DFB-Team vor der WM:Generalprobe verpatzt

Lesezeit: 3 min

Trafen beide in der Nachspielzeit - doch es reichte nicht: Lea Schüller (l) und Alexandra Popp. (Foto: Daniel Karmann/dpa)

Das deutsche Nationalteam unterliegt im letzten Test vor der Weltmeisterschaft Sambia mit 2:3. Das Ergebnis reiht sich ein in ein durchwachsenes Länderspieljahr.

Von Anna Dreher, Fürth

Ihre Abfahrtsmöglichkeit stand längst bereit, aber Martina Voss-Tecklenburg wollte noch nicht einsteigen. Die Bundestrainerin ging zwischen dem roten Mannschaftsbus des deutschen Nationalteams und einem Zaun des Fürther Sportparks Ronhof und schaute auf ihr Handy. Wahrscheinlich hatte ihre Familie Nachrichten geschickt, vielleicht auch ihr DFB-Kollege Hansi Flick, der schreibt ihr immer mal wieder. Wirklich konzentrieren konnte sie sich aber nicht, Dutzende Fans hatten auf einen Moment wie diesen gewartet, sie riefen und riefen, in der Hoffnung auf ein Foto oder ein Autogramm: Wer weiß, was das noch wert ist?

Bis zum Start der Weltmeisterschaft in Australien und Neuseeland (20. Juli bis 20. August) sind es noch knapp zwei Wochen. Am Freitagabend aber wirkte es nicht so, als hätten sich den Fans hier die nächsten Titelträgerinnen präsentiert. Eigentlich hätte dieser letzte Test vor dem Abflug nach Sydney das Selbstvertrauen stärken sollen. Stattdessen zeigte das 2:3 (0:0) gegen den Weltranglisten-77. Sambia, dass es noch einiges an Arbeit braucht, um möglichst lange im Turnier zu bleiben. Das erklärte Ziel lautet ja: bis zum Schluss und dann bitteschön ein Rückflug mit glänzender Trophäe, wie schon 2003 und 2007.

SZ PlusGeschlechtertests im Frauensport
:Wenn Willkür zum System wird

Seit Jahrzehnten müssen sich Athletinnen fragwürdigen Geschlechtsüberprüfungen unterziehen. Dachorganisationen wie die Fifa weisen die Verantwortung von sich. Leidtragende sind Sportlerinnen wie Sambias Fußballkapitänin Barbra Banda.

Von Lukas Brems

Statt zufriedenen lächelnd saß Voss-Tecklenburg dann jedoch mit ernstem Blick auf der Pressekonferenz. Sie werde nicht alles zerreden, sagte sie. Die erste Halbzeit sei in der Spielanlage völlig okay gewesen, ihr Team habe viel umgesetzt von dem, was man zeigen wollte. Auch die Moral, das 0:2 unbedingt drehen zu wollen, habe gestimmt. Was ihr fehlte, war Cleverness und in diesem bisher überhaupt durchwachsenen Länderspieljahr vor allem eins: "Wir müssen noch konsequenter aus unseren Fehlern lernen." Dass die Spielerinnen körperlich noch nicht bei 100 Prozent seien, sei keine Entschuldigung. "Ich erwarte mir durch das Hochfahren der Physis, aber auch der klaren Mentalität dazu einen Leistungssprung", sagte die 55-Jährige. "Ansonsten - das zeigen diese Spiele jetzt alle - ist der internationale Fußball so gut geworden, dass es nicht mehr reicht zum Sieg."

Barbra Banda bekommen die deutschen Spielerinnen kaum in den Griff

Die erste Hälfte war tatsächlich in Ordnung gewesen. Die Deutschen wirkten besser abgestimmt, fokussierter und erspielten sich Chancen. Diverse Male hätten Klara Bühl, Alexandra Popp, Lina Magull, Felicitas Rauch und Sara Däbritz treffen können. Was in der Offensive fehlte, waren Konsequenz und Präzision. Gleichzeitig zeigte sich, dass die Defensive deutlich stabiler werden muss. Voss-Tecklenburg zog Svenja Huth ungewohnt auf die rechte Außenverteidiger-Position, ihre Stelle auf der rechten Außenbahn nahm VfL-Kollegin Jule Brand ein. Das sei, erklärte sie später, auch für die WM eine "absolute Option". Doch selbst die schnelle Huth kam der noch schnelleren Barbra Banda nicht hinterher. Sobald die 23-Jährige aufs Tor stürmte, hatten die deutsche Abwehr Probleme. Anfangs fehlte Banda noch die Genauigkeit, später versemmelte sie den Deutschen noch ordentlich den Abend.

