Bundesliga:Stimmungskiller in der Nachspielzeit

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Stand erstmals in Bremens Startelf: Naby Keita. (Foto: Marcel von Fehrn/Eibner/Imago)

Werder Bremen verliert in den letzten Sekunden gegen Hoffenheim, Leipzig hat Probleme vom Elfmeterpunkt - und in Augsburg wird es für Trainer Enrico Maaßen eng. Das Wichtigste zum Spieltag.

Von Carsten Scheele und Martin Schneider

Werder Bremen - TSV 1899 Hoffenheim 2:3 (1:2), Tore: 0:1 Beier (8.), 1:1 Schmid (17.), 1:2 Prömel (29.), 2:2 Stage (90.+1), 2:3 Bülter (90.+2)

Ein Fanmarsch vor dem Heimspiel brachte beim letzten Mal Glück. Als die Bremer Ultras und andere Sympathisanten zu Tausenden durch die Stadt zum Stadion zogen, machte Werder im Mai gegen den 1. FC Köln vorzeitig den Klassenverbleib klar. Aber ist halt kein Selbstläufer, so ein "Corteo" (italienisch für Fanmarsch); diesmal verfehlte er seine Wirkung. Ein Treffer von Hoffenheim tief in der Nachspielzeit brachte Werder die nächste Heimniederlage in dieser kompliziert anlaufenden Saison bei. Drei der vergangenen vier Partien verlor Bremen bereits. Eine schlechte Phase, mindestens.

Werder konnte zwar die frühe Führung durch Beier schnell egalisieren, wirkte aber häufig zu weit weg vom Geschehen, offensiv wie defensiv. Hoffenheim ging durch Prömel verdient erneut in Führung; erst in der zweiten Halbzeit wurden die Torbemühungen der Bremer endlich drängender. In der Nachspielzeit scheinbar die Belohnung, als Stage mit voller Wucht aus 16 Metern ins lange Eck traf, doch leider vergaßen die Bremer im Jubel über den vermeintlich ergatterten Punkt das Verteidigen. Bülter ließ das Stadion verstummen.

RB Leipzig - VfL Bochum 0:0 (0:0)

Auch Emil Forsberg (vorne) scheiterte für Leipzig vom Punkt. (Foto: Michael Taeger/Jan Huebner/Imago)

Das Gute an Spielen gegen Manchester City ist: Danach spielt man in der Regel gegen eine schwächere Mannschaft. Das Team von Pep Guardiola hatte RB am Mittwoch gezeigt, auf welchem Niveau sich die europäische Spitze befindet, so ein Heimspiel gegen den VfL Bochum kommt da gerade Recht - oder? Der quirlige Xavi Simons drehte sich früh im Spiel um den ausgefahrenen Oberschenkel von Keven Schlotterbeck, wegen einer Mischung aus Kontakt und Cleverness fiel er hin und bekam den Elfmeter. Er trat persönlich an - und schob den Ball so schwach ins Eck, dass Manuel Riemann den Ball direkt festhielt.

Bochum verbarrikadierte sich, Leipzig lief erfolglos an, bis kurz nach die zweite Elfmeterchance kam, Ordets hatte Poulsen getreten. Diesmal lief Emil Forsberg an - und verschoss fast genauso schwach gegen Riemann. Der 35-jährige Bochumer Torhüter, der wahrscheinlich wie kein anderer Bundesliga-Schlussmann zwischen Genie und Wahnsinn wandelt, zeigt diesmal die helle Seite seines Könnens. Wobei Elfmeter zu Riemanns Stärken gehören: Von insgesamt 94 Strafstößen in seiner Karriere hat er 34 gehalten, in der Bundesliga elf von 23 - beides sind außergewöhnliche Quoten. Leipzig verliert zwei Punkte an den Bochumer Torhüter, der erste echte Rückschlag für Roses Mannschaft in dieser Saison.

FC Augsburg - SV Darmstadt 98 1:2 (0:0), Tore: 0:1 Skarke (52.), 0:2 Kempe (70., Foulelfmeter), 1:2 Demirovic (86.)

Rein das Ding: Tobias Kempe jubelt nach seinem Elfmetertreffer für Darmstadt. (Foto: Eduard Martin/Jan Huebner/Imago)

Die Beobachter waren sich einig: Der FC Augsburg sollte dieses Spiel besser gewinnen, wenn Enrico Maaßen noch längere Zeit Augsburger Coach sein möchte. Und dann so ein Nachmittag: Maaßen versuchte ja, sein Team ambitionierten Fußball spielen zu lassen, was jedoch kolossal schief ging. Der FCA wirkte überfordert und sammelte lediglich Fehlpässe und sonstige Ballverluste. Das erste Tor des Nachmittags schoss Darmstadts Skarke, ein schöner Knaller ins kurze Eck. Das zweite, per Elfmeter durch Kempe, ließ nicht lange auf sich warten. Das Augsburger Aufbäumen kam spät, Demirovic traf kurz vor Schluss aus der Drehung. Das reichte nicht. Könnte nun ganz schön eng werden für den Trainer.

