Streit über Verbrenner-Aus:Wissing lehnt Brüsseler Vorschlag ab

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Idee der EU-Kommission für eine neue Fahrzeugkategorie geht dem Verkehrsminister offenbar nicht weit genug

Von Markus Balser und Jan Diesteldorf, Brüssel

Dienstwagenprivileg, Pendlerpauschale, CO₂-Preis: Ideen, die derzeit diskutiert werden, zielen darauf, klimaschädliches Verhalten teurer zu machen. Wie müsste ein Ausgleich aussehen? (Foto: Marijan Murat/dpa)

Noch ist es nur ein Wunsch, wie aus Regierungskreisen zu hören ist, ein Machtwort hat Olaf Scholz bislang nicht gesprochen: Der Streit über das Aus für den Verbrennungsmotor in Europa solle doch bitte bis zum Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs am Donnerstag und Freitag dieser Woche gelöst sein. Denn der Kanzler hat kein Interesse daran, dass dieses Thema den Gipfel überschattet oder sich die Auseinandersetzung gar im Europäischen Rat fortsetzt.

Es wird aber schwierig, diesen Wunsch noch zu erfüllen. Seit bald drei Wochen ringen Beamte der EU-Kommission mit dem Bundesverkehrsministerium um einen Kompromiss in Sachen Verbrenner. Ein Vorschlag von EU-Kommissionsvize Frans Timmermans, wie Neuwagen mit Verbrennungsmotor über das Jahr 2035 hinaus noch zugelassen werden dürfen, geht Bundesverkehrsminister Volker Wissing und den Liberalen offenbar nicht weit genug. Am Dienstag berichteten die Nachrichtenagentur Reuters und der Spiegel über entsprechenden Schriftverkehr.

Die Kommission hat demnach Ende voriger Woche angeboten, eine neue Kategorie für Fahrzeuge einzuführen, die allein mit klimaneutralen synthetischen Kraftstoffen betrieben werden, sogenannte E-Fuels. Solche Autos dürften dann auch nach 2035 verkauft werden. Voraussetzung wäre, dass die Fahrzeuge erkennen, wenn etwa Benzin oder Diesel getankt worden sei und dann automatisch abschalten. Laut Vorschlag soll das in eine Regelung von 2017 über technische Details zur Erfüllung von Abgasnormen einfließen. So ließe sich vermeiden, dass noch einmal Ministerrat und Parlament zustimmen müssen.

Ärger bei den Grünen

Wissing hatte zuvor einen eigenen Vorschlag nach Brüssel geschickt. Auch demzufolge könnten Verbrenner-Fahrzeuge nach 2035 noch weiter verkauft werden. Von einer technischen Vorrichtung ist darin laut Spiegel aber keine Rede. Stattdessen liefe der Wissing-Vorschlag lediglich darauf hinaus, dass die Hersteller pro Fahrzeug eine Gebühr zur Herstellung von E-Fuels abführen.

Das Bundesverkehrsministerium teilte am Dienstag mit, man befinde sich im "engen Austausch mit der Kommission". Man sei an einer schnellen Klärung interessiert, die belastbar und verbindlich sein müsse. "Das prüfen wir gerade sorgfältig." Berichte, wonach schon eine Entscheidung für oder gegen den Kommissions-Vorschlag gefallen sei, wies das Ministerium zurück.

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Bei den Grünen wächst derweil der Ärger über die zögerliche Haltung des Verkehrsministers. Es stimme zwar, dass die Kommission einen von der Bundesregierung insgesamt zur Bedingung gemachten Vorschlag nicht geliefert habe, sagte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Aber das heiße nicht, dass die Regierung nun die gesamte Gesetzgebung zum Verbrenner scheitern lassen dürfe. "Es braucht jetzt einen Abschluss, sonst fällt alles auseinander", sagte Habeck.

Unterhändler des Europaparlaments und der EU-Staaten hatten sich bereits im Herbst darauf geeinigt, dass in der EU von 2035 an nur noch emissionsfreie Neuwagen zugelassen werden dürfen. Das hatte Wissing Anfang März kurz vor einer rein formalen Schlussabstimmung im Ministerrat blockiert. Da sich dem auch andere Staaten angeschlossen hatten, gibt es für die ursprünglichen Pläne derzeit keine Mehrheit.

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