Sieben Kurven der Formel 1:Wolff stichelt, Horner kontert

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Red-Bull-Teamchef Christian Horner (Mitte). (Foto: Greg Baker/AFP)

Die Teamchefs von Mercedes und Red Bull tragen ein Wortduell aus, Lewis Hamilton kommt nicht vom Fleck - und der Chinese Guanyu Zhou wird von seinen Gefühlen überwältigt. Die Höhepunkte des Formel-1-Wochenendes.

Von Elmar Brümmer

Christian Horner

Der Teamchef versucht in den vergangenen Wochen verstärkt, die zerstrittene Führungsebene bei Red Bull wieder zu einen. Da die ihm eigene Angriffslust aber irgendwie rausmuss, hat er sein altes Feindbild neu entdeckt. Die Kommentare von Mercedes-Teamchef Toto Wolff, der weiterhin an den Diensten von Max Verstappen interessiert ist, bringen den Briten auf die Palme. Genau dorthin also, wo der Österreicher ihn haben will, der damit kokettiert, dass es für einen Fahrer der Kategorie Verstappen nicht nur darauf ankomme, aktuell das beste Auto zu haben. Die geschickt gesäte Zwietracht kontert Horner in aller Härte: "Warum sollte Max unser Team verlassen? Mercedes liegt hinter seinen Kundenteams. Toto sollte sich vielleicht eher um seinen Rennstall als den Fahrermarkt kümmern."

Lando Norris

(Foto: Greg Baker/AFP)

Die verkehrt herum aufgesetzte Sponsorenkappe war das in diesem Rennjahr bisher auffälligste Merkmal des Briten, dem auch im 108. Grand Prix kein Sieg gelungen ist. Aber Norris wurde Zweiter, immerhin, sein bestes Saisonresultat. Warum es für McLaren so gut lief, das kann er sich nicht erklären. Norris hatte sogar darauf gewettet, 35 Sekunden hinter den beiden Ferrari ins Ziel zu kommen. Doch plötzlich lief es für ihn und seinen papaya-farbenen Rennwagen, während die Autos der Scuderia immer langsamer wurden und Charles Leclerc zehn Sekunden hinter ihm ins Ziel kam.

Gründe dafür sind wohl die Kapriolen aus Rennabstimmung, Temperaturschwankungen und Reifenabnutzung, die praktisch alle Strategen in dieser Saison quälen, die Kollegen bei Red Bull ausgenommen. Norris überlegte später, ob es vielleicht der sanfte Wind war, der ihn nach vorn getrieben hat. Aber der 24-Jährige ist keiner, der lange sinniert. Er nimmt die 18 Punkte als das, was sie tatsächlich sind: "Eine angenehme Überraschung."

Max Verstappen

(Foto: Lintao Zhang/Getty Images)

Ein Sieg in China hat dem Titelverteidiger und WM-Favoriten noch gefehlt, und er hat ihn ähnlich souverän eingefahren wie den Erfolg im Sprintrennen und in der Qualifikation, in der er die 100. Pole-Position der Red-Bull-Teamgeschichte einfuhr - die Erste war 2009 Sebastian Vettel am gleichen Ort gelungen. Das Triple kann der Niederländer als Genugtuung verbuchen, er kann auch den Verlust der schnellsten Rennrunde an Fernando Alonso verschmerzen.

Nach Angabe des WM-Tabellenführers läuft sein Auto "wie auf Schienen", weshalb er machen könne, was er wolle. Die zwei Safety-Car-Phasen zur Rennmitte waren eine willkommene Abwechslung, an der Überlegenheit änderten sie nichts. Womit sich ein Gesamtbild ganz nach dem Gusto von Verstappen-Freund und Teamberater Helmut Marko ergibt: "Wir können an den nächsten Titel denken." Sind ja auch nur noch 19 Rennen.

Nico Hülkenberg

(Foto: Lars Baron/Getty Images)

Das kleinste Team der Formel 1 ist die größte Überraschung im Kampf der Hinterbänkler. Ob das abgestürzte Werksensemble von Renault-Alpine, die künftige Audi-Truppe von Sauber, der Traditionalist Williams - alle liegen mit bislang null Zählern hinter Haas-Ferrari. Nico Hülkenberg hat mit dem hart erkämpften zehnten Rang in Shanghai mittlerweile den fünften WM-Punkt für den US-Rennstall geholt: "Das war eines der saubersten Rennen meiner Karriere."