Dreimal ließen sie sich auf ähnliche Weise und viel zu einfach bei Kontern überrumpeln. 48. Minute, Ballverlust Jule Brand im Mittelfeld, langer Pass auf Banda, Tor. 54. Minute, Ballverlust Huth, langer Pass auf Sambias Kapitänin, die erst verteidigt werden konnte, aber trotzdem die Vorlage zum 2:0 durch Racheal Kundananji lieferte. Die Moral, von der Voss-Tecklenburg sprach, resultierte in zwei späten Kopfballtoren von Lea Schüller (90.+1) und Popp (90.+10). Aber dann wurde die Aufholjagd wieder mit einem völlig unnötigen Ballverlust kaputt gemacht. Ein Einwurf von Bühl leitete den nächsten langen Pass auf Banda ein, Torhüterin Merle Frohms stand weit draußen, Kathrin Hendrich kam nicht hinterher, 2:3. Damit war nichts mehr in Ordnung und die Generalprobe verpatzt.

Immer gefährlich: Barbra Banda, hier gegen Kathrin Hendrich (links) und Merle Frohms im deutschen Tor. (Foto: Michaela Merk/Michaela Merk/Imago)

"Wir sind wirklich sehr enttäuscht", sagte Kathrin Hendrich. "Aber vielleicht war das zur rechten Zeit so ein Wachrüttler und es ist gut, dass das jetzt passiert ist und wir uns entsprechend einstellen können." Auch Alexandra Popp war froh, dass ihrem Team noch Zeit bleibt bis zum Auftaktspiel gegen Marokko am 24. Juli. "Uns muss klar sein, dass wir keinen WM-Gegner unterschätzen dürfen und immer an die 100 Prozent gehen müssen. Das wurde uns deutlich aufgezeigt", sagte die DFB-Kapitänin. "Aber ich mache mir keine Sorgen."

Mehr Sorgen als das Ergebnis oder die Leistung bereitete dann ohnehin etwas anderes. "Viel schlimmer ist, dass wir erstmal gucken müssen, was mit unseren verletzten Spielerinnen ist", sagte Voss-Tecklenburg. "Das wirft natürlich das ein oder andere Planspiel über den Haufen. Von daher ist das eher in meinem Kopf." Lena Oberdorf (Oberschenkel), Marina Hegering (Fuß) und Carolin Simon (Knie) mussten ausgewechselt werden. Damit ist klar, dass zusätzliche Spielerinnen nach Australien mitfliegen werden, um gut auf Ausfälle reagieren zu können. Die Benennung des finalen, 23-köpfigen Kaders am heutigen Samstag-Nachmittag hätte aber natürlich frei von solchen Umständen ablaufen sollen. "Das wollten wir genau nicht, damit werden wir uns heute Nacht noch auseinandersetzen", sagte Voss-Tecklenburg. "Vielleicht braucht es morgen ein bisschen mehr Geduld." Viel geschlafen dürfte die Bundestrainerin nach der Niederlage gegen Sambia nicht haben. Gut erst recht nicht.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusExklusivFrauenfußball
:"Und plötzlich hat man die Hand am Hintern"

Dass Frauen Fußball spielen, ist heute ganz normal? Von wegen! Freizeit- und Nationalspielerinnen, Schiedsrichterinnen und Funktionärinnen berichten über Sexismus, strukturelle Benachteiligung - und Männer, die "Ausziehen! Ausziehen!" rufen.

Von Nina Bovensiepen, Anna Dreher, Elena Kuch, Hendrik Maaßen

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: