Formel 1 in Barcelona:Vorwurf der Raubkopie

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Stark überarbeiteter AMR22: Aston Martin hofft, durch die Upgrades endlich um Platzierungen im Mittelfeld kämpfen zu können. (Foto: Zak Mauger/Motorsport Images/Imago)

Aston Martin gerät in den Verdacht, Ideen und Konzepte von Red Bull auf unerlaubte Weise übernommen zu haben. Der Weltverband sieht keinen Verstoß, der Vettel-Rennstall weist die Anschuldigungen zurück - doch Misstrauen bleibt.

Von Anna Dreher, Barcelona

Als die Sonne sich am Freitag verabschiedete und die Hitze des Tages auf dem Gelände des Circuit de Barcelona-Catalunya noch zu spüren war, kehrte Ruhe ein im Fahrerlager. Wo tagsüber hunderte Menschen hin und her liefen, reduzierte sich die Szenerie abends auf Einzelne, die immer wieder zwischen den Motorhomes auftauchten. Diesen auf Hochglanz polierten Zentralen der Rennställe, die sich eng aneinanderreihen.

Auch die Verantwortlichen der Formel 1 haben sich inzwischen einen zweistöckigen Rückzugsort zugelegt, in Schwarz und dem gut sichtbar angebrachten, in knalligem Rot leuchtenden F1-Logo. Auf einer Terrasse dieses Motorhomes saßen am Freitagabend ein Vertreter der Formel 1 sowie je ein Pressesprecher von Red Bull und Aston Martin. Und was wie ein lockerer Feierabend-Plausch hätte wirken können, war klar ersichtlich genau das gerade nicht. Auch, weil der Vorwurf einer Raubkopie im Raum stand.

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Der Große Preis von Spanien am Sonntag (15 Uhr, Sky) ist in diesem Jahr das sechste Saisonrennen und traditionell jener Ort, an dem die Teams nach den Erfahrungen der ersten Läufe eine Reihe von Upgrades anwenden. In Katalonien finden im Winter die Testfahrten statt, deshalb ist der 4,675 Kilometer lange Kurs die ideale Referenz, um die Leistung des Autos zu vergleichen. Wie auch, weil er als Allroundstrecke gilt mit seiner langen Geraden und einer Mischung aus schnellen und langsamen Kurven. Wie gut Korrekturen an der ursprünglichen Version eines Wagens funktionieren, lässt sich hier also gut vergleichen und zudem absehen, wie erfolgversprechend diese auf anderen Strecken sind. Als am Freitag die Autos präsentiert wurden und danach bei den Trainings über den Asphalt rasten, sorgte vor allem ein Modell für Aufsehen: Der AMR22 von Aston Martin.

Red-Bull-Motorsportdirektor Marko spricht von "Evidenzen, dass Daten heruntergeladen wurden"

Das Team des viermaligen Weltmeisters Sebastian Vettel hatte nicht nur Kleinigkeiten angepasst. Das durch die 2022 eingeführten Änderungen am Reglement auftretende Hoppeln der Wagen hat Aston Martin besonders Probleme bereitet. Statt solide im Mittelfeld zu fahren, heißt es: Vorletzter, nur Williams ist schlechter. Die Ingenieure mussten dringend Lösungen für das misslungene Konzept finden. Vor allem die Seitenkästen wurden deutlich verändert. Die Form hat sich gewandelt wie auch die Art und Positionierung der Kühlrippen, hinzu kommen die Außenspiegel und weitere Bereiche des Wagens. Der Komplettumbau ähnelt dem Konzept von vor allem einem Konkurrenten - sodass im Fahrerlager gemäß der Lackierung bald vom "grünen Red Bull" die Rede war.

Stark veränderter Dienstwagen: Die Aston-Martin-Piloten Sebastian Vettel (links) und Lance Stroll fahren ab dem Rennwochenende von Barcelona in einem stark veränderten AMR22. (Foto: Zak Mauger/Motorsport Images/Imago)

Red-Bull-Motorsportchef Helmut Marko äußerte am Freitag einen Verdacht. "Man muss jetzt klären, wie es zu dieser unglaublichen Kopie gekommen ist", sagte der Österreicher bei Sky und betonte, dass "sieben Leute von uns abgeworben wurden und dass unser Chef-Aerodynamiker mit einem unverhältnismäßig hohen Entgelt zu Aston Martin gezogen wurde." Zudem gebe es "Evidenzen, dass Daten heruntergeladen wurden". Marko deutete also an, dass womöglich jene Mitarbeiter, die gewechselt waren, Ideen und Konzepte bei ihrem Umzug mitgenommen hatten. Zu kopieren oder sich inspirieren zu lassen ist nicht gänzlich verboten in der Formel 1, in dieser Form aber wäre das illegal: Der Diebstahl oder Transfer von Wissen sowie der Austausch von Daten zwischen Teams ist laut Artikel 17.3 des Technischen Reglements untersagt. Ein Skandal also?

