Insektenhotels:Tierisch gemütlich

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Gut gebaut: die Insektenhotels von dem Wildbienenschreiner aus dem Schwarzwald. (Foto: wildbienenschreiner.de)

Viele Insektenhotels sind Schrottimmobilien. Wie man die schlimmsten Fehler vermeidet - und es schafft, dass Insekten einchecken und sich wohlfühlen.

Von Titus Arnu

Schrägdach aus Zink, Holzwände, fünf Kammern, die gefüllt sind mit Tannenzapfen, Holzspänen, Rundhölzern und Schilfrohren: Das Insektenhaus "Wildlife Friend" sieht eigentlich recht einladend aus. Auch das "Bug's Inn", ein hölzerner Mini-Bungalow mit Flachdach aus Rinde und vier vergitterten Abteilungen mit ähnlichen Füllmaterialien, steht Tag und Nacht als Herberge zur Verfügung, und das auch noch gratis. Seit gut drei Jahren hängen die beiden Insektenhotels in ein paar Flügelschlägen Abstand an der sonnigen Südwand eines Hauses im Süden von München. Gäste bisher: null.

Beim eigenen Insektenhotel lässt sich kein einziges Insekt sichten - seit drei Jahren

Die Insektenhotels sollten laut Produktbeschreibung "zusätzlichen Lebensraum im Garten schaffen als Unterschlupf oder Nisthilfe für Marienkäfer, Bienen, Florfliegen, Schmetterlinge und andere Nützlinge". Das "Bug's Inn" ist angeblich so konstruiert, dass der Gastgeber Wildbienen, Marienkäfern und Schmetterlingen "beim Einrichten ihrer Behausung zusehen" kann. Leider wurde bisher kein einziges Insekt an der Rezeption gesichtet, nicht mal eine Ameise oder eine Stubenfliege. Wahrscheinlich sind auf Insect Trip Advisor miese Bewertungen zu lesen: "grantiger Gastgeber!", "staubig und hässlich", "Achtung, da gibt es einen riesigen Hund, Frösche und andere Monster", "Im Gartenteich wohnt sogar eine Ringelnatter! Finger bzw. Fühler weg."

Bei der Eröffnung der beiden Herbergen kurz nach dem Volksbegehren "Rettet die Bienen" dachte der selbsternannte Hotelier noch, er tue mit dem Aufhängen der Holzkästen etwas Gutes für den Naturschutz. Das Insektensterben schreitet schließlich in erschreckender Geschwindigkeit voran, 50 Prozent der deutschen Wildbienenarten sind gefährdet, aber auch viele Schmetterlinge, Schwebfliegen, Käfer und in der Folge Reptilien und Vögel sterben aus. Die Zahlen sind dramatisch: Laut einer im Jahr 2017 veröffentlichten Studie ist die Biomasse von Fluginsekten in deutschen Schutzgebieten in den vergangenen 30 Jahren um 75 Prozent zurückgegangen. Ein Insektenhotel, so die naive Hoffnung vieler Garten- und Balkonbesitzer, könnte da vielleicht ein bisschen helfen.

Die schlimmsten Konstruktionsfehler: splitteriges Weichholz, verklebte Acrylglasröhrchen, Ytong-Bausteine und falsch angebohrtes Stirnholz

Und weil die Fertigbau-Objekte billig zu kaufen und leicht aufzuhängen sind, finden sie sich mittlerweile nicht nur im Angebot von Umweltschutzorganisationen wie Bund und Nabu, sondern auch deutlich günstiger in Baumärkten und Gartencentern. Für zehn bis 20 Euro kann man ein fertig eingerichtetes Hotel beim Wochenendeinkauf mit nach Hause schleppen und an die Wand oder den Zaun schrauben. Zur Auswahl stehen Modelle im Landhausstil, Mini-Wolkenkratzer, Doppelhäuser, simple Kuben und Zylinder. Doch das gute Gefühl, recht billig ein Tierasyl errichtet und dabei das Öko-Gewissen beruhigt zu haben, schwindet bald, wenn die Gäste ausbleiben. Woran kann das liegen?

