Eishockey-WM:Alles andere als Trallala und Hopsasa

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Umzug umständehalber: Das deutsche Nationalteam (hier Moritz Seider bei der WM 2021 gegen Finnlands Hannes Björninen) muss bei der WM in eine kleinere Halle, weil die ursprünglich geplante russischen Investoren gehört. (Foto: Roman Koksarov/dpa)

Viel näher als im Eishockey kommen sich Sport und Politik selten. Russland darf zwar nicht mitspielen - aber der Krieg in der Ukraine hat trotzdem Auswirkungen auf die WM in Finnland.

Kommentar von Johannes Schnitzler, Helsinki

Die Akkuschrauber surrten zwei Tage vor Eröffnung der 85. Eishockey-Weltmeisterschaft in Helsinki und Tampere. Hier eine Trennwand aufstellen, dort einen Kabelkanal legen, irgendwas ist immer noch zu präparieren vor einer globalen Sportveranstaltung. Zumal, wenn der Veranstalter kurzfristig ein Ausweichquartier aufhübschen muss: Die Gruppe A mit Deutschland zog um, von der 13 500 Zuschauer fassenden Helsinki Halli in die Helsingin Jäähalli, die kleinere und etwas in die Jahre gekommene Heimat von IFK. Das Problem war nicht, dass der Vermieter plötzlich Eigenbedarf angemeldet hätte. Das Problem ist der Vermieter selbst.

Die Helsinki Halli - unter dem Namen ihres Sponsors, einer finnischen Großbrauerei, bis vor Kurzem besser bekannt als Hartwall Areena - gehört russischen Investoren. Eigentümer ist Roman Rotenberg, der die Immobilie 2014 preisgünstig von seinem Vater Boris und dessen Bruder Arkadi übernahm, Freunden von Russlands Staatschef Wladimir Putin. Roman Rotenberg, 41, sitzt unter anderem im Vorstand des russischen Eishockeyverbands, der Gazprombank und der osteuropäischen Profiliga KHL.

Deutscher Eishockey-Bund
:"Das wird kein Honiglecken"

Als Nachfolger von Franz Reindl trete er in große Fußstapfen, sagt der neue DEB-Präsident Peter Merten. Der Verband soll umstrukturiert werden, die Einnahmen gesteigert. Der zuletzt heftig attackierte Reindl scheidet mit Tränen und Ovationen aus dem Amt.

Von Johannes Schnitzler

Bier, Eishockey und Finnen ist gleich Trallala und Hopsasa, egal wo gespielt wird? Diese simple Formel wird nach dem russischen Angriff auf die Ukraine nicht so einfach aufgehen. Finnland teilt eine 1300 Kilometer lange Grenze mit Russland, der Nachbar schickte zuletzt unverhohlene Drohungen über den Zaun. Am Tag vor dem WM-Eröffnungsspiel sprach sich das EU-Mitglied für einen Beitritt zur Nato aus. Und das Organisationskomitee gegen Spiele auf quasi russisch besetztem Boden.

Die WM-Turniere 2021 und 2023 wurden den jeweiligen Veranstaltern entzogen: Belarus und Russland

Der Eishockey-Weltverband IIHF hatte Russland und Belarus schon Ende Februar von der WM ausgeschlossen. "Die IIHF ist keine politische Instanz und kann keinen Einfluss auf die Entscheidungen über den Krieg nehmen", sagte Präsident Luc Tardif. Der Verband wolle aber "ein sicheres Umfeld für alle Teams". Das klang entschlossen. Auch die WM 2023 findet nicht wie geplant in Sankt Petersburg statt.

Russlands Präsident Wladimir Putin (links) und René Fasel (rechts), während der WM 2016 in Moskau. (Foto: Itar-Tass/Imago)

Das russische Echo auf das WM-Aus für die Sbornaja war erwartbar. Sport und Politik seien bitteschön zu trennen, mahnten die Eishockey-Ikonen Wladislaw Tretjak und Wjatscheslaw Fetissow, zwei Alteingesessene der russischen Staatsduma, ausgerechnet. Man könnte auch sagen: Viel näher als im Eishockey kommen sich Sport und Politik selten. Ganz besonders in Russland und Belarus. Noch 2021 war der damalige IIHF-Präsident René Fasel nach Minsk gereist und hatte den belarussischen Diktator Alexander Lukaschenko, Putins dicksten Eishockeykumpel, herzlich umarmt. Als die IIHF - auf Druck der beiden größten Sponsoren - Belarus die WM 2021 dann doch entzog, flötete Fasel mit kreideheller Stimme, die Umarmung, nun ja, das sei "ein bisschen blöd gelaufen". In der KHL wimmelt es vor Oligarchen von Putins Gnaden vom Schlag der Rotenbergs. Die Energieriesen Rosneft und Gazprom pumpen Milliarden in die Klubs. Keine Rubel. Dollar.

Während sich die IIHF noch in Diplomatie übt und etwa Pawel Bure, einen anderen russischen Nationalhelden und Putin-Intimus, in ihrem Vorstand duldet, schaffen die Finnen Fakten. Jokerit Helsinki zog sich aus der KHL zurück, Brauer Hartwall drehte den Geldhahn zu und ließ sein Logo von der Halle abschrauben, in der Jokerit, der Klub mit dem Narren im Wappen, seine KHL-Heimspiele ausgetragen hatte. "Die Welt macht gerade wirklich schwierige Zeiten durch", sagte Klubchef Jari Kurri. Der Narr spricht die Wahrheit. Und mit ein paar Eimern Farbe wird es nicht getan sein.

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