Max Verstappen in der Formel 1:"Jetzt ist es eine Katastrophe"

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Unschönes Ende: Max Verstappen muss seinen Red Bull nach 39 Runden vorzeitig parken. Aus seinem Auto steigt Rauch auf - und auch Feuer. (Foto: William West/AFP)

Das passt nicht zum Selbstverständnis eines Titelverteidigers: Der Wagen von Max Verstappen bleibt wieder mit einem Defekt stehen. Bei Red Bull müssen sie sich gerade eingestehen, dass Ferrari auf einem anderen Level ist.

Von Anna Dreher, Melbourne/München

Dieser Mann hatte ganz offensichtlich den Ernst der Lage nicht erkannt. Jedenfalls bewegte sich der Streckenposten zunächst mit einer gewissen Ruhe von der Abgrenzung auf den Ort des Geschehens zu. Max Verstappen beobachtete den Ablauf, seine Geduld hielt nur Millisekunden an. Er hatte doch eben schon gewunken, nachdem er aus seinem Auto geklettert war. Also dann eben noch mal, nur energischer. Und nun waren sie gleich zu zweit zur Stelle, in roten Anzügen, mit Brandschutzmasken und großen Feuerlöschern.

Bevor es zu weiteren Verzögerungen kommen konnte, zeigte der Formel-1-Weltmeister auf jene Stellen, die nun schleunigst gelöscht werden sollten. Hier und hier und hier und hier. Auf dem Seitenkasten seines Red Bull hatten sich Bläschen gebildet, Rauch stieg auf und auch Flammen waren zu sehen - bis das Auto von den Feuerlöschern in eine weiße Wolke eingehüllt wurde. Der Dampf ist dadurch jedoch längst nicht raus gewesen, Verstappen war, noch lange nachdem der Red Bull die Strecke beim Großen Preis von Australien verlassen hatte, ungehalten. Das allerdings hatte dann weniger mit Streckenposten zu tun.

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Auch beim Großen Preis von Australien ist die Scuderia nicht zu schlagen. Charles Leclerc gewinnt mühelos, während Max Verstappen ausfällt. Mercedes schafft es wieder aufs Podium. Sebastian Vettel erlebt ein Debakel.

Von Anna Dreher

"Zwei Ausfälle, das ist natürlich unglaublich! Ich habe viele Punkte verloren. Das war wieder ein schlechter Sonntag", sagte der 24 Jahre alte Niederländer bei Sky. "So sollte das nicht sein. In den vergangenen zwei Jahren waren wir immer verlässlich, aber jetzt ist es eine Katastrophe. Ich hatte heute gegen den Ferrari keine Chance."

"Wir liegen schon Meilen zurück", sagt Verstappen

Als Verstappen seinen Wagen unfreiwillig in der zweiten Kurve nach der Start-Ziel-Geraden hatte abstellen müssen, waren ja gerade 39 von 58 Runden auf dem Stadtkurs im Albert Park gefahren. Er war Zweiter, hinter dem späteren Sieger Charles Leclerc. Eine Chance auf den Sieg hat er an diesem Sonntag nie gehabt, aber ein Podiumsplatz hätte ihm einen wichtigen Schub in der Gesamtwertung gegeben.

So muss der Titelverteidiger beim Blick auf das Ranking feststellen: Hoppla, nur Platz sechs mit 25 Punkten! Während Leclerc nach drei Grand Prix bereits 71 Zähler gesammelt hat und der Melbourne-Dritte George Russell mit 37 Punkten WM-Zweiter ist vor Leclercs Teamkollege Carlos Sainz (33). Dabei kann Mercedes seit der Einführung des neuen Reglements bislang nicht an die Dominanz der vergangenen Jahre anknüpfen. In Australien reichte es dennoch fürs Podest für Russell und Platz vier für den siebenmaligen Weltmeister Lewis Hamilton.

Flammt noch irgendwo etwas auf? Max Verstappen nimmt seinen Red Bull unter die Lupe, nachdem er zuvor sichergestellt hatte, dass die Streckenposten mit ihren Feuerlöschern alle Brandherde erwischen. (Foto: William West/AFP)

Für Verstappen gleicht der Verlauf dieser noch jungen Saison bisher einer Achterbahnfahrt und passt kein bisschen zu seinem Selbstverständnis als frischgebackener Champion. Da war zunächst der Auftakt in Bahrain. Auch hier führte Leclerc und siegte, auch hier war Verstappen Zweiter. Kurz vor Schluss wurde Red Bull von Defekten gestoppt - und zwar beide Wagen. Sie verweigerten ihren Dienst, weil sie "kein Benzin mehr vom Tank zum Motor bekommen", wie Sportdirektor Helmut Marko erklärte. In Saudi-Arabien gewann Verstappen vor Leclerc. Der erste Ausfall wirkte wie ein Ausrutscher. Nach Melbourne jedoch zeigt sich: Red Bull hat ein Problem.

In seiner ersten Analyse schloss Marko eine Verbindung zum Schaden von Bahrain direkt aus, der jüngste Ausfall habe nichts damit zu tun: "Es ist massiv Benzin ausgetreten. Wo und wie wissen wir nicht, es ist eine Leitung gebrochen oder was am Tank, deshalb haben wir Max gesagt, er soll sofort stoppen." Teamchef Christian Horner meinte später: "Wir glauben, dass es ein externes Kraftstoffleck war, und wir müssen genau verstehen, was diesen Fehler verursacht hat. Wir müssen diese Probleme schnell in den Griff bekommen."

