In der Psychologie kennt man den sogenannten H-E-Kopf, ein doppeldeutiges Bild, das je nach Perspektive einen Hasen (H) oder eine Ente (E) zeigt und dessen Zweck es ist, dem Betrachter zu zeigen, dass ein und derselbe Gegenstand ganz unterschiedlich gesehen werden kann. Eigentlich eine banal-simple Erkenntnis, manchmal aber ganz nützlich und auf die unterschiedlichsten Dinge anwendbar. Auf die Zukunft des Fußballs zum Beispiel.
Die wird gerade wieder ein bisschen heftiger diskutiert und eine Grundfrage lautet: Soll der Fußball mehr wie die englische Premier League (Hase) sein? Oder sollte der Fußball mehr wie die deutsche Bundesliga (Ente?) sein? Faszinierend ist, dass der eine gerade jeweils gerne so wie der andere wäre.
In England werden angesichts der Sanktionen gegen den Chelsea-Eigner Roman Abramowitsch und dem Verkauf von Newcastle United an den saudi-arabischen Staatsfonds die Stimmen lauter, ein deutsches Modell mit Mitgliederbestimmung (50+1-Regel) in Erwägung zu ziehen.
In Deutschland werden angesichts des neuen und mal wieder unanständig ertragreichen englischen TV-Vertrags und des Verkaufs von Newcastle United an den saudi-arabischen Staatsfonds die Stimmen lauter, ob man sich ein Modell mit Mitgliederbestimmung noch leisten kann. Man will immer das, was man nicht haben kann, das Gras ist immer grüner auf der anderen Seite. Auch der Effekt ist aus der Psychologie bekannt.
Rummenigge beklagt die steigenden Gehälter, die steigenden Ablösesummen und mahnt eine grundlegende Fußball-Reform an
Aktueller Kronzeuge für den deutschen Teil der Debatte ist Karl-Heinz Rummenigge, der sich seit seinem Ausscheiden beim FC Bayern in verschiedenen Interviews zum Themenkomplex äußert, aktuell in einem Podcast. Rummenigge, fast 30 Jahre lang im Geschäft aktiv und als Mitglied diverser Gremien immer noch sehr einflussreich, sagt, die Mitgliederbestimmung in Deutschland über die 50+1-Regel sei ein "Relikt" sowie ein "Riesen-Riesen-Handicap", man müsse Investoren mehr Möglichkeiten geben. Gleichzeitig beklagt er die steigenden Gehälter, die steigenden Ablösesummen, mahnt eine grundlegende Fußball-Reform an und an der Stelle möchte man dann ganz naiv die Frage stellen: Ja was denn nun? Mehr Geld im System? Oder weniger?
Rummenigge bildet in seinen Ausführungen allerdings auch eine Synthese und fordert, der europäische Fußball-Verband Uefa müsse die Leitlinien vorgeben. Tatsächlich debattiert der auch gerade über zwei entscheidende Fragen. Nämlich zum einen, wie die Champions League ab der Saison 2024 genau aussehen soll. Und zum anderen, wie die künftigen Finanzregeln lauten werden.
Wie die New York Times und die Nachrichtenagentur AP im Bezug auf Verhandlungsteilnehmer berichteten, könnte es auf ein System hinauslaufen, bei dem Klubs nur 70 Prozent ihrer Einnahmen für Spielergehälter ausgeben dürfen. Die Info ist allein allerdings noch nicht so viel wert, wenn man nicht weiß, wie "Einnahmen" definiert sind. Darf etwa Paris Saint-Germain über einen Sponsorenvertrag mit Qatar Airways unbegrenzt Geld (also: Einnahmen) in den Klub pumpen und kann sich dann sowieso alles leisten? Und falls das nicht der Fall sein sollte: Gibt es diesmal richtige Strafen? Oder ist es wieder eine Regel mit Schein-Konsequenzen, wie es in der Vergangenheit allzu oft der Fall war?
Die neue Regelung wird bei der Debatte über die Zukunft des Fußballs sicher eine Rolle spielen, aber, um auf die Ausgangsfrage nach mehr Premier League oder mehr Bundesliga zurückzukommen: Wenn die Premier League gerade an einer Stelle ist, an der sie das Gefühl hat, sich verrannt zu haben - kann es dann wirklich eine Lösung sein, blind hinterherzurennen? Oder, um den Tiervergleich weiter zu spinnen: Ist die Bundesliga in diesem Fall wirklich eine Ente? Oder nicht doch der Igel, der - wie in dem bekannten Märchen - schon dort ist, wo der Hase hinwill.