Die Zufriedenheit des einzigen deutschen Formel-1-Piloten resultiert auch aus dem Blick in den Rückspiegel: "Im letzten Jahr war es bei uns nicht sehr rosig, dementsprechend gering waren unsere Erwartungen." Offenbar hat der Weggang von Teamchef Günther Steiner das Team zwar Charisma gekostet, aber neue Leistung freigesetzt. "Natürlich haben wir bisher auch mehr Glück gehabt als Pech", sagte Hülkenberg. Wie es weitergehen soll, weiß er auch schon: "Wir müssen nachlegen."

Lewis Hamilton

(Foto: Edgar Su/Reuters)

Fünf Jahre war die Formel 1 nicht mehr in China. Damals hatten die Autos andere Motoren, andere Räder, Mercedes war das Maß der Dinge und Lewis Hamilton der Rekordsieger auf dem Shanghai International Circuit. Ein wenig vom alten Glanz fiel im Sprint auf seinen Silberpfeil, den er als Zweiter ins Ziel brachte. Aber Hamilton bekam die kalte Dusche im anschließenden Qualifying: 18. Startplatz.

Wieder einmal verzockt beim wohl launischsten Auto der oberen Tabellenhälfte. An der mangelnden Motivation des zum Saisonende scheidenden Fahrers kann es nicht liegen, Hamilton kämpfte sich bis auf Platz neun vor. Seine schönste Tirade über den Boxenfunk: "Ich komme einfach nicht vom Fleck." Für das falsche Set-up nahm der Rekordchampion die Verantwortung auf seine Kappe, Kollege George Russell hatte sich anders entschieden und war immerhin Sechster geworden. Einen Freudentanz macht bei Mercedes niemand deshalb.

Fred Vasseur

(Foto: Andres Martinez Casares/AP)

Ferrari hatte sich bis zum Großen Preis von China als zweite Kraft der Formel 1 und erster Herausforderer von Red Bull Racing positioniert. Aber Charles Leclerc als Vierter und der ihm folgende Carlos Sainz junior verpassten erstmals in dieser Saison das Podium, mit dem Sieg hatten sie schon gar nichts zu tun. Dafür kollidierten die beiden im Sprintrennen, Übereifer aus einer gewissen Verzweiflung heraus.

Der Reifenverschleiß setzte den roten Rennwagen stärker zu als denen der Konkurrenz, das wusste Teamchef Fred Vasseur schon am Freitag. Und viel Zeit zum Ausprobieren war angesichts des Sprintrennens nicht, also deklinierten die Strategien alle möglichen Reifenstrategien durch: Plan A, B, C - und D. "Kleine Details machen den großen Unterschied. Wir hätten einen besseren Job machen sollen", befand der Franzose. Den Trost aber konnte er sich selbst spenden: "Wir stehen im Vergleich zum letzten Jahr deutlich besser da."

Guanyu Zhou

(Foto: Andres Martinez Casares/AFP)

2004, als die Formel 1 zum ersten Mal in Shanghai Station machte, jubelte Guanyu Zhou seinen Idolen Michael Schumacher und Fernando Alonso zu. Jetzt kehrte er als erster Chinese in einem Grand Prix auf chinesischem Boden zurück. Zweieinhalb Jahre hatte er wegen der Pandemie auf diesen Moment warten müssen. Die Tribünen waren ausverkauft, das Fernsehen zeigte eine 90-minütige Doku, Zhou war nach eigenen Angaben "in der letzten Woche der am meisten beschäftigte Mann in ganz Shanghai".

Im Sprint schrammte er als Neunter knapp an einem Punkt vorbei, im Rennen kämpfte er um den 14. Rang, sein Sauber-Rennwagen gibt nicht mehr her. Trotzdem durfte er zum Schluss wie ein Sieger sein Auto auf der Zielgeraden parken. Dort übermannten ihn die Gefühle, er sank unter Tränen auf die Knie: "Es war ein besonderer Moment für mich. Ich habe mir die Seele aus dem Leib gefahren, um meinen Lebenstraum zu verwirklichen." Vielleicht war sein erstes Heimspiel aber auch sein letztes, der 24-Jährige muss um sein Cockpit bangen.

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