Wärmewende in anderen Ländern:Von Superbonus bis Ölkesselverbot

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Öl- und Gasheizungen muss man in Kopenhagen lange suchen. Geheizt wird unter anderem mit der Wärme aus dieser Müllverbrennungsanlage, die gleichzeitig als künstlicher Skihang dient. (Foto: Jochen Tack/imago images)

Mal mit finanziellen Anreizen, mal mit Vorschriften: Viele Regierungen in Europa versuchen, ihre Bürger zum klimafreundlichen Heizen zu bewegen - nicht immer läuft das wie geplant.

Von Marc Beise, Viktoria Großmann, Cathrin Kahlweit und Kai Strittmatter

Nicht nur in Deutschland wird intensiv über klimafreundliches Heizen gesprochen. Was andere Länder in Europa unternehmen, um die Wärmewende zu schaffen.

In Kopenhagen heizt praktisch keiner mit Öl oder Gas

Ach, Dänemark. Robert Habecks Liebe zu dem nördlichen Nachbarn ist bekannt. Vielleicht hat er sich die vergangenen Wochen gewünscht, er wäre in Kopenhagen Minister statt in Berlin. Dort, wo sie den Deutschen in Sachen Energie und Nachhaltigkeit schon immer um Jahre, Jahrzehnte voraus waren - bei der Fernwärme sowieso. Und das meist im gesellschaftlichen Konsens, ganz ohne erbitterte "Heiz-Hammer"-Eklats. Jetzt müssten wir Deutschen das, "was in Dänemark in den letzten 50 Jahren entstanden ist, in den nächsten 25 Jahren hinbekommen", sagte Habeck beim Fernwärmegipfel im Juni.

In Dänemark sind heute schon zwei Drittel aller Haushalte ans Fernwärmenetz angeschlossen. In der Hauptstadt sind es gar 98 Prozent. Praktisch kein Kopenhagener mehr heizt noch mit Öl oder Gas, landesweit haben noch acht Prozent der Dänen eine Öl- und 15 Prozent eine Gasheizung im Keller. Und der Anteil der erneuerbaren Energien bei der Produktion der Fernwärme liegt bei 65 Prozent. In Deutschland sind es gerade mal 20 Prozent.

Das liegt daran, dass die Dänen viel konsequenter als andere Nationen auf die Ölkrisen von 1973 und 1979 reagierten. Wärmepläne müssen die dänischen Kommunen schon seit 1979 erstellen. Anders als in Deutschland machte der Staat die fossilen Energieträger Öl und Gas durch hohe Steuern auch in Zeiten wieder fallender Ölpreise bewusst unattraktiv. Mit den Steuern wurden größtenteils die Fernwärmenetze finanziert. Die Versorger sind dabei oft Genossenschaften, die Bürger selbst beteiligt.

In Sachen Nachhaltigkeit mögen die Dänen den Deutschen weit voraus sein, sie sehen aber auch noch große Aufgaben vor sich. Das bekannte und als Sehenswürdigkeit vermarktete Kopenhagener Heizkraftwerk Copenhill etwa, auf dessen Dach man Skifahren kann, verbrennt Hausmüll, der dafür sogar aus dem Ausland importiert wird, weil das Kraftwerk zu groß konzipiert wurde. Der Plan der Regierung nun ist erneut ein ehrgeiziger: Aus den momentan 65 Prozent Anteil erneuerbarer Energie an der Fernwärme sollen schon bis zum Jahr 2030 100 Prozent werden.

Auch in Österreich wird heftig über ein Gesetz gestritten

In Wien geht die schwarz-grüne Koalition gerade in die Zielkurve vor der Sommerpause. Dutzende kleinere und größere Gesetze wurden schnell noch beschlossen. Was fehlt, obwohl es vom Ministerrat, also von der Regierung, längst beschlossen wurde, ist das sogenannte Erneuerbare-Wärme-Gesetz. Es entspricht in vielem dem "Heizungsgesetz" in Deutschland und ist mindestens so umstritten. Eine Zweidrittel-Mehrheit der Abgeordneten im Parlament müsste zustimmen - und es mangelt bislang an der Zustimmung der Länder, Teile der ÖVP wehren sich gegen das Prestigeprojekt der grünen Umweltministerin, und auch die SPÖ als große Oppositionspartei spielte zeitweilig nicht mit.

In der Theorie ist, wie der Webseite des Umweltministeriums zu entnehmen ist, Folgendes geplant: Schon seit 2020 ist der Einbau zentraler Öl- und Kohleheizungen in Neubauten verboten. Von 2023 an sollten, so sah es die Regelung ursprünglich vor, in Neubauten ganz grundsätzlich keine Heizungen mehr errichtet werden dürfen, die mit fossilen Brennstoffen betrieben werden können. Für bereits genehmigte, geplante oder im Bau befindliche Gebäude sollte es Ausnahmen geben. Von 2023 an sollten außerdem kaputte Öl- und Kohleheizungen nur noch durch klimafreundliche Heizsysteme ersetzt werden. 2025 sollte dann die verbindliche Stilllegung von besonders alten Kohle- und Ölheizungen starten - das hätte für all jene Ölheizungen gegolten, die älter als Baujahr 1980 sind.

