Formel 1 in China:"Ich bin gefahren wie auf Schienen"

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Max Verstappen ist nicht zu schlagen in der Formel 1 - jetzt holt er sich auch den Sieg in China. (Foto: Andy Wong/AP)

Max Verstappen kann nun auch das: Erstmals gewinnt der Weltmeister ein Rennen in Shanghai. In einem ereignisreichen Grand Prix samt Doppelstopps, Safety Car und mehreren Restarts zeigt sich die große Überlegenheit des Niederländers.

Von Elmar Brümmer

Den vorerst letzten Großen Preis von China hatte es vor fünf Jahren gegeben, da war auch die Grand-Prix-Welt noch eine andere. Inzwischen hat den damaligen Serienweltmeister Lewis Hamilton der Dauersieger Max Verstappen abgelöst, der jetzt eine Premiere feierte: Zum ersten Mal fuhr der Niederländer auch auf dem Shanghai International Circuit allen davon, es war sein vierter Erfolg im fünften Rennen dieser Saison. So ist das mittlerweile meistens, denn Verstappen gestaltet seine Rennen einfach zu überlegen.

Dahinter schaffte es der Brite Lando Norris im McLaren mit nur einem Boxenstopp und dank zweier Safety-Car-Phasen auf den zweiten Rang. Erst dann kam der Mexikaner Sergio Perez im zweiten Red Bull ins Ziel. Es war der Hauch einer Abwechslung, aber nur auf den Verfolgerpositionen, und es unterstreicht die Gewissheit, dass dem Titelverteidiger kaum beizukommen sein wird in dieser Saison. In der Gesamtwertung hat er bereits jetzt 25 Punkte Vorsprung auf Perez.

Und als Herr des Asphalts darf man sich offenbar auch wortkarg geben: "Fantastisch!", das reichte dem Niederländer als Vokabel nach der Zieldurchfahrt. Die einzige Schrecksekunde hatte Verstappen am Sonntag erlebt, als er in der vorletzten Runde über Trümmerteile fahren musste. Kurz die Luft angehalten in der Hoffnung, dass die Luft in den Reifen bleibt, dann eine knappe Bilanz: "Ich bin gefahren wie auf Schienen, konnte machen, was ich wollte." Der Zweitplatzierte Norris gab sich dagegen gerne überrascht: "Ich dachte schon, dass ich früher Schluss gehabt hätte heute." Die Stärke seines McLaren in diesem Rennen basierte auch auf der Unzulänglichkeit von Ferrari, denn der bisher größte Herausforderer schwächelte unerwartet.

Auch hierzu gab es Erkenntnisse: Die Frage nach dem richtigen Rennfahreralter in der Formel 1 beantwortet sich schließlich nicht nach Jahren, sondern nach der Geschwindigkeit eines Piloten. Fernando Alonso, 42, der von Aston Martin mit einem neuen Vertrag bis mindestens Ende 2026 ausgestattet wurde, bewies das gleich am Start: Auf dem kurzen Stück bis zum großen Kurvenbogen im Autodrom brauste er aus der dritten Startposition gleich an Perez im Red-Bull-Honda vorbei und zog für einen Moment mit Spitzenreiter Verstappen gleich. Eine kurze, aber eindrucksvolle Demonstration. Der Spanier holte mehr aus seinem grünen Dienstwagen heraus, als eigentlich in ihm steckte. Am Ende wurde er dank seiner Risikostrategie Siebter und fuhr sogar die schnellste Rennrunde.

Gummimischungen, Temperaturen, Streckenbeläge: Das war diesmal der Gesprächsstoff in der Zweitligameisterschaft, die hinter Verstappen beginnt. Denn der Niederländer heizte vorneweg, ganz allein entlang der grauen Skyline der Stadt. Schon im Sprintrennen am Samstag hatte er nach Belieben dominiert, nur ein wenig mit dem zweitplatzierten Lewis Hamilton gespielt. Es ist auffällig, wie Verstappen bei mitunter schwierigen Bedingungen für sein Auto kontinuierlich die Stärken auslotet und die Schwächen abarbeitet, Sektor für Sektor.

