Peter Altmaier:Ein Minister lobt sich selbst

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"Ich wünsche meinem Nachfolger eine gute Hand": Der damalige Bundesumweltminister Peter Altmaier (li.) zusammen mit Robert Habeck, seinerzeit Umweltminister von Schleswig-Holstein, 2012 im Nationalpark Wattenmeer. (Foto: Thomas Imo/imago images/photothek)

Peter Altmaier zieht Bilanz seiner Ministerkarriere - und preist sich und seine Arbeit in den höchsten Tönen. Über manches sieht er dabei gnädig hinweg.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Auf seine letzten Tage im Amt bricht Peter Altmaier (CDU) tatsächlich noch mit einem eisernen Prinzip: Er kommt pünktlich. Altmaier ist notorisch zu spät, weswegen bei Terminen mit ihm die Uhrzeit meistens mit einem "ca." versehen ist. Aber die Pressekonferenz zu seinem Abschied beginnt er fast auf die Minute genau: Montag, halb elf. Zwei Tage, ehe sein Nachfolger vereidigt wird.

Wie lange er Minister war, weiß er auch ganz genau: neun Jahre, neun Monate. Erst Umweltminister, als Nachfolger des glücklosen Norbert Röttgen. Dann Kanzleramtschef, seine Lieblingsrolle. Kurz und kommissarisch Finanzminister. Und zuletzt, seit Frühjahr 2018, als Bundeswirtschaftsminister. Seit dem Sozialdemokraten Werner Müller, so beeilt er sich zu sagen, sei er der erste, der eine komplette Legislaturperiode im Amt blieb. "In aller Bescheidenheit darf ich sagen: Das Bundeswirtschaftsministerium ist wieder wer", lobt Altmaier die Amtszeit von Altmaier. "Wir werden in der Politik geachtet."

Altmaier liebt Geschichte und lebt mit der Geschichte, und deshalb will er das Bild von sich schon gerne selber malen, in kräftigen Farben: Die Krisenbewältigung in der Pandemie, als er mit dem neuen Kanzler und einstigen Finanzminister Olaf Scholz zusammen die Bazooka zückte. Europäische Großprojekte wie die Batteriezellfertigung oder die EU-Cloud Gaia-X. Die oft schwierigen Gespräche in Peking, Moskau oder Washington. Oder seine Industriestrategie - und damit verbunden die große Frage, wie die Rolle des Staates bemessen sein müsse, "damit das Versprechen ,Wohlstand für Alle' eingelöst wird".

Abgegeben hatte dieses Versprechen freilich nicht er selbst, sondern Ludwig Erhard, und in dessen Fußstapfen hatte Angela Merkel Altmaier gestellt. "Wir als Christdemokraten werden aus dem Wirtschaftsministerium wieder eine Stätte machen, in der man stolz auf Ludwig Erhard ist" - so hatte die Kanzlerin die Mission des Saarländers 2018 umrissen. Gleich zu Beginn seiner Amtszeit benannte der die Aula des Ministeriums in den "Ludwig-Erhard-Saal" um. Und das war noch die leichteste Übung.

Denn flankiert war Altmaier von Menschen und Verbänden, die mit ihm so notorisch unzufrieden waren wie der Minister unpünktlich. Dem Wirtschaftsflügel der Union war Altmaier nicht liberal genug. Der Mittelstand fühlte sich vernachlässigt, und der Industrie war Altmaier zu staatsnah. Da hatte es Ludwig Erhard leichter.

Minister Peter Altmaier ist gerne mit dem Fahrrad ins Büro gefahren. (Foto: Kay Nietfeld/picture alliance / dpa)

Nun, auf die letzten Meter seiner Amtszeit, taucht Altmaier vieles in mildes Licht. "Ich kann einstecken, ich kann austeilen", sagt er. "Es war gut, Konflikte in Kauf zu nehmen und Kante zu zeigen." In Wahrheit konnte er gar nicht gut einstecken, streckenweise wirkte er wie ein Getriebener. Und anstatt Kante zu zeigen, gab er dem Wirtschaftsflügel seiner Partei lange nach - bis die Pandemie ihm neue Freiräume verschaffte und die schärfsten Vertreter des Wirtschaftsflügels über Maskengeschäfte stolperten.

Gab es Fehler? "Ich hätte mir gewünscht, dass wir die Beschlüsse zum Klimaschutz schneller und mutiger getroffen hätten", sagt Altmaier - der allerdings in seiner Frühphase als Wirtschaftsminister auch in der EU so manchen Fortschritt selbst bremste. Zu hohe Ziele, so ließ er 2018 seine Ministerkollegen wissen, führten am Ende nur zu Enttäuschung und Verdruss. Drei Jahre später dagegen nimmt er für sich in Anspruch, als erster Minister das Karlsruher Urteil begrüßt zu haben, das Deutschlands Klimaziele für zu niedrig befand. "Ich habe das als Chance gesehen", sagt Altmaier heute.

Nicht nur sein Ministeramt verliert Altmaier. Seinen Sitz im Bundestag hatte er schon im Oktober aus freien Stücken abgegeben. "Irgendwo muss nach einer langen Karriere auch ein Schlussakkord gesetzt werden." Und obwohl Altmaier, 63, seit mehr als einem Vierteljahrhundert für die Politik lebt, scheint ihm der Abschied nicht schwer zu fallen. Die letzten Jahre und ihre Konflikte, sagt er, hätten Kraft gekostet. Bis Februar will er sich nun erst mal zurückziehen, die Dinge ordnen. Aber eben nur bis Februar. Danach stehe er wieder zur Verfügung, wenn man ihn frage. Das sagt keiner, der sich aufs Altenteil zurückziehen will.

Seinen Nachfolger kennt Altmaier aus seinen ersten Ministertagen. 2012, er war seit kurzem Umweltminister, wurde auch der Grüne Robert Habeck Umwelt- und Energieminister, in Schleswig-Holstein. Die beiden verstanden sich auf Anhieb gut. "Ich wünsche meinem Nachfolger eine gute Hand", sagt Altmaier, schließlich habe der eine Schlüsselrolle beim Umbau der Wirtschaft. Und er wirkt gar nicht mal traurig, dass sich nun jemand anders damit herumschlagen muss.

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