Wer segeln lernt, fängt erst mal mit einer Jolle an und steigt, wenn überhaupt, erst später auf ein Kielboot oder gar eine Yacht um. Ähnlich läuft es oft, wenn man selbst Energieerzeuger werden möchte: Erst mal als Mieter Erfahrung mit einer Mini-Solaranlage sammeln, bevor man später als Hauseigentümer das ganze Dach mit Photovoltaikmodulen belegt. Die Panels, die man für ein sogenanntes Balkonkraftwerk benötigt, sind schon für ein paar Hundert Euro zu haben, während ein Photovoltaik-Dach auf dem Haus ohne Weiteres mehr als 20 000 Euro kosten kann.
Erlaubt sind derzeit in Deutschland Steckersolargeräte mit einer Leistung von maximal 600 Watt. Man kann sie ohne technologische Fachkenntnisse installieren. Dafür braucht man ein oder zwei Module, etwa aus dem Baumarkt, einen Wechselrichter sowie ein passendes Kabelsystem, um die Anlage zu Hause ans Stromnetz zu schließen. Hinzu kommt ein gewisser bürokratischer Aufwand, zu dem die Anmeldung bei der Bundesnetzagentur gehört. "Man kann circa zwanzig Prozent des eigenen Strombedarfs mit einer solchen Anlage generieren", sagt Guido Marx, "und super die Grundlast abdecken, zum Beispiel für den Kühlschrank oder fürs Handy." Der promovierte Physiker hat langjährige Erfahrung als Verwalter von Mehrparteienhäusern und engagiert sich für gemeinschaftliche Steckersolar-Projekte. Im Laufe des Jahres soll eine Neuregelung in Kraft treten, wonach die Maximalleistung auf 800 Watt erhöht werden darf. Der Wechselrichter eines Balkonkraftwerks lasse sich dementsprechend justieren, erklärt Marx.
All das kann Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG), aber auch Mieter dazu verlocken, eine Mini-Solaranlage bei sich zu Hause zu montieren, ohne andere zurate zu ziehen. Die Fördermittel, die manche Kommunen gewähren - nach Angaben des ADAC liegen sie bei bis zu 500 Euro -, bilden einen zusätzlichen Anreiz. Doch bislang hieß es oft für diese Akteure bald nach der Installation: weg damit. Denn die Anlagen werden mittels spezieller Halterungen an der Balkonbrüstung oder Außenfläche des Balkons fixiert - eine bauliche Änderung, die die Wohnungseigentümergemeinschaft mit einfacher Mehrheit genehmigen muss. In vielen Fällen kommt sie nicht zustande. So hatte ein Mieter in einer WEG zwar das Plazet der Vermieterinnen für das von ihm installierte Balkonkraftwerk, nicht aber das der anderen Eigner. Vor Gericht setzten Letztere die Demontage der Mini-PV-Anlage durch (AG Konstanz, Az. 4C 425/22).
In einem anderen Fall stellte das Amtsgericht Köln fest, dass Mieter keine Solarpanels an der Außenseite des Balkons anbringen dürfen. Auf dem Boden des Balkons seien sie gestattet, vorausgesetzt, sie störten in ästhetischer Hinsicht niemanden (Az. 222 C 150/23). Das optische Erscheinungsbild der Anlage werde verunstaltet, das ist ein Einwand, der häufig vorgebracht wird. Bedenkenträger führen oft auch mangelnden Brandschutz als Argument an, monieren, die Module könnten die Nachbarn blenden, oder fordern, die Statik des Balkons zu überprüfen.
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Damit zu Hause künftig mehr Energie aus Sonnenkraft erzeugt wird, will die Regierung die Position derjenigen stärken, die auf eigene Kosten ein Steckersolargerät anbringen wollen: Ein Gesetzentwurf sieht vor, dass Balkonkraftwerke in den kleinen Katalog der sogenannten privilegierten baulichen Änderungen des Wohnungseigentumsgesetzes (Paragraf 20) aufgenommen werden sollen. Zu den privilegierten Maßnahmen zählen zum Beispiel private Ladestationen fürs Elektroauto. Mieter wiederum könnten sich dann auf das Bürgerliche Gesetzbuch (Paragraf 554) berufen. "Privilegiert" heißt in diesem Fall: Eigentümer und Mieter hätten dann einen Rechtsanspruch auf die Installation eines Balkonkraftwerks. Der Beschluss über den Gesetzentwurf verzögert sich aber, was unter anderem daran liegt, dass darüber diskutiert wird, nicht nur die Mini-Kraftwerke, sondern große Photovoltaikanlagen zu privilegieren.
Sollte die geplante Gesetzesänderung, wie Guido Marx hofft, vor der Sommerpause verabschiedet werden, dann könnten andere Eigentümer und Vermieter bald eine solche Anlage nicht mehr so einfach blockieren. Allerdings haben sie nach wie vor die Möglichkeit, dafür zahlreiche Bedingungen festzuschreiben, auch in Bezug auf die Ästhetik. "Wenn jeder an der Außenseite des Gebäudes etwas anderes macht, sieht das in der Tat nicht schön aus", merkt Guido Marx dazu an. Er hat sich eine neue Option für Mini-Solaranlagen ausgedacht. Allerdings nicht für den Balkon, sondern fürs Hausdach. "Ideal sind in Ost-West-Richtung orientierte, leicht geneigte Module auf einem Flachdach, weil sie optisch nicht stören und man dort einen noch besseren Energiegewinn hat als auf einem Südbalkon", erklärt der Wohnverwalter. Aber auch für Satteldächer gebe es kluge Lösungen. Mit einer Eigentümergemeinschaft startete er vor einem Jahr in der Umgebung von Bonn ein Mini-PV-Projekt auf dem Dach. "Wir haben in dem Fall für die Montage eine Profi-Firma engagiert." Das wirke auch Bedenken in Bezug auf die Sicherheit entgegen. Die Kosten von 1500 Euro pro Wohnung für die Installation würden sich nach ein paar Jahren amortisieren. "Und jeder der teilnehmenden Bewohner spart sich Stromkosten von circa 250 Euro pro Jahr", stellt Marx fest. Der Immobilienexperte betreut nun weitere Wohnungseigentümergemeinschaften mit Steckersolaranlagen auf dem Dach. Beim ersten Vorhaben blieben einige Bewohner passiv, bei den nachfolgenden Projekten wollten alle von Anfang an Solarenergie-Erzeuger werden.