Die Fußballerinnen des 1. FC Nürnberg dürften ihren Donnerstagabend ziemlich ähnlich gestaltet haben: in einer Mischung aus Freizeit und Arbeit vor einem Bildschirm. Im Livestream nämlich flimmerte Lea Schüller, wie sie den FC Bayern in der Champions League früh in Führung brachte und danach den Vorsprung mehrmals hätte ausbauen können. Am Ende standen ein 1:1 gegen Ajax Amsterdam sowie Platz eins in der Gruppe C zu Buche. Die Nürnbergerinnen hätten stattdessen aber auch gemeinsam auf den Christkindlmarkt gehen können, ihnen ist ja längst bewusst, wer am Sonntagabend zu Besuch kommt: der Tabellenführer und amtierende deutsche Meister.
Seit 23 Jahren hat es dieses Duell in der Frauen-Bundesliga nicht mehr gegeben. Die Nürnbergerinnen hatten sich nach ihrem Aufstieg 1999 nach einer Saison direkt verabschiedet und sich mühsam wieder hochkämpfen müssen. Seit dem Sommer sind sie zurück und würden gerne länger bleiben. Wie schwierig das ist, merkt das Team jeden Spieltag. Gleich zum Start gab es gegen Werder Bremen und Bayer Leverkusen Klatschen, danach aber auch Arbeitstage, die mit einem guten Gefühl endeten: als sie gegen die Titelsammlerinnen des VfL Wolfsburg nur 0:1 verloren zum Beispiel - und natürlich beim 2:0-Sieg gegen den SC Freiburg und dem Remis gegen Mitaufsteiger RB Leipzig.
"Ich finde, wir haben in den vergangenen Spielen schon gezeigt, dass wir mithalten können", sagt Jessica May, die im November mit einer besonderen Marke auffiel: Die 24-Jährige hatte in fünf Jahren für den Club in 92 Ligapartien keine Sekunde verpasst. Und während diese Zeit geprägt war von Erfolgserlebnissen, muss sie sich nun an Rückschläge gewöhnen. Der Sprung von der zweiten in die erste Bundesliga ist groß, das merkt der Neuling an der Physis, Geschwindigkeit und Technik ihrer Gegnerinnen. "Jede hat Zeit gebraucht, um für sich damit klarzukommen", sagt May zum Umgang mit Enttäuschungen. "Nach den vergangenen Jahren ist das eben nicht normal für uns. Aber da wird auch von Vereinsseite aus gut mit uns gearbeitet."
"Wir legen viel Wert auf unseren Ansatz, der soll sich dadurch nicht ändern", sagt Sportchef Cankaya
Die Spielerinnen sollen von guten Bedingungen im Sinne des in der jüngeren Vergangenheit so oft bemühten "Equal Play" profitieren, sprich: möglichst gleichberechtigt behandelt werden. Das betrifft Trainingsplätze, Ausstattung und Unterbringung, die Leistungsanalyse, medizinische Versorgung inklusive einer Psychologin sowie Marketingmaßnahmen. "Im Verein wird viel Wert auf Frauenfußball gelegt", sagt Osman Cankaya, früherer Trainer und nun in Vollzeit Sportlicher Leiter. "Als Aufsteiger haben wir überdurchschnittliche Möglichkeiten und Strukturen, weil wir früh erkannt haben, dass das als Basis viel entscheidender ist als 300 Euro mehr Gehalt." Selbst auf zyklusbasiertes Training sei schon in der Regionalliga geachtet worden.
Und, auch alles andere als selbstverständlich: Jedes Heimspiel findet im Max-Morlock-Stadion statt. Gegen die Münchnerinnen - die auf Klara Bühl (Muskelverletzung) und Magdalena Eriksson (Mittelfußbruch) verzichten müssen - werden 4000 Zuschauer erwartet. "Dass der Club damit ein Statement setzt, ist für uns Spielerinnen wichtig", sagt May. "Und ich sehe das auch als Signal für den Frauenfußball allgemein." Ansonsten lässt nur der MSV Duisburg sein Frauenteam regelmäßig im Stadion der Männer spielen. Andere wechseln ereignisbezogen ihre Arena.
Vier Punkte aus neun Partien zeigen aber auch, dass beste Bedingungen den Klassenverbleib nicht garantieren. Zumal, wenn es dem jüngsten Kader der Liga an Erstligaerfahrung fehlt. Das wissen sie in Nürnberg auch, aber das Team soll nachhaltig wachsen. "Wir legen viel Wert auf unseren Ansatz, der soll sich dadurch nicht ändern", sagt Cankaya. "Wir sehen schon gewisse Vakanzen und werden uns verstärken. Aber es würde nicht zu unserer Philosophie passen, für viel Geld jemanden zu holen für ein halbes Jahr, Hauptsache, sie hält uns in der Liga." Man könne den aktuellen Stand ja auch so betrachten: Auf den Nichtabstiegsplatz fehlen nur zwei Zähler.
Ihre mutige Art möchten die Nürnbergerinnen beibehalten. Auch wenn die Hinrunde nun mehr im Zeichen stand, Erfahrungen zu sammeln, Fehler machen zu dürfen und sich zu entwickeln. Das vermittelt auch Thomas Oostendorp, der das Team nach dem Aufstieg übernommen hat. Der 30-Jährige trainierte zuvor Jugendmannschaften beim niederländischen Verband KNVB und war danach ausgesucht worden, ob er zum Konzept passt. Beim Club wollen sie einen dynamischen, schnellen Fußball spielen, von der Jugend bis zum Bundesliga-Team. Gerade unterlaufen dabei noch viele Fehler, und den Ball haben mehr die Gegnerinnen. Aber irgendwann, darauf hoffen sie in Nürnberg zumindest, wird bei ihnen auch der Erfolg in der ersten Liga zurückkehren.