E-Mobilität:Retter der Elektro-Postautos

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Ein Streetscooter der Deutschen Post: Der Gründer hat den insolventen Hersteller nun gerettet - vorerst. (Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa)

Der deutsche Hersteller der leisen Lieferwagen war pleite, nun hat ihn der Gründer zurückgekauft. Großkunde DHL spielt dabei eine wichtige Rolle.

Von Björn Finke, Düsseldorf

Die leisen, gelben Lieferwagen gehören zum Straßenbild in Deutschland: Die Deutsche Post und ihr Mutterkonzern DHL setzen 20 000 Streetscooter ein, elektrische Kleintransporter, um Briefe und Pakete zu bringen. Doch der Hersteller der klimafreundlichen Fahrzeuge musste im Herbst Insolvenzantrag stellen. Nun hat Günther Schuh, einer der Mitgründer, die Aachener Firma wieder zurückgekauft und verspricht neue Investitionen. Zugleich sagt Großabnehmer DHL zu, im ersten Halbjahr 700 Transporter zu bestellen. Damit ist der Betrieb mit fast 70 Beschäftigten vorerst gerettet.

Produziert werden die Modelle bei Neapco, einem Auftragsfertiger in Düren, 40 Kilometer östlich von Aachen. Ein endgültiges Aus für den Lieferwagen hätte auch dort Jobs gekostet. Künftig sollen die Fahrzeuge allerdings nicht mehr Streetscooter heißen, sondern "e.Volution". So lautet der Name des Unternehmens von Retter Schuh.

Der 65-Jährige ist Professor am Lehrstuhl für Produktionssystematik der RWTH Aachen. Außerdem ist der Ingenieur ein ebenso selbst- wie sendungsbewusster Seriengründer von Firmen, ein redseliger Gast auf Podien und in Talkshows - und ein Pionier der Elektromobilität in Deutschland. Schon 2010 startet er mit einem Kollegen das Unternehmen Streetscooter, um ein billiges Elektroauto auf den Markt zu bringen. Schuh will der etablierten Autoindustrie beweisen, dass man Stromer günstiger und schneller entwickeln kann.

Die Deutsche Post ist von dem Konzept sehr angetan und lässt das Start-up einen elektrischen Kleintransporter bauen. Im Jahr 2014 kauft der Bonner Logistikkonzern die Firma sogar, doch die neue Tochter bereitet mit ihren Verlusten Kummer. Deshalb stößt DHL den Fahrzeugproduzenten 2022 wieder ab, an die Luxemburger Holding B-On. Allerdings behält DHL die wichtige Batteriefertigung, sie bleibt im Unternehmen und heißt weiter Streetscooter. Diese Tochter beliefert B-On mit Batterien, zugleich ist DHL ein wichtiger Kunde für die fertigen Transporter - ein kompliziertes Geflecht.

Der Insolvenzverwalter sieht kurz vor Weihnachten keine Lösung mehr

Vorigen September muss B-On Insolvenzantrag stellen. Gründe seien Lieferengpässe und Qualitätsprobleme bei Zulieferteilen, heißt es. Die hätten die Produktion behindert und somit zu Einnahmeausfällen geführt. Insolvenzverwalter Dirk Wegener versucht, das Unternehmen zu retten, aber den Fall nennt er rückblickend "recht kompliziert, weil viele Partner wie die DHL und zahlreiche Schlüssel-Lieferanten mitwirken mussten", wie er sich in einer Pressemitteilung zitieren lässt.

Zwei Tage vor Weihnachten geht Wegener davon aus, dass eine Rettung scheitern werde, sagte er der Aachener Zeitung. Zu dem Zeitpunkt gibt es zwar mit Gründer Schuh einen interessierten Käufer und Investor, doch es fehlt die Garantie des wichtigen Kunden DHL, die Lieferwagen weiter zu beziehen. Großaktionär des Logistikunternehmens ist die Bundesregierung - daher schreibt die örtliche IG Metall sogar einen Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz mit der Bitte, auf den Dax-Konzern einzuwirken. Die Bonner sagen schließlich die Bestellung zu, und Schuh kann den Kaufvertrag unterzeichnen.

Der Ingenieur stößt Anteile an anderen Firmen ab, um das nötige Kapital aufzutreiben. Er will 25 Millionen Euro in die Entwicklung eines neuen Modells stecken, das von 2026 an fahren soll. Der Streetscooter werde "auf ein nächstes Level" gehoben, verkündet Schuh gewohnt vollmundig. Bis dahin würden noch 3500 Stück des bisherigen Lieferwagens produziert.

Schuh hat Erfahrung damit, wie es nach einer Insolvenz weitergehen kann. Vor vier Jahren musste "E.Go Mobile" Gläubigerschutz suchen; der Ingenieur war Chef und Gründer des Herstellers kleiner Elektroautos. Das Unternehmen gibt es immer noch, aber es heißt heute "Next E.Go Mobile" - und hat andere Eigner und einen neuen Chef.

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