Niue hat gerade mal gut tausend Einwohner, und bis zur Küste Neuseelands sind es 2400 Kilometer. Die kleine Insel im Südpazifik, irgendwo zwischen den Cook Islands, Samoa und Tonga, kennen Tierforscher wegen der Plattschwanz-Seeschlange, weil die nur hier vorkommt. Ermittler in der Schweiz und in den USA kennen die Insel mittlerweile auch wegen einer Briefkastenfirma namens Cross Trading, mit der nun schon zwei große Verbände Geschäfte gemacht haben, die Gegenstand von Ermittlungen sind.
Am Mittwoch trat Juan Pablo Damiani, Mitglied der Ethikkommission des Fußball-Weltverbands Fifa, von diesem Posten zurück, weil seine Anwaltskanzlei J. P. Damiani ausweislich Panama Papers gleich Hunderte Offshorefirmen hatte einrichten lassen - darunter jene Cross Trading. Die argentinischen Rechtehändler Hugo und Mariano Jinkis, die in den USA wegen mutmaßlicher Bestechung von Fifa-Mitgliedern im Zusammenhang mit dem Erwerb von TV-Rechten angeklagt sind, besaßen gleich drei Firmen dieses Namens.
Ernst zu nehmende Probleme mit der Cross Trading in Niue hat nun auch der europäische Verband Uefa. Auch hier haben die internationalen Recherchen in den aus der Kanzlei Mossack Fonseca, einem der großen Offshore-Provider Panamas, stammenden und der SZ zugespielten Daten eine Verbindung zu der Briefkastenfirma von Vater Hugo und Sohn Mariano Jinkis ergeben.
Exklusiv Panama Papers:Fifa-Saubermann unter Verdacht - Ermittlungen in den eigenen Reihen
Juan Pedro Damiani ist Gründungsmitglied der Fifa-Ethikkommission - und jetzt ein Fall für seine eigenen Kollegen.
Demnach hat die Uefa die Fernsehrechte für Ecuador an der Champions League und anderen europäischen Wettbewerben gleich für mehrere Jahre an die Cross Trading verkauft, was der Verband auch bestätigte. Die SZ, der Schweizer Tages-Anzeiger und andere Medien berichteten darüber am Mittwoch - noch am selben Tag ließ die Schweizer Bundesanwaltschaft den Verbandssitz Nyon durchsuchen. Nach SZ-Informationen bekamen auch die Büros der Agentur "Team", die für die Uefa TV-Rechte makelt, Besuch. Die Razzia in Nyon hat die Bundesanwaltschaft in Bern bestätigt. Sie ermittle im Rahmen eines Strafverfahrens, es bestehe der "Verdacht der ungetreuen Geschäftsbesorgung" und eventuell der Veruntreuung im Zusammenhang mit dem Erwerb von TV-Übertragungsrechten. Gegen eine konkrete Person richte sich der Verdacht bisher nicht, sondern gegen "unbekannte Täterschaft", hieß es aus Bern.
Das ist zunächst gut für einen Mann, der sowohl bei der Uefa als auch bei der Fifa höchste Positionen inne hatte und hat. Gianni Infantino ist seit Februar Präsident des Weltverbands und war davor Uefa-Generalsekretär. Noch als Direktor der Uefa-Rechtsabteilung hat er mindestens einen Vertrag unterschrieben, der kein gutes Geschäft war. TV-Rechte, die an Cross Trading gingen, brachten der Uefa lediglich 111 000 Dollar - Cross Trading verkaufte sie aber für 311 700 Dollar an einen Sender in Ecuador weiter. Zählt man andere bisher bekannte Verträge zusammen, könnte die Uefa sogar Rechte abgetreten haben, mit der am Ende 600 000 Dollar mehr erzielt wurden als in Nyon ankamen.
Jeweils lagen die Gewinnmargen im Zwischenhandel bei mehren Hundert Prozent.
Wer hinter der Firma Cross Trade steckte, so hatte die Uefa auf Anfrage der SZ mitgeteilt, habe man bei Vertragsabschluss 2006 nicht gewusst, ebenso wenig vom satten Gewinn, den anderen einstrichen. Gianni Infantino ließ wissen, nie persönlich mit Jinkis zu tun gehabt und nur seinen Aufgaben entsprechend gehandelt zu haben. Sowohl Infantino wie auch die Fifa hatten gegenüber der SZ zuvor allerdings geleugnet, überhaupt je mit einer Person oder einer Firma aus den aktuellen Fifa-Ermittlungen, die das FBI im Mai 2015 aufgenommen hatte, zu schaffen gehabt zu haben.
Laut Bundesanwaltschaft Bern basierte die Razzia auf einer "Verdachtslage, die sich durch Erkenntnisse aus einem anderen Verfahren sowie auf entsprechende Finanzanalysen" ihrer Behörde ergeben habe. Durch die aktuellen Veröffentlichungen hätten sich zusätzliche Hinweise ergeben. Ausschlaggebend sei die Bestätigung der Uefa gewesen, Verträge mit Cross Trading abgeschlossen zu haben. Nun sollten Beweise gesichert werden.
Fast zur gleichen Zeit wurde bekannt, dass Juan Pedro Damiani sein Amt als Fifa-Ethikkommissar niedergelegt hat. Auch sein Name taucht in den Panama Papers auf, weil er mit seiner uruguayischen Anwaltskanzlei gleich rund 400 Briefkastenfirmen bei Mossack Fonseca bestellt hatte. Darunter waren auch Offshore-Konstruktionen, die in den Ermittlungen der US-amerikanischen Behörden im Zusammenhang mit dem Fifa-Bestechungsskandal eine große Rolle spielen - Cross Trading etwa.
Tief im Fußball-Korruptionssumpf
Wie aus Fifa-Kreisen zu erfahren war, habe Damiani , 57, sogar schon am Dienstag seinen Rücktritt eingereicht. Am Sonntagabend hatten die Süddeutsche Zeitung, die Schweizer Sonntags-Zeitung sowie andere Medien berichtet, dass Ethikkommissar Damiani Beziehungen zu Funktionären und Sportvermarktern pflegte, die tief im Fußball-Korruptionssumpf stecken. Sonst urteilte er als Gründungsmitglied der Ethikkommission selbst über korrupte Verbandskollegen.
Damianis Kanzlei in Montevideo war eine der wichtigeren Kunden von Mossack Fonseca, drei Briefkasten-Kunden Damianis sind Hauptbeschuldigte in den US-Fifa-Ermittlungen: neben Hugo und Mariano Jinkis auch der ehemalige Fifa-Vizepräsident Eugenio Figueredo, einer jener Funktionäre, die im Mai 2015 im Zürcher Luxushotel Baur Au Lac verhaftet worden waren. Der 84-Jährige hat bereits gestanden, Schmiergelder angenommen zu haben.
Für Vater und Sohn Jinkis hatte Damiani zwei Briefkastenfirmen betreut, eine im US-Bundesstaat Nevada und eben jene auf der südpazifischen Insel Niue. Über diese Firmen sollen laut US-Anklage Millionen Dollar an Schmiergeldern geflossen sein. Damianis Rücktritt wollte ein Sprecher der Fifa nicht kommentieren.
Ein Rücktritt, eine Razzia und ein Fifa-Präsident in Not: Das kleine Niue kommt noch ganz groß raus.