VfB Stuttgart - VfL Wolfsburg 3:1 (0:1), Tore: 0:1 Gerhardt (34.), 1:1 Guirassy (67., Elfmeter), 2:1 Guirassy (78.), 3:1 Guirassy (82.)

Was wäre der VfB Stuttgart eigentlich ohne Serhou Guirassy (Mitte)? (Foto: Thomas Kienzle/AFP)

Eine der ältesten Regeln des Fußballs besagt: Wenn Stürmer treffen, treffen sie alles. Wenn sie nicht treffen, treffen sie nichts. Wie so viele Weisheiten dieses Sports ist auch diese nur auf den ersten Blick trivial und der VfL Wolfsburg musste das auf die ganze harte Tour lernen. Stuttgarts Stürmer Serhou Guirassy ist jetzt jedenfalls der jüngste und beste Beweis dieser Theorie und nun bei 13 Saisontoren angekommen, die Torjägerkanone gab es übrigens im vergangenen Jahr für 16 Treffer.

Gegen Wolfsburg war es erst ein Elfmeter, und der muss auch erstmal rein (siehe Leipzig), kurz darauf ein elegantes Dribbling und dann ein überlegter Abstauber. Hattrick in 15 Minuten, Spiel gedreht, Bundesliga-Rekord für Tore zu diesem Zeitpunkt. Wahrscheinlich würde Guirassy gerade auch ohne mitzuspielen im Lotto gewinnen. Man müsste das, was Guirassy gerade hat, eigentlich keinen Lauf, sondern einen Überlauf nennen, wenn das nicht zu sehr nach Badezimmer klingen würde. Und der VfB? Hat 18 Punkte, ist zumindest bis Sonntag Tabellenführer und hat einen Stürmer, der hochgerechnet am Ende der Saison auf 63 Saisontore käme, würde er diese Quote beibehalten.

Borussia Dortmund - 1. FC Union Berlin 4:2 (1:2), Tore: 1:0 Füllkrug (7.), 1:1 Gosens (9.), 1:2 Bonucci (31., Foulelfmeter), 2:2 Schlotterbeck (49.), 3:2 Brandt (54.), 4:2 Ryerson (71.)

An einigen Treffern beteiligt: Dortmunds Niclas Füllkrug (vorne). (Foto: Ralf Treese/Imago)

Herzlich willkommen, neue und alte Nationalspieler: Das Duell der beiden Champions-League-Teilnehmer bot eine schöne Stichprobe aus Julian Nagelsmanns frisch nominierter Mannschaft. Da war einmal der neue Stürmer Kevin Behrens, der für Union den Ball nach ein paar Minuten an die Latte jagte (wenn auch aus knapper Abseitsposition heraus). Da war kurz danach der andere Nationalstürmer Niclas Füllkrug, der vor seinem Tor zum 1:0 von Unions Abwehr bei einem Eckball fatalerweise allein gelassen wurde. Andere Seite: Eckball Union und der Nationallinksverteidiger Robin Gosens kam zum Kopfball und köpfte Füllkrug so an, dass der Ball unhaltbar zum 1:1 im Tor einschlug. Füllkrug diskutierte die Szene mit Mats Hummels, seit Freitag auch wieder Teil der nationalen Auswahl.

Das war schon ein spektakulärer Auftakt, aber es folgten die VAR-Festspiele von Dortmund. Der BVB verteidigte eine Freistoß-Flanke Unions katastrophal, Alex Kral köpfte ins Tor - doch dann brauchte der Videoschiedsrichter mehr als drei Minuten, um eine Abseitslinie zu legen. Nach einer gefühlten Ewigkeit kam die Entscheidung: kein Tor. Als Füllkrug kurz darauf eine Reus-Flanke leicht ins Tor abfälschte, brauchte der VAR zwei Minuten, um auf Abseits zu entscheiden. Und kurz darauf war Schiedsrichter Patrick Ittrich selbst am Bildschirm und erkannte diesmal immerhin schnell, dass Hummels Sheraldo Becker klar foulte, der bisher im Union-Trikot so unglücklich agierende Leonardo Bonucci versenkte den Elfmeter zum 2:1. Dass die Nachspielzeit der ersten Halbzeit nur sechs Minuten betrug, war mindestens mal inkonsequent. Der Sender Sky berichtete, die Verzögerung bei den Abseitsentscheidungen sei einem Systemabsturz geschuldet.

Zurück zu den Nationalspielern: Schlotterbeck ist das ja nicht mehr, Nagelsmann monierte zu wenig Konstanz in den Leistungen. Möglicherweise davon angestachelt schoss Schlotterbeck bei einem Vorstoß direkt - und donnerte den Ball mit links ins obere rechte Toreck. Ein Traumtor. Und damit war dieses Jahrmarktspiel noch nicht auf seinem Höhepunkt. Der BVB konterte im eigenen Stadion gegen Union, Julian Brandt (Nationalspieler) leitete ihn selbst ein, Marco Reus (Ex-Nationalspieler) behielt perfekt die Übersicht - und Brandt versenkte zur erneuten Führung. Julian Ryerson sorgte für den Endstand. Dortmund hat damit viel mehr Punkte, als sie vermutlich selbst erwartet haben und Union die erste kleine Krise, seit Urs Fischer Trainer ist.

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