Im Tarifkonflikt mit der Deutschen Bahn ruft die Lokführergewerkschaft GDL kurzfristig zum Streik auf. Lokomotivführer, Zugbegleiter, Werkstattmitarbeiter und weitere Beschäftigte sollen bereits am Mittwochabend ab 22 Uhr in den Ausstand treten, dieser soll bis Donnerstag, 18 Uhr dauern. Nach Angaben der Bahn wird der Streik "massive Auswirkungen" haben, es dürfte zu zahlreichen Ausfällen und Verspätungen kommen. Den Kunden rät der Konzern, nicht notwendige Reisen zu verschieben, dafür gebe es umfangreiche Kulanzregelungen.
GDL-Chef Claus Weselsky begründete den Aufruf mit dem Unmut der Beschäftigten. "Wer glaubt, zulasten der Mitarbeiter zynisch auf Zeit spielen zu können, befindet sich im Irrtum. Jetzt ist die Zeit, Verbesserungen zu erzielen, das duldet keinen Aufschub!" Die Bahn wiederum verurteilte den Streik als "völlig unnötig", er sei eine "Zumutung für die Bahnreisenden". Bahn-Personalvorstand Martin Seiler verwies außerdem darauf, dass die Bahn der GDL bereits ein Lohnangebot unterbreitet hat. Dieses beläuft sich auf eine Gehaltserhöhung von elf Prozent.
Die Offerte des Konzerns ist tatsächlich ziemlich hoch. Mit elf Prozent plus Inflationsprämie entspricht sie in etwa dem Abschluss, den die Gewerkschaften Verdi und Beamtenbund im Frühjahr für den öffentlichen Dienst des Bundes und der Kommunen durchsetzten. Allerdings klaffen dann doch noch große Unterschiede zu den Forderungen der Lokführer. Denn der Konzern bezieht sein Angebot auf eine Laufzeit von 32 Monaten. Die GDL müsste also fast drei Jahre warten, bis sie erneut über Lohnerhöhungen verhandeln kann. Sie verlangt eine Laufzeit von nur einem Jahr. Außerdem fordert sie deutlich mehr, als die Bahn bisher zugestehen will.
Die GDL will eine 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich
Die Gewerkschaft verlangt wegen der hohen Inflation 555 Euro mehr Gehalt im Monat, eine Inflationsprämie und eine Erhöhung verschiedener Zulagen. Für manche Beschäftigte würde dies deutlich höhere Lohnerhöhungen als elf Prozent bedeuten. Zudem hat die GDL zu einem Kernpunkt der Verhandlungen erhoben, dass die Arbeitszeit für Schichtarbeiter von 38 auf 35 Stunden sinken soll. Für diese Viertagewoche soll es einen vollen Lohnausgleich geben, also keine Gehaltseinbuße trotz drei Stunden weniger Arbeit.
Die Bahn lehnt diese Arbeitszeitverkürzung bisher rundheraus ab. Sie würde deutliche Kostensteigerungen bedeuten und einen erheblichen Mehrbedarf an Personal auslösen. "An unserem klaren Nein zur Arbeitszeitverkürzung hat sich nichts geändert", erklärte Personalvorstand Seiler nach der ersten Verhandlungsrunde. Die Bahn rechnet damit, dass das Forderungspaket die Personalkosten für die betroffenen Beschäftigten um 50 Prozent erhöhen würde.
Im Tarifkonflikt zwischen der Gewerkschaft der Lokführer und der Deutschen Bahn hatte zuletzt Verkehrsminister Volker Wissing vor Streiks in der Weihnachtszeit gewarnt. "Weihnachten gilt als die Zeit des Friedens - darüber sollten sich alle Tarifparteien Gedanken machen", sagte der FDP-Politiker den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Gerade über die Weihnachtstage wollten die Menschen Verwandte und Freunde besuchen. Daher könne er nur "an alle Tarifparteien appellieren, sich ihrer besonderen Verantwortung bewusst zu sein und mögliche Maßnahmen so zu gestalten, dass Menschen nicht darunter leiden müssen".
Es ist bereits der zweite große Tarifkonflikt, den die Bahn in diesem Jahr ausficht. Mit der Eisenbahngewerkschaft EVG hatte sie sich nach langem Gezerre auf Lohnerhöhungen für etwa 180 000 Beschäftigte geeinigt: Sie bekommen mindestens 410 Euro mehr Lohn im Monat und eine Inflationsprämie von knapp 3000 Euro. Vor der Einigung war es zu zwei großen Warnstreiks gekommen, die jeweils einen Tag nahezu den kompletten Zugverkehr lahmlegten.
Bahn sagt Verhandlungsrunde während des Streiks ab
Die nächsten Verhandlungen zwischen der GDL und der Deutschen Bahn sollten am Donnerstagvormittag stattfinden - also dann, wenn der Warnstreik der Beschäftigten noch in vollem Gange ist. Die Deutsche Bahn hat den Termin nun allerdings abgesagt. "Entweder man streikt, oder man verhandelt. Beides gleichzeitig geht nicht", sagte Personalvorstand Martin Seiler am Mittwoch.
GDL-Chef Claus Weselsky widerspricht dieser Darstellung. Dass während Verhandlungen auch gestreikt wird, sei "ein völlig normaler Vorgang im Tarifgeschäft, wenn die Arbeitnehmer feststellen müssen, dass die andere Seite Nachhilfe benötigt." Die GDL will trotz der Bahn-Absage zur zweiten Tarifrunde an diesem Donnerstag am Verhandlungsort erscheinen. Der GDL-Chef selber wird am Donnerstag voraussichtlich nicht am Verhandlungsort anwesend sein. Er plant einen Auftritt bei einer Gewerkschaftsdemonstration in Schwerin.