Deutsche Bahn und GDL:Das sind die Details der Tarifeinigung

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Die Deutsche Bahn und die GDL haben sich in ihrem Tarifstreit geeinigt. (Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Lokführer dürfen künftig weniger arbeiten: Bahn und GDL haben sich auf die 35-Stunden-Woche geeinigt - zumindest im Wahlmodell.

Von Benedikt Peters und Vivien Timmler, Berlin

Er kriegt sie, aber er kriegt sie nicht: Die Deutsche Bahn (DB) kommt der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) und ihrem Chef Claus Weselsky bei der 35-Stunden-Woche weit entgegen. Sie gesteht der Gewerkschaft die Verkürzung der Arbeitszeit auf nur noch 35 Stunden bis 2029 zu - aber nicht automatisch.

Bahn und GDL haben sich auf ein sogenanntes Wahlmodell für das Schichtpersonal geeinigt. Die Arbeitszeitreduzierung soll demnach im Rahmen eines Opt-in-Modells erfolgen: Wer künftig nur noch 35 Stunden pro Woche arbeiten möchte, muss das explizit anmelden. Die Bahn spricht von einem "innovativen Optionsmodell", mit dem Mitarbeitende künftig selbst über ihre Wochenarbeitszeit entscheiden können. Der Korridor der möglichen Arbeitszeit soll am Ende von 35 bis 40 Stunden gehen. Zudem soll das sogenannte Leistungsprinzip gelten: Wer mehr arbeitet, verdient auch mehr. "Das ist eine wegweisende Lösung, die Flexibilität, Teilhabe und Transformation ermöglicht", sagte DB-Personalvorstand Martin Seiler. Als erstes Medium hatte Politico über die Details der Vereinbarung berichtet.

GDL-Chef Claus Weselsky sagte: "Gegen den heftigen und letztendlich unnützen Widerstand der DB ist es der GDL und ihren Mitgliedern gelungen, die Absenkung der Arbeitszeit für Schichtarbeiter und die 35-Stunden-Woche ohne Entgeltreduzierung für die Zukunft durchzusetzen." Man habe "einen historischen Durchbruch erzielt".

Der Abschluss sieht vor, dass im Jahr 2026 zunächst die sogenannte Referenzarbeitszeit für alle Mitarbeitenden im Schichtdienst automatisch von aktuell 38 auf dann 37 Stunden sinkt. Die weiteren Absenkungen (von 2027 an auf 36, 2028 auf 35,5 und 2029 auf 35 Stunden) erfolgen dann nicht mehr automatisch wie zunächst von GDL-Chef Weselsky gefordert. Beschäftigte müssen sich vielmehr selbst bei der Bahn melden, wenn sie ihre Arbeitszeit reduzieren wollen. Sie können sich aber auch für eine gleichbleibende Zahl der Arbeitsstunden oder sogar mehr Arbeitszeit entscheiden: Wer das tut, erhält pro Stunde 2,7 Prozent mehr Lohn. So würden zum Beispiel Lokführerinnen oder Zugbegleiter in einer 40-Stunden-Woche etwa 14 Prozent mehr verdienen als in einer 35-Stunden-Woche.

"Intelligenter Kompromiss"

Die Deutsche Bahn (DB) und die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer hatten am späten Montagabend eine Einigung im Tarifstreit verkündet. "Wir können den Kompromiss tragen, auch wenn er natürlich finanziell herausfordernd ist", sagte Seiler. Damit meinte er auch die Lohnerhöhung in Höhe von insgesamt 420 Euro in zwei Schritten, die beide Seiten vereinbart haben: 210 Euro mehr pro Monat zum 1. August 2024 und noch mal 210 Euro zum 1. April 2025. Zudem soll von März an eine Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 2850 Euro in zwei Stufen ausgezahlt werden.

Der Tarifvertrag läuft 26 Monate bis zum 31. Dezember 2025. Im Anschluss daran soll es eine Phase von zwei Monaten geben, in der die Friedenspflicht weiterhin gilt und in der Bahn und GDL dann über den nächsten Tarifvertrag verhandeln wollen. Streiks der Lokführergewerkschaft könnte es also erst wieder ab März 2026 geben. Davor drohen jedoch weitere Arbeitskämpfe. Denn der andere bei der Bahn geltende Tarifvertrag - jener, den der Konzern mit der Bahngewerkschaft EVG geschlossen hat, läuft Ende März 2025 aus, die Friedenspflicht endet am 1. April 2025. Ab dann darf die EVG wieder streiken - wovon sie in der vergangenen Tarifrunde eifrig Gebrauch gemacht hat.

Dennoch kehrt bei der Bahn nun zunächst einmal Ruhe ein - und das pünktlich vor den Osterfeiertagen, die als besonders reisestarke Zeit gelten. Viele Fahrgäste werden diese Ruhe in den vergangenen Monaten herbeigesehnt haben: Seit November bestreikte die GDL den Bahnverkehr sechsmal, Höhepunkt war ein fünftägiger Ausstand im Januar.

Die Streiks brachten den Zugverkehr zwischenzeitlich nahezu zum Erliegen; die Bahn konnte nur einen Notfahrplan aufstellen, nach dem etwa ein Fünftel der Züge fuhr. Kunden reagierten verärgert, zahlreiche Firmen beschwerten sich über Einbußen. Einer Schätzung des Instituts der Deutschen Wirtschaft zufolge verursachen solche Streiks Gesamtschäden von bis zu 100 Millionen Euro am Tag; die Bahn bezifferte die eigenen Verluste auf 25 Millionen Euro täglich. Allein im Jahr 2023 verlor der Konzern nach eigenen Angaben durch Streiks von GDL und EVG 200 Millionen Euro.

Zuletzt war auch der politische Druck gewachsen: Angesichts der vielen Arbeitskämpfe - neben der Bahn auch an den Flughäfen - fordert die Union vehement, das Streikrecht in der sogenannten kritischen Infrastruktur per Gesetz einzuschränken. Dazu zählt auch der Verkehrssektor. Die FDP zeigt für den Vorschlag Sympathien: Nach dem Tarifkonflikt bei der Bahn müsse geprüft werden, ob Gesetze geändert werden müssten, sagte etwa Verkehrsminister Volker Wissing. Es wirkt nun, als wolle die GDL ein Signal an die Politik schicken, dass es das nicht braucht: Sie hat sich im Rahmen der Tarifeinigung auch bereit erklärt, mit der Bahn über ein Schlichtungsabkommen zu verhandeln.

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