Rechtskolumne:Darf man auf dem Balkon ein Insektenhotel aufhängen?

Lesezeit: 2 min

Ein mit Pflanzenstängeln gefülltes Insektenhotel kann auch auf dem Balkon für Wildbienen attraktiv sein. (Foto: Catherina Hess)

Nisthilfen für Wildbienen sollen dem Artenschutz dienen. Aber was tun, wenn die Nachbarn protestieren, weil sie sich von den Tieren gestört fühlen?

Von Eva Dignös

Hotelier zu werden, ist nicht schwer: In jedem Baumarkt stapeln sich die schmucken Holzhäuschen, gefüllt mit Schilfrohrstängeln, gelochten Holzblöcken und Tannenzapfen. Wildbienen und anderen bedrohten Arten tue man mit solchen Insektenhotels etwas Gutes, so das Verkaufsversprechen. Das beruhigte Gewissen kostet nur ein paar Euro und einen Nagel zum Aufhängen im Garten oder auf dem Balkon.

Als Hotelier erfolgreich zu sein, ist ungleich schwieriger, das gilt nicht nur für die Beherbergung von erholungssuchenden Menschen, sondern auch von schutzbedürftigen Hautflüglern. Viele Insektenhotels werden nie bezogen, weil Material und Aufbau nicht zum Nisten einladen oder weil es drum herum an Nahrung fehlt. Oft sind sie sogar gefährlich, weil sich die Bewohner an scharfen Kanten ihre Flügel verletzen oder die Brut in Plastikröhrchen verschimmelt.

Bedarfsgerecht gezimmerte Wildbienen-Unterkünfte dagegen sind durchaus als Nisthilfe geeignet, wenn auch nur für gerade mal 40 der mehr als 500 in Deutschland heimischen Arten. In den Hohlräumen richten die Weibchen die Kinderstube ein - inklusive Pollenvorrat als Nahrung für den Nachwuchs. Bienenvölker bilden sich dabei nicht: Im Unterschied zu Honigbienen leben die Tiere als Einzelgänger. Sie greifen auch nicht an, wenn man sich ihrer Behausung nähert, und stechen nur in Ausnahmefällen.

Insektenhotels
:Tierisch gemütlich

Viele Insektenhotels sind Schrottimmobilien. Wie man die schlimmsten Fehler vermeidet - und es schafft, dass Insekten einchecken und sich wohlfühlen.

Von Titus Arnu

Trotzdem werden die Nachbarn die Artenschutz-Aktivität möglicherweise kritisch beäugen, aus Sorge, in die Einflugschneise zu geraten, wenn Balkone oder Garten nah beieinander liegen. Muss man sie - oder den Vermieter - um Erlaubnis fragen, bevor man ein Insektenhotel eröffnet?

"Vorrangig gelten die Vereinbarungen in der Hausordnung oder im Mietvertrag", sagt Jutta Hartmann vom Deutschen Mieterbund. Wenn dort zur Insektenhaltung auf dem Balkon nichts geregelt sei, komme es darauf an, ob ein Insektenhotel zum vertragsgemäßen Gebrauch der Mietwohnung gehöre. "Dies dürfte nur dann der Fall sein, wenn andere Mieter oder Mieterinnen durch das Insektenhotel nicht erheblich gestört werden", sagt Hartmann.

Nach einem Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Harburg können Vermieter die Bienenhaltung auf dem Balkon einer Mietwohnung verbieten, wenn sich Nachbarn durch umherfliegende Bienen gestört fühlen (Az. 641 C 377/13). Der Streit entzündete sich an einem Honigbienenstock, "zum Thema Insektenhotel gibt es meines Wissens noch keine konkrete Entscheidung", sagt Detlef Stollenwerk, Verwaltungsfachwirt und Experte für Nachbarrecht aus Andernach in Rheinland-Pfalz.

Wenn es zwischen Nachbarn Streit gibt über Lärm, Geruchsbelästigungen oder eben Insektenflug, seien zwei Fragen entscheidend, sagt Stollenwerk: Handelt es sich tatsächlich um eine "wesentliche Beeinträchtigung"? Und: Geht sie über das ortsübliche Maß hinaus? Beides werde bei einem Insektenhotel eher selten der Fall sein, allenfalls wenn beispielsweise "die Aufstellung des Bienenhotels so nah an der Nachbargrenze erfolgt, dass ein Nachbar, der an einer schweren Bienengiftallergie leidet, deshalb verstärkt beeinträchtigt ist".

Die Wildbiene würde den Abbau des Häuschens sicher verschmerzen: Ihr ist ohnehin mehr gedient, wenn man bei der Gartengestaltung an sie denkt. Totes Holz, Trockenmauern oder hohle Pflanzenstängel als Nistplatz, eine Blumenwiese und blühende Stauden als Nahrungsquelle - das schlägt jedes Hotel aus dem Baumarkt.

Die Autorin baut Hotels am liebsten auf dem Monopoly-Spielbrett. (Foto: Bernd Schifferdecker (Illustration))
© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusUrban Gardening
:Wilde Stadt

Beim Urban Gardening bauen Nachbarn zusammen Gemüse und Obst an - auf Industriebrachen oder in Hinterhöfen. Auf den Spuren eines Phänomens, bei dem es um viel mehr als Hochbeete und Insektenweiden geht.

Von Claudia Fromme

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: