Wegen Warnstreiks:Bahn sagt Tarifgespräche für diese Woche ab

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DB-Personalvorstand Martin Seiler. (Foto: Fabian Sommer/dpa)

"Entweder man streikt oder man verhandelt, beides gleichzeitig geht nicht", sagt DB-Personalvorstand Martin Seiler. Wegen des Warnstreiks wird voraussichtlich nur jeder fünfte Fernzug fahren.

Von Alexander Hagelüken und Benedikt Peters

Die Tarifrunde zwischen der Bahn und der Lokführergewerkschaft GDL steht vor einer Eskalation. Die Bahn hat wegen des kurzfristig und überraschend angekündigten Streiks der GDL die eigentlich für Donnerstag geplanten Gespräche abgesagt. "Wir werden in dieser Woche nicht mit der Lokführergewerkschaft verhandeln", sagte DB-Personalvorstand Martin Seiler. "Entweder man streikt oder man verhandelt, beides gleichzeitig geht nicht."

Der Warnstreik der GDL hat am Mittwochabend um 22 Uhr begonnen und soll bis Donnerstag, 18 Uhr, dauern. Die Bahn hat inzwischen einen Notfallplan aufgestellt. Die digitalen Fahrpläne sollten auf dem endgültigen Stand sein. Es würden vor allem lange Züge eingesetzt, um möglichst viele Plätze anbieten zu können. Nichtsdestotrotz werde der Streik "massive Auswirkungen" haben, so die Bahn, es werde zu vielen Ausfällen und Verspätungen kommen. Kunden empfiehlt der Konzern, nicht notwendige Reisen zu verschieben, dafür gebe es umfangreiche Kulanzregelungen. "Erfahrungsgemäß wird es auch im Regionalverkehr massive Einschränkungen geben", so die Bahn. "Wir rechnen auch damit, dass in einzelnen Regionen gar keine Züge mehr fahren."

Tarifkampf
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Schon von diesem Mittwoch an will die Gewerkschaft in den Arbeitskampf treten, die Züge sollen 20 Stunden stillstehen. Dabei hatte die Bahn bereits mehr Lohn angeboten.

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Die Bahn war der GDL zu Beginn der Tarifrunde weit entgegengekommen, um Streiks zu vermeiden. Sie brachte zum ersten Gesprächstermin in der vergangenen Woche gleich ein üppiges Lohnangebot von elf Prozent mit. Die GDL stimmte dem zwar nicht zu und kritisierte, dass die Arbeitgeberseite eine für die Gewerkschaft besonders wichtige Forderung bisher kategorisch ablehnt: Die GDL will für die Schicht-Beschäftigten eine kürzere Arbeitszeit von 35 statt 38 Stunden bei vollem Lohnausgleich durchsetzen. Das sei zu teuer, argumentiert die Bahn, außerdem gebe es dafür nicht genug Personal.

Angesichts des Lohnangebots erklärte die GDL aber zunächst, die Gespräche mit der Bahn fortsetzen zu wollen. Beide Seiten vereinbarten wöchentliche Verhandlungstermine, der nächste sollte am Donnerstag stattfinden. Die Bahn aber sieht durch den äußerst kurzfristig verschickten Streikaufruf - veröffentlicht wurde er am Dienstagnachmittag, nur einen Tag vor dem Beginn des Arbeitskampfs - eine enorme Provokation. Vertrauensvolle Gespräche seien so nicht möglich.

"Wer Verabredungen bricht und Millionen Reisende mit einem kurzfristigen Streik in Haftung nimmt, kann nicht erwarten, dass wir einfach weiter am Verhandlungstisch sitzen", sagte Personalvorstand Seiler. Der Streik sei "bewusst" auf einen bereits vereinbarten Verhandlungstermin gelegt worden. Das "ist eine einmalige Eskalation in unserer Sozialpartnerschaft, die wir nicht akzeptieren".

GDL will am Verhandlungsort erscheinen

Die GDL will dagegen trotz Bahn-Absage an diesem Donnerstag am Verhandlungsort erscheinen. "Anstatt die GDL öffentlich zu diffamieren, sollten Herr Seiler und seine Getreuen keine weitere Arbeitsverweigerung begehen", sagte GDL-Chef Claus Weselsky am Mittwochabend.

Unklar ist nun, wie die Tarifrunde weitergeht. Neben dem abgesagten Gespräch am Donnerstag haben Bahn und GDL drei weitere Termine verabredet, den nächsten am 23. und 24. November. Ob diese stattfinden, ist unsicher; die Bahn verlangt von der GDL, wieder auf einen konstruktiven Kurs einzuschwenken. In anderen Branchen ist es allerdings üblich, dass auch im direkten Umfeld von Verhandlungen Warnstreiks stattfinden. So war es etwa im Frühjahr, als die Gewerkschaft Verdi unmittelbar vor einer Gesprächsrunde im öffentlichen Dienst zu einem groß angelegten Arbeitskampf aufrief. Die Arbeitgeber sagten den Verhandlungstermin trotzdem nicht ab - anders als nun die Bahn.

Der Streit zwischen der GDL und der Bahn könnte ein arbeitsrechtliches Nachspiel haben. Möglich ist, dass die Bahn vor die Arbeitsgerichtsbarkeit zieht, um die Verhältnismäßigkeit der Streiks überprüfen zu lassen oder einzelne Ziele der GDL infrage zu stellen. Denkbar wäre außerdem, dass sie dort gegen die Genossenschaft "Fair Train" vorgeht, welche die GDL gegründet hat, um Lokführer zu besseren Konditionen als bei der Bahn anzustellen und sie dann an die Bahn und andere Zugfirmen zu verleihen. Auf dem Rechtsweg erzielte die Bahn in diesem Jahr bereits einen Teilerfolg im Streit mit einer Gewerkschaft: Die EVG sagte im Frühjahr einen Streik wieder ab, nachdem die Bahn vor das Arbeitsgericht Frankfurt gezogen war. Dort einigten sich beide Seiten darauf, ohne Arbeitskampf weiter zu verhandeln.

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