Wo es zu Beginn nach einem engen Zweikampf zwischen Ferrari und Red Bull aussah, klafft inzwischen eine Lücke

Perez sorgte als Zweitplatzierter mit seinem ersten Podium 2022 dafür, dass Red Bull trotz des Ausfalls seiner Nummer eins bei der Siegerehrung vertreten war. Doch die fehlende Geschwindigkeit zeigte sich auch bei ihm: Der Mexikaner duellierte sich einige Male mit Hamilton, der sich von Platz fünf beim Start an ihm vorbeigeschoben hatte, und setzte sich durch. Das Rennen aber beendete Perez mehr als 20 Sekunden hinter Leclerc, dem neuen Maßstabsetzer - und fünfeinhalb Sekunden vor Russell. Zu Ferrari musste auch er eingestehen: "Ich konnte an keinem Punkt mit ihnen mithalten. Das war das erste Wochenende, an dem sie uns einen Schritt voraus waren. Heute waren sie auf einem anderen Level."

Der Blick auf die Konstrukteurswertung fällt ernüchternd aus für die Dosenflitzer: Ferrari führt diese mit 104 Punkten vor Mercedes (65) und Red Bull (55) an. Dritter! Das Weltmeisterteam! "Wir liegen schon Meilen zurück", sagte Verstappen: "Ich möchte im Moment gar nicht erst an den WM-Kampf denken. Es ist wirklich frustrierend und inakzeptabel."

Wie weit zieht Ferrari noch davon? Max Verstappen sieht Charles Leclerc vorbeirauschen, als das Rennen für ihn frühzeitig beendet ist. (Foto: Mark Thompson/Getty Images)

Nun sind erst drei von geplanten 23 Läufe gefahren, da kann noch viel passieren. Doch wo es zunächst nach einem engen Zweikampf zwischen Ferrari und Red Bull, zwischen Leclerc und Verstappen aussah, klafft inzwischen eine Lücke. Die Italiener profitieren davon, dass sie sich früher als die anderen Top-Teams auf das neue Reglement ausgerichtet haben, während Red Bull und Mercedes 2021 erbittert um den Titel kämpften. Nun wird der stolze Traditionsrennstall dafür belohnt. "Wir waren überrascht, wie schnell Ferrari war, gute drei bis fünf Zehntel schneller", sagte Marko in Melbourne. "Ferrari war eine Klasse für sich und wir waren deutlich abgeschlagen. Wir tun uns von der Gesamtabstimmung schwer. Dieses Paket, das Ferrari hier auf die Bahn gestellt hat, war für uns unerreichbar."

Es gibt später nur einen Moment, in dem Leclerc sich ernsthaft verteidigen muss gegen Verstappen

Leclerc dominierte vor mehr als 120 000 Zuschauern ungefährdet vom Start weg. Ihm gelang der sogenannte Grand Slam aus Sieg, Pole Position, schnellster Runde und alle Runden angeführt zu haben. Der 24-jährige Monegasse hatte an diesem Wochenende alles richtig gemacht und sein Team den Wagen optimal abgestimmt. "Was für ein Auto!", schwärmte Leclerc. Dass Sainz zu Beginn ausschied, dämpfte die Euphorie nur leicht. Bei der Scuderia herrscht nach zuletzt so schwierigen Jahren eine durch den hervorragenden Saisonstart gefestigte Zuversicht, sie ist wieder selbstbewusst. Teamchef Mattia Binotto packte in seine Analyse geschickt ein Eigenlob: "Um zu gewinnen, musst du gerade perfekt sein."

Zweiter Sieg im dritten Saisonrennen: Charles Leclerc. (Foto: Florent Gooden/PanoramiC/Imago)

Tatsächlich gab es im Rennverlauf nur einen Moment, in dem Leclerc sich ernsthaft verteidigen musste, ansonsten konnte er sich auf sein Können und jenes des SF-75 verlassen. In der 24. Runde war Sebastian Vettel in die Bande gekracht, ein bitterer Abschluss eines äußerst enttäuschenden Wochenendes für den viermaligen Weltmeister. Die ersten beiden Grand Prix hatte er Corona-infiziert verpasst, nun verunfallte er im Training und im Rennen. Beim Neustart nach dem Safety Car kam Leclerc nicht gut weg, Verstappen war dicht dran - aber es reichte nicht. "Wir haben ein schnelles Auto, das auch noch sehr zuverlässig ist. Wenn das so bleibt, werden wir sicher eine Chance haben, um den Titel zu kämpfen", sagte Leclerc und mahnte: "Ich finde es extrem wichtig, dass wir uns nicht zusätzlichen unter Druck setzen und es nicht übertreiben. Wir müssen einfach weiter unseren Job machen."

Red Bull hofft nun auf ein anstehendes Update und eine Reduzierung des Autogewichts. "Das dürfte uns auf Höhe mit Ferrari bringen", sagte Marko. "Aber erstmal müssen wir die Zuverlässigkeit erhöhen, sonst bringt uns der ganze Speed nichts." Der Formel-1-Tross reist als nächstes nach Imola, für Ferrari ein Heimspiel. Und wer weiß, was das für zusätzliche Kräfte entfesseln kann.

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