Als 47 Runden der insgesamt 66 auf dem Circuit de Barcelona-Catalunya gefahren waren, erhielt Red-Bull-Pilot Sergio Perez einen Funkspruch, der ihm nicht gefiel. Sein Teamkollege Max Verstappen sei mit einer anderen Strategie unterwegs, wenn dieser schneller sei, solle er ihn vorbei lassen. Verstappen hatte gerade erst frische Reifen bekommen, es war also abzusehen, dass er tatsächlich schneller über den Asphalt jagen würde. "Das ist sehr unfair" fand Perez, "aber okay". Schließlich ließ er ihn vorbei - und Verstappen fuhr zu seinem vierten Saisonsieg.
Für den Niederländer ist der Große Preis von Spanien ein besonderer, hier holte er sensationell als 18-Jähriger vor sechs Jahren seinen ersten Sieg in der Formel 1. Am Sonntag brachte ihm seine Zieldurchfahrt vor 121 000 Zuschauern die Führung in der WM-Wertung, die er nun - erstmals in diesem Jahr - mit 110 Punkten von Ferrari-Pilot Charles Leclerc (104) übernahm, für den das Rennen vorzeitig beendet war. Davor hatte Leclerc noch 19 Zähler Vorsprung gehabt. Red Bull konnte sich gleich doppelt freuen, denn hinter Verstappen kam Perez ins Ziel. Lange sah es danach aus, als würde sich auch Mercedes doppelt freuen können und einen Aufwärtstrend bestätigt bekommen: George Russell lag auf Rang drei, Lewis Hamilton auf Platz vier. Doch dann hatten kurz vor Schluss beide Mercedes Benzinprobleme. Russell schaffte es dennoch aufs Treppchen, Vierter wurde Carlos Sainz im Ferrari, Hamilton Fünfter.
Der 4,675 Kilometer lange Kurs ist nicht bekannt dafür, Überholmanöver zu begünstigen (wobei dieses Rennen zur Ausnahme der Regel werden sollte) und so wollten sich Leclerc und Verstappen die beste Ausgangslage schaffen. Doch der Monegasse kam vom ersten Startplatz zu gut weg, als dass sich Verstappen vor ihn hätte bringen können. Sainz hingegen verlor direkt einige Plätze bei seinem Heimrennen. Erst zog Russell am zweiten Ferrari vorbei und dann auch noch Perez.
Mick Schumacher startet stark, verpasst letztlich aber die Punkteränge
Etwas weiter hinten erlebte Mick Schumacher sein ganz eigenes Erfolgserlebnis. In Barcelona hatte es der 23-Jährige erstmals in einer Formel-1-Qualifikation unter die Top Ten geschafft. Mit seinem Haas profitierte er davon, dass eine Rundenzeit von Lando Norris gestrichen wurde, weil dieser mit seinem McLaren knapp die Streckenbegrenzung überfahren hatte. Damit startete Schumacher am Sonntag als Zehnter - und schaffte einen idealen Start. Vier Positionen machte er gut. Dann aber stand ihm nicht genug Power zur Verfügung, um sich gegen die Angriffe zu wehren. Er beendete das Rennen als Vierzehnter. Sebastian Vettel wurde Elfter.
Dahinter begab sich das erste Auto in den katalonischen Kies. Haas-Pilot Kevin Magnussen rumpelte an den Mercedes von Hamilton und musste dann in Kurve vier einen Umweg fahren, bevor er wieder auf den Asphalt zurückkehrte. Noch ärgerlicher war diese Begegnung für Hamilton, denn dessen Pneu war nicht mehr zu gebrauchen, der siebenmalige Weltmeister musste an die Box. Das warf ihn weit zurück, doch Runde um Runde arbeitete er sich nach vorne. Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff meinte gar: "Wenn Magnussen nicht gewesen wäre, hätte Lewis absolut um den Sieg mitfahren können."
