Formel 1 in Katar:Eine Tortur, auch für die Fittesten

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32 Grad, 75 Prozent Luftfeuchtigkeit, kein Wind: Für das Fahrerfeld um den frisch gekürten Weltmeister Max Verstappen war der Grand Prix in Katar kaum auszuhalten. (Foto: Zak Mauger/Motorsport Images/Imago)

In der Hitze von Katar spielen sich teils dramatische Szenen ab. Piloten übergeben sich in voller Fahrt oder müssen aufhören - nun fordert die Fahrergewerkschaft Erklärungen.

Von Elmar Brümmer

Als alles endlich geschafft war und alle geschafft waren, fiel es schwer, die Emotionen von Körper und Seele auseinanderzuhalten. So wird ungeklärt bleiben, ob Max Verstappen nach seinem Sieg beim Großen Preis von Katar, mit dem er seinen am Vortag errungenen Weltmeistertitel in der Formel 1 bekräftigte, tatsächlich ein paar Tränen heruntergelaufen sind oder ob es schlicht der Schweiß war, der von der Stirn in die Augen tropfte.

Ähnlich zermürbende Bedingungen wie auf dem Losail International Circuit haben die Rennfahrer noch selten erlebt. Wären sie nicht Hochleistungssportler, hätten viele der 18 Piloten nach den anderthalb Rennstunden vermutlich körperliche Schäden davongetragen. Aber auch so herrschte im Medical Center an der Strecke Hochbetrieb nach dem 17. WM-Lauf. Die 57 Runden waren auch für die Fittesten eine Tortur.

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Die Piste von Katar war ursprünglich für Motorradrennen gedacht. Dementsprechend ist sie eine Aneinanderreihung von vielen schnellen Kurven, dazu gibt es nur eine einzige längere Gerade. Von Anfang bis Ende wurde Vollgas gegeben, zudem gab es unzählige Zweikämpfe, die Kondition und Konzentration gleichermaßen angreifen. Ausruhen und Luftholen wie auf ähnlich anspruchsvollen Kursen war also nicht möglich.

Zumal die neuen Randsteine, die sich als reifenmordend herausgestellt hatten, drei Pflichtstopps von allen Teams erforderten, eine zusätzliche Anstrengung. Das Ganze bei durchgehend 32 Grad, obwohl es ein Nachtrennen war, und 75 Prozent Luftfeuchtigkeit. Entscheidend für die enorme Belastung unter den Helmen und feuerfesten Anzügen war aber der ausbleibende Wüstenwind, der am Vorabend beim Sprint noch geweht hatte und für so etwas wie Abkühlung, zumindest aber Linderung gesorgt hatte. So aber fehlte die Luft zum Atmen.

"Ich bin noch nie in meiner Karriere ein so brutales Rennen gefahren", sagt Nico Hülkenberg

Schon während des Rennens spielten sich dramatische Szenen ab. Logan Sargeant, der Rookie des Williams-Teams, funkte nach drei Vierteln der Distanz an die Box, er könne nicht mehr weiterfahren. Mit Müh und Not und im Schneckentempo schaffte er es bis in die Garage, wo der 22-Jährige aus dem Cockpit gehoben werden musste. Fernando Alonso flehte, man möge ihm Wasser ins Auto kippen, seine Sitzschale fühle sich an, als würde sie brennen. Der Franzose Esteban Ocon musste in voller Fahrt den Helm öffnen und sich übergeben: "Es war die Hölle." Auch Lance Stroll litt unter hitzschlagartigen Symptomen, er habe häufiger schwarz vor Augen gesehen und auch deshalb so oft die Streckenbegrenzung überschritten. Nico Hülkenberg, 36, gestand: "Ich bin noch nie in meiner Karriere ein so brutales Rennen gefahren."

Gezeichnet von der Hitze: Der zweitplatzierte Oscar Piastri kam noch halbwegs gut durchs Rennen, legte sich vor der Siegerehrung aber Max Verstappen zu Füßen, weil er nicht mehr stehen konnte. (Foto: Rudy Carezzevoli/Getty)

Selbst die Schnellsten mussten den äußeren Bedingungen Tribut zollen, die die bislang als "Sauna-Rennen" gehandelten Großen Preise von Singapur oder Malaysia von den Strapazen her bei Weitem übertrafen. Oscar Piastri legte sich hinter dem Siegerpodest Max Verstappen zu Füßen, weil er nicht mehr stehen konnte. Nie hat der sogenannte Cool Down Room seinem Namen derart Ehre gemacht. Mercedes-Pilot George Russell, der gern mit nacktem Oberkörper posiert, um seine Muskeln und seine Fitness zu zeigen, war kurz davor auszusteigen: "Ein Grad mehr noch, dann hätte ich es gemacht. Die Bedingungen waren so, als würde einem jemand einen Heißluftföhn anderthalb Stunden lang frontal ins Gesicht halten." Russell streckte deshalb, Aerodynamik hin oder her, immer wieder die Hand über die Cockpitumrandung hinaus, um sich Luft zuzufächeln, oder sich zumindest der Illusion auf der dampfend heißen Strecke hinzugeben.

Der komplette Formel-1-Tross hatte offenbar die Hitze von Katar unterschätzt. Gegen die Dehydrierung sind die Rennfahrer durch mit ihrem Helm verbundene Trinksysteme für gewöhnlich geschützt. Ferrari-Pilot Charles Leclerc winkte ab: "Trinken kannst du vergessen. In der zweiten Rennhälfte hast du nur noch heißen Tee im Behälter." Nicht nur für den Monegassen war der Hitze-Grand-Prix einen ganzen Schritt über dem Limit: "So etwas geht an die Substanz, mit jeder Runde ist es schwerer geworden, die richtigen Bremspunkte zu treffen. Auch die Reflexe werden langsamer."

Die extremen Umstände wurden zur echten Gefahr, wie auch der Drittplatzierte Lando Norris fand, nachdem sich so viele Kollegen entkräftet zeigten: "Das war zu viel." Die Fahrergewerkschaft GPDA will noch über die Umstände reden. Dass die Probleme nicht schon vor zwei Jahren beim ersten Formel-1-Start im Wüstenstaat erkannt worden waren, lag am Terminplan: Damals wurde sechs Wochen früher gefahren, die Luftfeuchtigkeit war da noch erträglich. Im Kalender für die kommende Saison rückt das Rennen in den Dezember, in der Hoffnung auf angenehmere Temperaturen.

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