Hochwertig: Das Insektenhotel von der Firma "Wildbienen-Glück" haben Biologen entworfen und Schreiner gebaut. (Foto: wildbienenglueck.de)

Zunächst einmal gilt wie bei allen Immobilien: Lage, Lage, Lage! "Der optimale Standort für Ihr Wildbienenhotel ist sonnig, nicht zugig, trocken und umgeben von blühenden, einheimischen Stauden", empfehlen die Experten der Firma "Wildbienen-Glück", die hochwertige Insektenhotels produziert, entworfen von Biologen und gebaut von Schreinern. Das Häuschen soll bei Regen nicht zu nass werden, südliche bis östliche Ausrichtung ist ideal. Nistplätze, die einige Stunden am Tag von der Sonne beschienen werden, werden von den Insekten favorisiert. Doch selbst wenn man diese Faktoren beachtet, kann es passieren, dass die Bienen-Pension so gruselig leer bleibt wie das "Overlook Hotel" im Film "Shining". Das liegt dann meistens an der Bauweise der Häuschen.

Viele der Insektenhotels, die man im Internet oder in Baumärkten bekommt, muss man als Schrottimmobilien bezeichnen. Ihr Korpus besteht aus zusammengetackerten Fichtenbrettchen oder anderen Weichhölzern, die mit dünnem Draht abgetrennten Kammern sind gefüllt mit Stroh, Hackschnitzeln, Tannenzapfen, Schilfrohren und angebohrten Holzplatten. Solche Billigbehausungen sind nicht nur ungeeignet, "unter Umständen schaden sie sogar", warnt der Nabu. Der Biologe und Wildbienen-Experte Paul Westrich listet die schlimmsten Konstruktionsfehler auf: splitteriges Weichholz, verklebte Acrylglasröhrchen, Ytong-Bausteine, falsch angebohrtes Stirnholz -das sei alles untauglich bis kontraproduktiv.

"Insektennisthilfen werden als eine Art Alibifunktion in Sachen Naturschutz verwendet und sind größtenteils sinnlos", so ein Experte

Zudem seien Insektenhotels sowieso kein geeignetes Mittel des Artenschutzes, da man mit ihnen nur etwa 40 von insgesamt 560 Wildbienenarten erreicht, heißt es beim Nabu. Der Begriff "Insektenhotel" sei unglücklich und biologisch unpassend, findet Werner David, Naturgärtner, Biologe und Autor mehrerer Bücher zum Thema. Dass gefährdete Insekten ohne Weiteres künstliche Nisthilfen benutzen, sei eher Wunschdenken als Realität. "Es mag viele Illusionen zerstören und etwas frustrierend sein, aber der Nutzen von Insektenhotels ist leider extrem gering", schreibt David in seinem Standardwerk "Fertig zum Einzug - Nisthilfen für Wildbienen". "Dreiviertel aller solitären Wildbienenarten und sicherlich auch ein sehr hoher Anteil solitärer Wespen sind Bodennister, sie profitieren von solchen Nisthilfen nicht und wir werden sie niemals dort antreffen." Er geht noch einen Schritt weiter: "Insektennisthilfen werden als eine Art Alibifunktion in Sachen Naturschutz verwendet und sind größtenteils sinnlos."

Manchmal sind sie sogar lebensgefährlich für die Tiere. An scharfkantigen Gittern und faserigem Weichholz können sich Insekten ihre empfindlichen Flügel verletzen, was den sicheren Tod für sie bedeutet. In eingeklebten Röhren finden auch Ohrwürmer Unterschlupf, die Allesfresser sind und auch die Brut der Wildbienen plündern. Viele Insektenhäuser verfügen über eine Holzscheibe mit einem Schlitz, gedacht für Schmetterlinge, die in dem Unterschlupf übernachten oder gar überwintern sollen - allerdings fliegen die meisten heimischen Schmetterlinge solche Behausungen nicht an, weil sie solche Schlitze meiden und lieber als Puppe, Ei oder Raupe überwintern. Wer hofft, mit Insektenhotels Blattlauskiller wie die Florfliege oder den Marienkäfer in seinen Garten zu locken, wird ebenfalls enttäuscht, denn diese Nützlinge checken leider auch nicht im Hotel ein.

Einige Insekten-Unterkünfte sind so konstruiert, dass man die Tiere durch Plexiglasröhrchen oder Plastikscheiben beobachten kann. Aus pädagogischer Sicht vielleicht eine gute Idee, aus Naturschutzsicht eher nicht. Denn diese Bauteile lassen keinen Wasserdampf durch, dadurch können Pilze und Keime wachsen, und die Brut stirbt ab. Außerdem erhitzen sich die Kunststoffröhrchen in der Sonne stark, dadurch können die Larven ebenfalls sterben.