"Ich kann nur sagen, dass wir zu keinem Zeitpunkt Daten von irgendjemandem erhalten haben", verteidigt sich Aston-Martin-Technikchef Andrew Green

Die Fia muss über geplante Upgrades schon vorab informiert werden. Der Weltverband wusste Bescheid, welches Team welche Veränderungen vornehmen will - und untersuchte aufgrund der auffälligen Ähnlichkeiten vor der Reise nach Barcelona, ob es bei Aston Martin eine Grenzüberschreitung gegeben haben könnte. Am Freitagnachmittag teilte die Fia mit, dass bei der Entwicklung nicht gegen Regeln verstoßen wurde. Keine Kopie vom RB18 also. Das Fachmagazin Auto, Motor und Sport zitiert einen Aston-Martin-Ingenieur: "Wir konnten der Fia CAD-Daten und Fotos von unserem Windkanal-Modell im vergangenen Herbst zeigen und beweisen, dass wir nichts kopiert haben." Der Rennstall verteidigt sich zudem damit, von vornherein mit zwei Konzepten geplant zu haben, sich dann zunächst für die eine und aufgrund des ausbleibenden Erfolgs dann für die andere Variante entschieden zu haben.

"Ich kann nur sagen, dass wir zu keinem Zeitpunkt Daten von irgendeinem Team oder von irgendjemandem sonst erhalten haben", sagt Andrew Green, Technischer Direktor bei Aston Martin. (Foto: Xavi Bonilla/PanoramiC/Imago)

Ein gewisses Misstrauen waberte jedoch auch am Samstag noch und war auch Thema in der Presserunde der Teamvertreter. "Ich war überrascht, ziemlich überrascht, eine Kopie zu sehen", sagte Red Bulls Technischer Direktor Pierre Waché. "Wir müssen jetzt überprüfen, ob wir kein IP-Leck hatten. Da wollen wir sicher sein und das untersuchen wir gerade." Aus persönlicher und Ingenieurs-Sicht sei es befriedigend gewesen, dass die Kopie die Qualität des eigenen Konzepts bestätige. Ein Journalist fragte: Wie glaubwürdig ist es einerseits, dass jemand in so kurzer Zeit ein Auto in solchem Umfang nachbauen könne? Oder, andererseits, dass ein Team ganz alleine auf ein Design kommt, das dem eines anderen so ähnlich ist?

"Ich kann nur sagen, dass wir zu keinem Zeitpunkt Daten von irgendeinem Team oder von irgendjemandem sonst erhalten haben", verteidigte sich Aston-Martin-Technikchef Andrew Green. "Dieses Auto wurde Mitte des letzten Jahres konzipiert. Die Mehrheit der Teile wurde in Auftrag gegeben, bevor jemand von Red Bull hier angefangen hat. Die Anschuldigungen sind weit hergeholt." Er sei selbst schockiert und überrascht gewesen, als er die Ähnlichkeit der Konzepte bemerkt habe und enttäuscht von den Anschuldigungen. Die Fia habe alle Daten gründlich untersucht, alle beteiligten Personen interviewt - und sei so zu ihrem Schluss gekommen. Für ihn sei die Sache damit beendet.

Für Red Bull noch nicht ganz. Marko sagte: "Wir werden der Sache bis ins Detail nachgehen", und ergänzte im Interview mit dem ORF: "Da geht es ja um die Integrität des Sports. Das ist die zweite Kopie von diesem Team. Da ist es Zeit für eine Klarstellung." Damit sprach er jenen Aspekt an, der den Fall zusätzlich pikant macht: Vor der Übernahme durch Aston Martin hieß das Team Racing Point. Und fiel 2020 bereits damit auf, den Mercedes des Vorjahres stark nachgeahmt zu haben. Das funktionierte so gut, dass Sergio Perez den Großen Preis von Sachir gewann. Damals war vom "pinken Mercedes" die Rede - und die Fia sanktionierte den Entwurf mit einem Punktabzug und einer Geldstrafe.

In Barcelona zeigte die neue Version des AMR22 jedenfalls nicht sofort den gewünschten Effekt. Lance Stroll wurde in der Qualifikation Achtzehnter, Sebastian Vettel wird am Sonntag von Rang 16 starten. Als der 34-Jährige per Funk davon erfuhr, sagte er nur: "Ihr macht wohl Witze!"

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