Abgeordnetenhauswahl:Triumphiert, und doch verloren?

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Der CDU-Bundesvorsitzende Friedrich Merz bei einer Wahlveranstaltung in Berlin: Das Jahr beginnt für seine Partei gut. (Foto: Britta Pedersen/dpa)

Die CDU liegt in der Bundeshauptstadt klar vorn, aber schafft sie es auch in den Senat? Und wie reagieren die Grünen? Was das Wahlergebnis für die Bundespolitik bedeutet.

Von Michael Bauchmüller und Robert Roßmann, Berlin

Es kam in den vergangenen Jahrzehnten nicht oft vor, dass die Hauptstadt-CDU ihrer Bundespartei Freude bereitet hat. Die Berliner Christdemokraten haben beachtliche Fertigkeiten entwickelt, selbst gute Ausgangslagen grandios zu verstolpern. Doch diesmal haben es die Hauptstadt-Christdemokraten anders gemacht. Sie konnten ihr Ergebnis deutlich verbessern. Und es ist ihnen gelungen, mit großem Vorsprung stärkste Partei zu werden. Bei der vorigen Wahl war die CDU noch hinter SPD und Grünen auf Platz drei gelandet. Das Jahr 2023 hat damit für die deutschen Christdemokraten - anders als 2022 - gut begonnen. Damals hatten sie die Saarland-Wahl krachend verloren. Der große Schwung aus Berlin dürfte der Union willkommen sein: Im Mai steht die Bürgerschaftswahl in Bremen auf der Agenda. Im Herbst werden auch in Bayern und Hessen die Landtage neu bestimmt.

Die Berliner CDU habe "mit Kai Wegner an der Spitze einen richtig guten Wahlkampf gemacht, mit guten neuen Ideen, mit witzigen und eingängigen Wahlkampfslogans", findet Friedrich Merz. Zur Wahrheit dürfte allerdings auch gehören, dass viele Berlinerinnen und Berliner nicht nur aus Begeisterung für die CDU gestimmt haben, sondern auch deshalb, weil sie den rot-grün-roten Senat noch abschreckender fanden. Und dass die CDU noch besser hätte abschneiden können, wenn sie mit überzeugenderem Personal angetreten wäre. Laut einer Erhebung des Meinungsforschungsinstitutes Forsa aus der vorigen Woche waren trotz der großen Unzufriedenheit mit dem rot-grün-roten Senat nur 29 Prozent der Berliner Wahlberechtigten der Auffassung, dass ein von der CDU geführter Senat die Stadt besser regieren würde.

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Es war ein spannender Wahlabend in Berlin. Nach Auszählung aller Stimmen ist die CDU mit 28,2 Prozent der Stimmen Wahlsieger, die SPD liegt mit nur 105 Stimmen Abstand vor den Grünen auf Platz zwei. Die FDP scheitert an der Fünf-Prozent-Hürde.

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In Berlin zeigen sich im Kleinen die Probleme, die die Bundes-CDU im Großen hat: Die Union überzeugt nur zum Teil aus sich heraus, vor allem profitiert sie von der Unzufriedenheit mit der Regierung. Friedrich Merz ist genauso wenig ein begnadeter Menschenfänger wie Kai Wegner. Und vor allem: Die Union liegt in den bundesweiten Umfragen zwar auf Platz eins, sie fände nach einer Bundestagswahl aber nur schwer Koalitionspartner. Und ohne Koalitionspartner hat sie keine Machtperspektive.

Kühnert macht der CDU wenig Hoffnung

CDU-Generalsekretär Mario Czaja verweist am Sonntagabend zwar auf den Zuwachs der Berliner Christdemokraten, die jetzt weit vor SPD und Grünen lägen. Daraus ergebe sich ein klarer Regierungsauftrag für seine Partei. Dass das nicht so einfach wird, macht aber kurz darauf sein Kollege von der SPD, Kevin Kühnert, deutlich. Die Berliner CDU habe keinen Wahlkampf mit ausgestreckter Hand geführt, sondern viele Türen zugemacht, sagt Kühnert. Und weist darauf hin, dass es jetzt nicht darauf ankomme, wer auf Platz eins liege, sondern wer eine Mehrheit zusammenbringe.

Merz und Wegner wollen an diesem Montag um 13.30 Uhr gemeinsam im Konrad-Adenauer-Haus auftreten. Sie werden das Wahlergebnis dann feiern - auch mit Blick auf die nächsten Landtagswahlen. Am Sonntag twitterte Merz jedenfalls schon mal zufrieden: "Der klare Regierungsauftrag für die CDU ist der erste Schritt hin zu unserem Ziel, dass die Bundeshauptstadt besser funktioniert."

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Der Ampelkoalition von Kanzler Olaf Scholz aber könnten nun unruhige Zeiten bevorstehen. "Natürlich schmerzt das", sagt SPD-Generalsekretär Kühnert am Sonntagabend. "Das ist nicht das Ergebnis, das die SPD sich gewünscht hat." Zumal der eine Koalitionspartner, die Grünen, nun auf Augenhöhe mit den Sozialdemokraten aus dem Wahlabend herauskommt. Grünen-Chefin Ricarda Lang jedenfalls sieht das Ergebnis schon "als Auftrag, was bezahlbares Wohnen und Klimaschutz angeht". Entscheidend sei letztendlich, was sich mit wem umsetzen lasse.

Die Grünen tanken Selbstbewusstsein

Die Grünen haben an diesem Abend Selbstbewusstsein getankt. Auch Sondierungen mit der Union werden sie sich nicht nehmen lassen - und sei es nur, um den Preis für andere Koalitionen in die Höhe zu treiben. "Natürlich" sei ihre Partei bereit, auch Gespräche mit der CDU zu führen, sagt Emily Büning, die politische Geschäftsführerin der Grünen. Aber sie bekräftigt auch, dass ihre Präferenz die Fortsetzung der bisherigen Koalition mit SPD und Linken ist.

Auch die erneute Zitterpartie der FDP dürfte nicht spurlos an der Bundesregierung vorbeigehen. Die Union gewinnt Stimmen, die FDP verliert sie - das dürfte die Liberalen dazu anhalten, ihr konservatives Profil zu schärfen. Was das bedeuten kann, das haben viele in der Koalition noch schmerzlich in Erinnerung. Im Oktober vergangenen Jahres, vor der Landtagswahl in Niedersachsen, schien der Streit um die Atomkraft innerhalb der Ampel im Wesentlichen beigelegt zu sein. Doch nach der Wahl war die FDP in Streitlaune, sie war knapp an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert. Am Ende musste der Kanzler seine Richtlinienkompetenz einsetzen, um den Atomstreit beizulegen.

Droht mit dem FDP-Ergebnis in Berlin nun eine härtere Gangart der Liberalen im Bund? "Die Stimme der FDP muss innerhalb der Koalition noch deutlicher werden", sagt Generalsekretär Bijan Djir-Sarai. Potential für Streit in der Koalition gibt es reichlich, allein um FDP-Pläne zum beschleunigten Autobahn-Bau oder um grüne Forderungen beim Klimaschutz. Wohin endloser Streit führt, ist in der Ampel paradoxerweise allen klar: Meistens verlieren alle Beteiligten.

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