Ihren Börsengang inszenieren Unternehmen ja gern aufwendig: Manager läuten die Glocke, das Parkett wird in Firmenfarben geschmückt. Zurzeit fallen solche Shows zwar aus; die Pandemie lässt keinen Auflauf zu. Dennoch erwartet Frankfurt am Donnerstag einen der größten Börsengänge des Jahres: Die Aktien der Funkturm-Firma Vantage Towers sollen erstmals gehandelt werden. Die Vodafone-Tochter soll gut zwölf Milliarden Euro wert sein.
Warum bringt Vodafone die Funktürme an die Börse?
Vodafone hat, wie viele Telekom-Konzerne, hohe Schulden. Die Anbieter konkurrieren stark, müssen ihre Netze aufrüsten. Da will Vodafone mit dem Erlös aus dem Börsengang einen Teil der Schulden abtragen. Hinzu kommt, dass auch andere Konzerne in den vergangenen Wochen Zehntausende Sendemasten verkauft und Milliarden eingenommen haben. Diesen Wert in der Bilanz will nun auch Vodafone heben.

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Was interessiert Investoren an den Masten?
Die Einnahmen sind recht stabil und planbar: Vantage Towers betreibt etwa 82 000 Masten in Europa. Mobilfunkkonzerne wie Vodafone schließen mehrjährige Mietverträge ab, um ihre Antennen darauf anzubringen. Viele Investoren schätzen solche Immobilien in Zeiten niedriger Zinsen. Vantage will in diesem Jahr 280 Millionen Euro Dividende ausschütten. Zudem dürfte es künftig eher mehr statt weniger Antennen geben: Der Datenverkehr steigt, Netzbetreiber bauen den neuen Mobilfunkstandard 5G nach und nach aus, und sie stopfen Funklöcher, auch weil der Staat sie dazu zwingt. Zudem will der Anbieter 1&1 Drillisch in Deutschland bald ein zusätzliches Mobilfunknetz aufbauen.
Noch ist Vantage zwar sehr abhängig von Vodafone, auf den meisten Türmen stehen bislang nur Antennen des Mutterkonzerns. Künftig aber will Vantage mehr Standorte zusätzlich an andere Netzbetreiber vermieten. Und man habe etwa eine Milliarde Euro für Zukäufe zur Verfügung, sagt Firmenchef Vivek Badrinath. "Der Börsengang gibt uns Zugang zu den Kapitalmärkten", so der 51-Jährige. "Das ist der Weg nach vorn."
Wieso geht Vantage in Frankfurt an die Börse, wenn Vodafone doch britisch ist?
Vantage Towers hat gut 19 000 Standorte in Deutschland - so viele wie nirgendwo sonst. Daher sitzt die Firma auch in Düsseldorf. Der frühere Bahn-Chef Rüdiger Grube wacht als Aufsichtsratschef über Vantage. Zudem möchte die Firma früher oder später in Aktienindizes aufgenommen werden. Das ist hierzulande auch dann möglich, wenn nur eine Minderheit der Aktien frei handelbar ist. Tatsächlich will Vodafone zunächst eine deutliche Mehrheit an Vantage behalten.
In welchen Index könnte Vantage kommen?
Das hängt davon ab, wie viele Aktien Vodafone genau auf den Markt bringt - und wie sie sich entwickeln. Der Konzern will mit dem Börsengang zwei bis 2,3 Milliarden Euro erlösen. "Unabhängig davon, ob nur das untere oder sogar das obere Ende der Spanne erreicht wird, sieht es nach einem Platz im M-Dax aus", prognostiziert Uwe Streich, Indexexperte der LBBW. Nur falls wenig Aktien zugeteilt würden und sich der Kurs vergleichsweise schwach entwickelt, könnte Vantage im S-Dax landen.
Die nächste Indexprüfung, die für die Vodafone-Tochter relevant wird, plant die Deutsche Börse allerdings erst für Juli. Sollte Vodafone künftig mehr Anteile auf den Markt bringen, sagt Analyst Streich, "könnte Vantage Towers irgendwann jedoch tatsächlich noch zum Dax-Kandidaten werden".
Was steht dem Wachstum im Weg?
Netzbetreiber stoßen vielerorts auf Widerstand, wenn sie neue Türme bauen wollen. Anwohner sorgen sich etwa vor der Strahlung oder um das Landschaftsbild. In Großbritannien und den Niederlanden gab es voriges Jahr gar Brandanschläge auf Masten. Inakzeptabel, sagt Vantage-Chef Badrinath, aber "auch die absolute Ausnahme". Der Franzose bewirbt seine Firma als Teil der Lösung: "Wir ermöglichen, dass sich mehrere Netzbetreiber einen Sendemast teilen." So brauche es weniger zusätzliche Türme, als wenn jeder für sich baue.
Sind Funkturm-Firmen etwas Neues?
Ja und nein. In den USA ist es üblich, dass Netzbetreiber kaum Masten besitzen und stattdessen Plätze bei Funkturm-Firmen mieten. Nun kommt der Trend in Europa an. Beispielsweise will Telefónica aus Spanien 30 000 Masten an den Spezialisten American Tower verkaufen, für gut sieben Milliarden Euro. Auch CT Hutchison hat kürzlich knapp 25 000 Türme in Europa verkauft und zehn Milliarden Euro eingenommen.
Die Deutsche Telekom hat ihre Masten ebenfalls in eine Firma namens Deutsche Funkturm ausgelagert; diese gehört dem Konzern aber vollständig. Die Zukunft sei offen, sagte Telekom-Finanzvorstand Christian Illek kürzlich, sowohl Partnerschaften als auch ein Börsengang denkbar.
Gehen zurzeit besonders viele Firmen an die Börse?
Offensichtlich ja. Beispielsweise ist Anfang Februar der Online-Gebrauchtwagenhändler Auto1 an die Börse gegangen und hat 1,8 Milliarden Euro erlöst. Das kann auch andere Firmen motivieren, die gute Stimmung zu nutzen; Deutschlands Leitindex Dax notiert auf Rekordhöhen. "Bei dem aktuell positiven Marktumfeld dürfte sich die Zahl der Börsengänge in den kommenden Monaten weiter erhöhen", sagt Jella Benner-Heinacher von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz.

