Tourismus:Warum der Uluru Ruhe braucht

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Um Neues zu sehen, überschreiten Menschen oft Grenzen. Auch die der Einheimischen - das ist im australischen Outback nicht anders als in den Alpen. Wer auf Reisen geht, muss daher auch Grenzen ziehen können.

Kommentar von Friederike Zoe Grasshoff

Was einmal fern war, ist nah gerückt, vielleicht zu nah. Der Verlag Fodor's bringt eigentlich Sehnsuchtsorte als Reiseliteratur auf den Markt, doch seit ein paar Jahren veröffentlicht er auch Not-to-go-Listen; Anti-Reiseliteratur, wenn man so will, und Ausdruck eines Mentalitätswandels. Die Galapagosinseln, Myanmar, Mount Everest - keine guten Ideen für die nächste Reise, da ökologisch fahrlässig, politisch angespannt, gefährlich oder einfach viel zu schön und viel zu voll.

Viel zu schön ist auch der Inselberg Uluru, der im australischen Outback thront. Ockergold-magmarot schimmernd trifft er dermaßen tragisch den touristischen Massengeschmack, dass es von diesem Samstag an verboten ist, ihn zu besteigen. Lange hatte der Aborigines-Stamm der Anangu, für den der Berg Heiligtum und Daseinsort ist, für ein Kletterverbot gekämpft. Dieses Verbot hat nicht wenige Gegner auf dieser Welt, die sich nicht auf vieles, aber auf Schönheit einigen kann. Klagen die Indigenen über die 400 000 Touristen im Jahr, von denen sich viele den Berg hochschlängeln, um sich wie Caspar David Friedrichs "Wanderer über dem Nebelmeer" zu inszenieren, so bestehen andere Australier darauf, dass der Uluru, der Ayers Rock, auch ihnen gehört.

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Aussperren, lenken, kassieren - wie lässt sich Massentourismus in verträgliche Bahnen lenken? Immer mehr Reiseziele sind auf der Suche nach der richtigen Strategie - manche greifen zu rigiden Maßnahmen.

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In der Debatte um Australiens Wahrzeichen geht es um mehr als einen Berg, der auf Tripadvisor 4,5 von fünf Punkten hat. Es geht darum, wie Indigene weltweit in ihren Lebensräumen beschnitten und bedroht werden von Menschen, die sich als Mehrheit verstehen. Und es geht auch darum, wie Touristen und Übertouristen, vielleicht aus einer Ich-hab-dafür-gezahlt-Mentalität, vielleicht auch aus Unwissen oder mangelndem Problembewusstsein, ganze Städte und halbe Inseln verändern. Touristen, die sich nackt in einer Tempelanlage fotografieren. Die betrunken in einer der vielen Amsterdamer Airbnb-Wohnungen randalieren. Die nicht die Grenze zwischen sich und dem zu ziehen vermögen, das fremd und spannend und größer ist als man selbst.

"The Beach"-Strand ist mittlerweile geschlossen

Flugscham mag es geben, Reisescham nicht. 1,4 Milliarden Menschen waren 2018 unterwegs, und zu viele fahren an dieselben Orte. Der Strand, an dem der legendär-kitschige Film "The Beach" gedreht wurde, musste mittlerweile schließen. Die Einwohner der bayerischen Gemeinde Walchensee haben neulich gegen Overtourism und zu viel Verkehr protestiert, ein Problem, das viele Orte in den Alpen kennen. Venedig, die Trümmerfrau unter den zu Tode besuchten Schönheiten, nimmt bald Eintritt. Zum Uluru kamen 2018 übrigens 70 000 Besucher mehr als sonst - bevor es zu spät ist.

Dass Menschen Grenzen überschreiten, um Neues zu sehen, ist eine große Errungenschaft. Keine große Errungenschaft aber ist der Touristenhass, ein sehr geläufiges Wort in europäischen Hauptstädten und eng verwandt mit der wachsenden Fremdenfeindlichkeit und dem Wunsch nach Abschottung. Tourismus schafft viele Jobs und vor allem Austausch zwischen den Nationen, er hält ganze Naturschutzgebiete am Leben. Tourismus kann aber zu Wut und Entfremdung führen, wo der Einheimische sich nicht gesehen fühlt, wo der Reisende sich im Suchen und Dokumentieren von Kulissen verliert, statt sich dem Fremden wirklich zuzuwenden. Und sei es nur einem stummen, schönen Berg.

© SZ vom 26.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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