Für die fernere Zukunft war geplant: Stilllegung aller Kohle- und Ölheizungen in Österreich bis 2035. Erreichung der Klimaneutralität in Österreich bis 2040. Wohnungseigentümern, deren Apartments dezentral beheizt werden, sollte der Anschluss an ein klimafreundliches zentrales Wärmeversorgungssystem ermöglicht werden. Gepaart war das alles mit einem Förderprogramm; Menschen mit besonders geringem Einkommen sollten, im besten Fall, bis zu 100 Prozent der Kosten ersetzt bekommen.

In der Praxis aber wird das Gesetz wohl längere Zeit noch nicht in Kraft treten.

Italienischer Superbonus für Hausbesitzer

110 Prozent Zuschuss, darauf muss man auch erst einmal kommen. War aber kein Problem für die italienische Regierung des Jahres 2020 unter dem Ministerpräsidenten Giuseppe Conte, die auf einer eigentümlichen Koalition aus sehr linken und einer sehr rechten Partei unter Aussparung der Mitte beruhte. 2020 wütete, fast vergessen schon, das Coronavirus, die Wirtschaft lag danieder, und die Regierung wollte den Unternehmen dringend Aufträge verschaffen und den Bürgern das Signal geben: Der Staat tut was für euch. Das verknüpft mit dem neuen Thema Klimaschutz, das plötzlich in aller Munde war und in der EU Priorität hatte - fertig war der Superbonus.

Wer sein Haus klimagerecht erneuerte, bekam nicht nur sämtliche Kosten vom Staat ersetzt, sondern auch noch zehn Prozent Steuererstattung obendrauf. Immobilienbesitzer konnten die Kosten entweder über einige Jahre verteilt von der Steuer absetzen oder sie dem Handwerker weiterbelasten, der wiederum dann den Steuervorteil hatte oder diesen sogar an Banken verkaufen konnte - ein kompliziertes System, das kaum kontrolliert wurde und zum Missbrauch einlud. Den gab es denn auch reichlich, von Steuerbetrug in Höhe von mehreren Milliarden Euro ist heute die Rede.

Für die Immobilienbesitzer lief es gut: Wärmedämmung, neue Fenster, Photovoltaik, Ladestation für E-Autos - alles war gratis. Die Idee zündete - so sehr allerdings, dass die übernächste Regierung unter Giorgia Meloni im Frühjahr 2023 die Reißleine ziehen musste und das Programm auf 90 Prozent und weitere Reglementierungen zurückstutzte. Der Staat konnte sich den Superbonus schlichtweg nicht mehr leisten, und die negativen Folgen der Gratismentalität wurden immer offensichtlicher. Anreize wurden falsch gesetzt, die Preise gingen durch die Decke, der Staat zahlt ja, Materialien waren plötzlich nicht mehr verfügbar, die Bauwirtschaft sonnte sich in einer künstlichen Blase, Finanzierungen wackelten. Als das Superbonus-Programm abgespeckt wurde, brach der Markt für Wärmepumpen zusammen. Letztlich ist bestenfalls ein Prozent der Immobilien saniert worden - aber um den Preis von mehr als 100 Milliarden Euro aus Steuermitteln, die nun anderweitig fehlen.

Polen und die Kohleöfen

"Saubere Luft" heißt das Förderprogramm der polnischen Regierung, mit dem der typische Wintersmog in den Städten reduziert werden soll. Der entsteht, weil in vielen Wohnungen und Häusern noch immer alles verheizt wird, was eben brennt. Jarosław Kaczyński, der Vorsitzende der Regierungspartei PiS, hatte dazu nach Kriegsausbruch in der Ukraine sogar aufgerufen: "In diesen Zeiten müssen wir mit allem heizen, außer Autoreifen." Zu einer landesweiten Verpflichtung zum Austausch von umweltschädlichen und letztlich auch teuren Kohleöfen konnte sich die Regierung nicht durchringen. Einzelne Städte und Verwaltungsbezirke vor allem in Schlesien verbieten aber den Betrieb alter Kohleöfen.

Nun hat die Regierung Anfang Juli gemeldet, im ersten Halbjahr 2023 seien bereits mehr als 100 000 Anträge auf Förderung von klimafreundlichen Umbauprojekten eingegangen - diese gibt es für den Einbau von Luft-Wasser- oder Erdwärmepumpen, Photovoltaikanlagen oder die Isolierung von Türen und Fenstern. Die Regierung hat das Programm bis 2030 mit umgerechnet 23,4 Milliarden Zloty ausgestattet (etwa fünf Milliarden Euro). Somit werden zwar Anreize gesetzt, je nach Einkommen gibt es aber nur einen Kreditzuschuss. Zudem fühlen sich gerade PiS-Politiker verpflichtet, für die Kohleheizungen zu kämpfen oder sie gar zu einer Frage der nationalen Identität zu machen.

Tschechien ist mittlerweile einen Schritt weiter. Mitte Mai verkündete die Regierung, dass von 2025 an keine Kohleöfen mehr verkauft werden sollen. Das Förderprogramm "Neue Grüne Ersparnisse" ermöglicht Zuschüsse für Isolierungen, Photovoltaik und Wärmepumpen. Zwischen 2021 und 2030 kommt das Geld von der EU - aus der Recovery and Resilience Facility des Programms Next Generation EU. Es sind die Mittel, die Polen wegen Verstößen gegen die demokratische Gewaltenteilung von der EU derzeit nicht ausgezahlt werden.

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