Artgerecht: ein Insektenhotel vom Naturschutzbund Deutschland. (Foto: NABU)

Wenn ein Insektenhotel, dann ein ordentlich konstruiertes, empfehlen Bund und Nabu. Die beiden Naturschutzorganisationen bieten solche geeigneten Nistplätze zum Verkauf an.

Gut konstruiert: ein Insektenhotel vom Landesbund für Vogel- und Naturschutz. (Foto: lbv)

Für die, die ein Insektenhotel selber bauen wollen, zeigen Experten der Organisationen in detaillierten Anleitungen, wie man selbst ein artgerechtes Quartier für Wildbienen, Wespen und andere Gartenbewohner zusammenzimmert. Dafür lassen sich Hartholzreste (etwa von abgerochenen Besenstielen), Bambusstangen, Gitterziegel und Lehm verwenden. Es gibt auch seriöse Hersteller von Insektenhotels, die solide Nisthilfen in Zusammenarbeit mit Biologen entworfen haben. Manfred Frey, Schreiner aus Neuenburg im Schwarzwald, ist einer von ihnen, in seinem Onlineshop bietet er Bastel-Sets, fertige Nistkästen und Beobachtungsstationen aus Massivholz an, die von Wildbienenexperten wie Paul Westrich empfohlen werden.

Handgezimmert: ein Insektenhotel vom Wildbienenschreiner. (Foto: wildbienenschreiner.de)

Die handgezimmerten Modelle des Wildbienenschreiners sind teurer als die billigen Behausungen vom Discounter.

Zwei Wochen nach dem Aufhängen ist dieses Insektenhotel bereits besiedelt. (Foto: wildbienenschreiner.de)

Dafür werden sie tatsächlich von Insekten besiedelt.

Wer etwas für die Erhaltung der Artenvielfalt tun möchte, sollte seinen Garten so naturnah wie möglich gestalten

Das Interesse an Insektenhotels sei durch die Corona-Pandemie, den Ukraine-Krieg und andere Krisen mittlerweile etwas zurückgegangen, sagt Manfred Frey, "die Menschen haben derzeit andere Sorgen als Wildbienenschutz". Allerdings benötigen viele gefährdete Gartentiere immer noch dringend Unterstützung, wenn auch nicht unbedingt in Form von Budget-Hotelketten. Experte Werner David bringt es auf den Punkt: "Insekten brauchen primär keine Hotels, sondern geeignete Lebensräume." Wer etwas für die Erhaltung der Artenvielfalt vor der Haustür tun möchte, sollte nicht Hotelier werden, sondern eher dafür sorgen, seinen Garten so naturnah wie möglich zu gestalten.

Blühende Wildstauden, Magerwiesen, Trockenmauern, Hecken, Kies, Sand und wilde Ecken mit Totholz wären aus ökologischer Sicht wichtiger und effektiver als jedes Insektenhotel, stellt der Biologe Paul Westrich klar. Rostrote Mauerbienen (Osmia bicornis), die mit Nisthilfen angelockt werden sollen, brüten übrigens auch in Gartenschläuchen, alten Türschlössern oder sogar Flöten. Erdhummeln wohnen in Mauselöchern, andere Arten besiedeln leere Schneckenhäuser und Ritzen zwischen gepflasterten Wegen. Ganz kostenlos sind die markhaltigen Stängel vieler Stauden, die man im Herbst zugunsten von Insekten und anderer Gartenbewohner einfach stehen lassen kann, anstatt das ganze Beet zu rasieren und umzugraben.

Trotzdem seien Insektenbehausungen nicht komplett unsinnig, findet Paul Westrich: "Nisthilfen für Hohlraumbesiedler sind, sofern sie etwas taugen, sehr gut für die Naturbeobachtung und für pädagogische Zwecke geeignet." Fachgerecht konstruierte Nistkästen seien bis zu 90 Prozent ausgelastet, berichtet Biologe Westrich. Die Bauruinen aus dem Baumarkt hängen dagegen leer an der Wand - als Mahnmal gegen das Artensterben.

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