An der gleichen Stelle wie Magnussen landeten später auch noch Sainz und Verstappen im Kies, allerdings ohne Fremdeinwirkung, sondern weil sie von Windböen erfasst wurden und übersteuerten. Verstappen verlor Plätze. Und dann machte ihm sein Red Bull einen Strich durch die Rechnung wegen eines Problems, das er schon am Samstag hatte: Sein DRS streikte, also jene Technik, die durch das Umklappen des Heckflügels das Überholen erleichtern soll. Eigentlich ist zur Aktivierung lediglich das Drücken eines Knopfes nötig und schon erhält das Auto zusätzlichen Schwung. Doch so oft der Niederländer auch auf den Knopf drückte - der gewünschte Effekt stellte sich nicht ein.
Verstappen und Russell liefern sich rundenlang ein spannendes Duell
Am Sonntag nervte ihn das vor allem deshalb, weil sich nach seinem Boxenstopp in Runde 14 ein hochspannendes Duell mit Russell um Platz drei entwickelte. Russell verteidigte sich diverse Male hervorragend und vehement, selbst wenn Verstappen zwischendurch doch vom DRS Gebrauch machen konnte. Oft aber mühte er sich bei der Verfolgung an diesem Handicap ab. Er kam immer wieder an den Silberpfeil ran, doch es reichte nicht. "Wir bekommen nicht mal das verdammte DRS zum Laufen, unfassbar!", blaffte der 24-Jährige in den Funk. Russell hatte zuvor gemeldet, dass eine Hitzewarnung aufgeleuchtet sei - was bei 37 Grad Luft- und 49 Grad Asphalttemperatur nicht verwunderte. In diesem Moment aber konnte er sich auf sein Auto verlassen.
"Die ersten Runden waren sehr frustrierend für mich", sagte Verstappen später. "Sobald ich George angriff, stoppte mein DRS, das war sehr schmerzvoll. So steckte ich hinter ihm fest. Aber der Kampf an sich war ziemlich cool. Und jetzt kann ich ja auch darüber lächeln."
Als 27 Runden gefahren waren, wurde auf einmal der Ferrari von Leclerc langsamer und langsamer. "Nein! Neiiiin! Nein, was ist passiert? Ich habe Power verloren", sagte der Monegasse verzweifelt. Unter den Mechanikern brach noch nicht mal Hektik aus, es war klar, dieses Rennen war für den Führenden vorbei, er würde seinen Vorsprung in der Gesamtwertung nicht ausbauen können. "Das kam wie aus dem Nichts. Ich habe vorher überhaupt nichts gespürt. So ist es halt", sagte Leclerc später bei Sky. Sein Teamchef Mattia Binotto befand: "Das ist enttäuschend, aber nicht frustrierend. Die WM ist noch lange und es geht jetzt erst richtig los." Der Ausfall müsse etwas mit der Power Unit zu tun haben, man werde sich das genau anschauen: "Wir bleiben optimistisch und sollten nicht zu enttäuscht sein über das Rennen heute."
Während Leclerc haderte, duellierten sich Verstappen und Russell weiter. In der 29. Runde versuchte Red Bull den Undercut und rief seine Nummer 1 zum Reifenwechsel. Die Reihenfolge lautete nun Russell vor Perez vor Valtteri Bottas vor Verstappen vor Sainz. In der 31. Runde schaffte es Perez an dem Mercedes vorbei. Einen Durchgang später überholte Verstappen Bottas, Perez bog an die Box ab, dadurch war der Niederländer nun der Führende vor seinem Teamkollegen, dahinter folgten Russell und Bottas. Endlich war es Verstappen gelungen, ganz nach vorne zu kommen. Um nichts zu riskieren, bog er in der 45. Runde gar ein drittes Mal an die Box. Das brachte ihn wieder hinter seinen Teamkollegen, aber einen Funkspruch später fuhr er problemlos zum Sieg und zur WM-Führung.