Globale Mindeststeuer:Union kritisiert Scholz' "Baby"

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SPD-Kanzlerkandidat Scholz in Venedig: Nun geht es nur noch um kleine Details (Foto: AFP)

Weltweit wird die Initiative für eine globale Mindeststeuer bejubelt - und SPD-Finanzminister Scholz gilt für viele als treibende Kraft dahinter. In der Union hält man das Projekt für ungeeignet.

Von Lars Langenau

Seit Jahren unterbieten sich Staaten weltweit bei den Unternehmensteuern. Damit soll jetzt Schluss sein: Die G20-Länder stellen sich am Wochenende hinter eine große, weltumspannende Steuerreform, die weltweit Mindeststeuersätze vorsieht. Die Unionsfraktion im Bundestag hingegen kritisiert den Beschluss. "Statt eines großen Schrittes hin zu mehr Steuergerechtigkeit erleben wir genau das Gegenteil", sagte die CDU-Abgeordnete Antje Tillmann, finanzpolitische Sprecherin der Fraktion. Keines der Ziele des OECD-Projekts zur Reform der Weltsteuerordnung, das die Fraktion seit Beginn unterstützt habe, würde mit der nun beschlossenen Reform erreicht.

Die Finanzminister der großen Industrie- und Handelsstaaten, darunter Vizekanzler Olaf Scholz (SPD), hatten sich am Samstag in Venedig auf Pläne für eine Mindeststeuer von 15 Prozent zur Verhinderung von Steuerflucht und einer neuen Verteilung der Rechte zur Besteuerung internationaler Unternehmen unter den Staaten geeinigt. Olaf Scholz verspricht: "Das wird die Welt besser machen." Über Jahre hatte der deutsche Finanzminister international zu den treibenden Kräften für die Reform gehört. "We know Olaf, that's your baby", hatte US-Finanzministerin Janet Yellen bei einem Treffen mit Scholz in Washington zum deutschen Finanzminister gesagt. Die Reform soll ein System umkrempeln, das nach rund 100 Jahren als nicht mehr zeitgemäß gilt. Bis Oktober sollen die letzten Fragen geklärt werden, damit daraufhin die Regierungschefs der G20-Staaten zustimmen können.

In den vergangenen Jahrzehnten waren die Staaten weltweit gefangen in einem Wettrennen nach unten: Im Kampf um die Ansiedlung großer Firmen senkten sie ihre Unternehmensteuern immer weiter. "Das ist ein Rennen, das niemand gewonnen hat", sagt US-Finanzministerin Janet Yellen. Stattdessen habe es den Ländern Ressourcen genommen, die sie eigentlich besser in die Bürger und in Infrastruktur, also in Schulen, Krankenhäuser oder in die Rente gesteckt hätten.

"Völlig unklar, wer hier Wort hält"

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:"Fortschritt, der die Welt gerechter machen wird"

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Letztlich zahlten global agierende Konzerne - besonders große Digitalunternehmen wie Amazon und Google - oft kaum Steuern, weil sie Gewinne in Steueroasen verschoben oder mit Tricks Milliarden sparten. Das sei unfair im Vergleich zum kleinen Handwerksbetrieb oder dem Buchladen um die Ecke, heißt es beim deutschen Finanzministerium.

"Ursprünglich sollte mit der Idee der ruinöse Steuerwettbewerb begrenzt werden. Stattdessen können die 132 zustimmenden Staaten trotz Einigung nun selbst wählen, ob sie die Mindestbesteuerung einführen", kritisiert jetzt aber die CDU-Abgeordnete Tillmann. "Es ist völlig unklar, wer in den nächsten Jahren hier Wort hält. Es ist selbst unklar, ob die EU mitmacht, da drei Mitgliedstaaten unter den sieben Kritikern sind, wir aber für eine EU-weite Einführung deren Zustimmung bedürfen."

Ausnahmen für die Finanzbranche und die Rohstoffindustrie festigten zudem "die Ausbeutung der Entwicklungsländer und lassen diese im internationalen Steuerwettbewerb allein", monierte sie.

Auch bekannte Steueroasen stimmten der Reform bereits zu

Dabei haben fast alle 139 OECD-Staaten der Reform bereits auf Arbeitsebene zugestimmt, darunter auch bekannte Steueroasen. Zu den Verweigerern zählen dagegen die drei EU-Staaten Irland, Estland und Ungarn. Für die neuen Verteil-Regeln soll ein völkerrechtlicher Vertrag geschlossen werden. Die Mindeststeuer muss in den Staaten einzeln umgesetzt werden.

Geplant sind nun zwei Neuerungen: Alle international tätigen Unternehmen sollen - egal wo sie ihren Sitz haben - mindestens 15 Prozent Steuern zahlen. Dabei wird keinem Staat ein Steuersatz vorgeschrieben. Aber zahlt ein Unternehmen mit seiner Tochterfirma im Ausland weniger Steuern, kann der Heimatstaat die Differenz einkassieren. Es würde sich also nicht mehr lohnen, Gewinne in Steueroasen zu verlagern.

Beim zweiten Teil der Reform geht es um die Verteilung des Steuerkuchens unter den Ländern. Große Unternehmen sollen nicht mehr nur in ihrem Mutterland besteuert werden, sondern auch da, wo sie gute Gewinne machen. Das betrifft unter anderem die Digitalkonzerne, die durch Internetverkäufe oder Werbeklicks auch dort hohe Gewinne machen, wo sie gar keine Niederlassung haben. Nach den bisherigen Regeln müssen sie dort keine Steuern zahlen. Das soll sich ändern - an der genauen Formel für die Verteilung wird aber noch gearbeitet.

© Sz.de/dpa/Reuters/lala - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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