nicht unterwegs noch zu Verzögerungen kommen kann.

"Wir sehen hier ganz erhebliche Investitionen", lobt Jürgen Kühling, Vorsitzender der Monopolkommission, des Beratungsgremiums der Bundesregierung in Wettbewerbsfragen. Und das sei ein gutes Zeichen dafür, bekräftigt Netzagentur-Chef Homann, dass bei 1&1 die Absicht bestehe, "tatsächlich auch ein leistungsfähiges Netz zu errichten". Den Kunden, prognostiziert Homann, dürfte die zusätzliche Auswahl zugutekommen.

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