Beim Grand Prix von China zeigt sich erneut: Der Fahrer macht den Unterschied

Der Fahrer macht den Unterschied - das bewies auch Verstappens Duell mit Perez. Der Mexikaner zeigt zwar seine stärkste Saison seit Langem, sah aber trotzdem kein Land. Immerhin holte sich Perez anfangs den verlorenen zweiten Startrang von Alonso nach fünf Runden zurück, aber für den fest eingeplanten nächsten Doppelerfolg reichte es nicht.

Wenig besser erging es Hamilton, der nächstes Jahr zu Ferrari wechselt. Sein Silberpfeil entpuppte sich auch in China als Wundertüte. Zweiter im Sprint, Platz 18 in der Qualifikation, und im Rennen nach einem komplizierten Ritt dann eine flehende Beschwerde: "Ich komme nicht vom Fleck." Das mochte zwar auch an den Gummis liegen, aber vor allem an der verkorksten Fahrzeugabstimmung. Der Rekordsieger von Shanghai kam als Neunter ins Ziel. Das Mercedes-Team blieb seinem schlechtesten Saisonstart überhaupt treu, George Russell landete auf dem sechsten Platz.

Im Rennen um den letzten freien Platz auf dem Podium positionierte sich Ferrari mit der bekannten Mischung aus unterschiedlichen Strategien. Charles Leclerc und Carlos Sainz, die einmal mehr einen Samstag zwischen Vertrauen und Verzweiflung hinter sich hatten und im Sprint sogar kollidierten, befanden sich in permanenter Lauerstellung, nicht nur gegeneinander. Diesmal kamen sie brav hintereinander auf vier und fünf ins Ziel.

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Von Elmar Brümmer und Philipp Schneider

Die Zuschauer waren ohnehin dankbar für jede Abwechslung. Selbst die virtuelle Neutralisierung, die nach 22 Runden ausgerufen wurde, weil der Motor im Heck von Valtteri Bottas geplatzt war, feierte das Publikum. Die einheimischen Fans hatten stark auf Guanyou Zhou gesetzt, der seit drei Jahren fürs Sauber-Team fährt, aber durch die lange Pandemiepause nun erstmals zu Hause antreten konnte. Der erste chinesische Stammfahrer in der F1 präsentierte sich gewohnt selbstbewusst, aber sein Auto limitierte die Möglichkeiten, am Ende blieb nur der 14. Rang.

Den Streckenposten in Shanghai mangelte es derweil noch am Training, sie scheiterten zwei Runden lang daran, den havarierten Sauber aus der Gefahrenzone zu bugsieren, sie konnten den eingelegten Gang nicht lösen. Das Safety-Car rückte aus, und die ohnehin komplizierte Reifenstrategie gestaltete sich für alle noch konfuser. Red Bull legte mit 1,9 Sekunden Standzeit einen rekordverdächtigen Stopp für Verstappen hin, der seinen Vorsprung trotzdem kurzzeitig einbüßte. Zur Rennmitte kam es zum Neustart, aber nicht zu einem neuen Rennen.

Hinter dem Schlangenlinien fahrenden Spitzenreiter hatten sich Norris und Leclerc positioniert, aber der Champion spielte Ziehharmonika mit seinen Angreifern. Er wehrte alle Angriffe ab, sodass sich vorn nichts veränderte, während es hinten richtig knallte. Lance Stroll drängelte seinen Aston Martin an Daniel Ricciardo heran, da splitterten per Kettenreaktion erneut Fahrzeugteile auf die Bahn - wieder musste eine Safety-Phase die Autoscooterpiloten-Gemüter beruhigen und ein Reinigungstrupp auf die Strecke. So erfolgte tatsächlich noch ein dritter Neustart, der aber am Rennausgang nicht mehr viel änderte.

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