Die Ereignisse in der Liveblog-Nachlese:
Jana Anzlinger
Danke fürs Mitfiebern und Mitlesen
Der Tag begann mit einer imposanten Bewerbungsrede, ging spannend weiter mit vielen geheimen Beratungen bis zur äußerst knappen Entscheidung in Straßburg - und er endete mit einer Überraschung in Berlin. Von der Leyen ist mit nur neun Stimmen Vorsprung an die Spitze der EU-Kommission gewählt und die Nachfolge im Verteidigungsministerium offenbar bereits geklärt.
Damit schließen wir diesen Liveblog ab, danken Ihnen herzlich fürs Lesen und wünschen Ihnen eine gute Nacht!
Jana Anzlinger
Macron: "Heute hat Europa Ihr Gesicht"
Inzwischen hat auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron der künftigen Kommissionschefin gratuliert. "Heute hat Europa Ihr Gesicht", schrieb Macron am Dienstagabend auf Twitter. Es sei das Gesicht des Engagements, Ehrgeizes und Fortschritts. "Wir können stolz auf Europa sein." Macron hatte sich zuvor strikt gegen den CSU-Politiker Manfred Weber als neuen Präsidenten gestellt, für den Angela Merkel (CDU) sich zunächst stark gemacht hatte. Nach einigem Hin und Her einigten sich die EU-Staats- und Regierungschefs auf die Kandidatin von der Leyen.
Barbara Galaktionow
Kramp-Karrenbauer soll Verteidigungsministerin werden
Von der Leyen ist gewählt, da gibt es am späten Dienstagabend noch eine überraschende Nachricht. CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer soll von der Leyen ins Amt der Verteidigungsministerin folgen. Das bestätigte Regierungssprecher Steffen Seibert den Nachrichtenagenturen Reuters und dpa.
AKK war zwar bei der Frage nach einer neuen Führung des Verteidigungsministeriums gelegentlich genannt worden. Da Kramp-Karrenbauer jedoch bislang gesagt hatte, sie wolle sich ganz auf ihre Rolle als CDU-Chefin konzentrieren, war eher nicht mit dieser Personalie gerechnet worden. Als Favorit für den Ministerposten galt noch vor wenigen Stunden Gesundheitsminister Jens Spahn.
Barbara Galaktionow
Grüner Giegold: Sie hat es "nur mit Unterstützung der Anti-Europäer" geschafft
Angesichts der knappen Mehrheit bei ihrer Wahl als EU-Kommissionspräsidentin wirft Sven Giegold, der als Co-Spitzenkandidat der Grünen in die Europawahl ging, von der Leyen vor, nur mit Stimmen der rechtsnationalen Fraktion gewonnen zu haben. "Das war haarscharf", sagt er nach der Abstimmung in Straßburg. "Sie hat es gerade so geschafft und nur mit der Unterstützung der Anti-Europäer." Er selbst habe von der Leyen nicht gewählt, so Giegold. Grüne Stimmen gebe es nur für grüne Inhalte.
Woher genau von der Leyen ihre Stimmen bekommen hat, ist offiziell nicht bekannt, da die Wahl ja geheim war. Die frisch gewählte EU-Kommissionspräsidentin zeigt sich gelassen: "In der Demokratie ist eine Mehrheit eine Mehrheit", sagt sie zum knappen Ergebnis von nur neun Stimmen. Rechtspopulisten legen genau darauf ihr Augenmerk. Der Brite Nigel Farage behauptet auf Twitter, von der Leyen habe "Macht, aber keine Legitimität" erhalten. AfD-Chef Jörg Meuthen sagt, das sei kein Polster, auf dem man sich ausruhen könne.
Barbara Galaktionow
Juncker: "Willkommen zu Hause!"
In einem dreisprachigen Tweet - Französisch, Deutsch und Englisch - gratuliert der amtierende EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker seiner Nachfolgerin zu ihrer Wahl. Mit von der Leyen stehe die erste Frau an der Spitze der Kommission. Dieser Job sei eine riesige Verantwortung und Herausforderung. Er sei sicher, seine Nachfolgerin werde eine großartige Präsidentin. "Willkommen zu Hause!", schreibt Juncker an von der Leyen, die in Brüssel geboren wurde. Der Luxemburger Juncker steht noch bis zum 31. Oktober an der Spitze der Kommission.
Jana Anzlinger
Maas würdigt "richtige Agenda" von der Leyens
Nach der Wahl hat Bundesaußenminister Heiko Maas von der Leyens klares Bekenntnis zu Rechtsstaatlichkeit und zu einem sozialen, solidarischen und souveränen Europa gelobt. Der Sozialdemokrat sagt in Berlin: "Das ist die richtige Agenda für die EU, daran wird sie sich messen lassen müssen." Die deutschen Sozialdemokraten hatten sich gegen von der Leyen gestellt. Es ist aber noch unklar, wie die 16 SPD-Europaabgeordneten abgestimmt haben.
Jana Anzlinger
Barbara Galaktionow
Bundeswehrverband: Amtszeit mit "Licht und Schatten"
Auch der Bundeswehrverband gratuliert der scheidenden Verteidigungsministerin zur Wahl. "Natürlich gab es in ihrer Amtszeit Licht und Schatten", teilt der Bundesvorsitzende André Wüstner mit. Den Soldaten werde sie in Erinnerung bleiben als Befehlshaberin, in deren Zeit der tragische Schrumpfprozess der Bundeswehr abgestellt und schlimme Fehlentwicklungen als Folge der Neuausrichtung korrigiert worden seien. "Ich bin zudem überzeugt davon, dass wir mit keinem anderen Minister derart große soziale Fortschritte erzielt hätten", lobt Wüstner. Von der Leyens Name bleibe aber "ebenso verbunden mit der heftigen Überreaktion nach dem Bekanntwerden vermeintlich rechtsradikaler Umtriebe in der Bundeswehr". Von der Leyen hatte den Streitkräften damals ein Haltungsproblem bescheinigt und damit für bleibende Verärgerung gesorgt.
Jana Anzlinger
"Als Europäerin geboren"
Einige Reporter stellen von der Leyen persönliche Fragen. Etwa: "Warum wollten Sie diesen Job?" Ihre Antwort ist eher rückblickend: "Schlicht und ergreifend, weil ich als Europäerin geboren wurde. Ich bin in Brüssel aufgewachsen. Alles war europäisch von Anfang an. Ich komme aus einer Familie, deren Geschichte auch in Europa gespielt hat. Und ich wollte immer zurückkommen in dieses europäische Umfeld, was gleichzusetzen war mit einer Arbeit in der Kommission oder an anderer Stelle." Dann fasst von der Leyen nochmal ihren Lebenslauf zusammen: von der Medizin bis in die Politik. Sie habe "unglaublich viel gelernt in den 13 Jahren Merkel-Kabinett", aber immer den Wunsch gehabt, zu den "Wurzeln" zurückzukehren.
Die Frage, ob sie lieber mit Boris Johnson oder mit Jeremy Hunt als Premier Großbritanniens zusammenarbeiten wolle, beantwortet sie nicht direkt: Sie verfolge die "goldene Regel", mit jedem Staats- und Regierungschef konstruktiv zusammenzuarbeiten.
Zur Zusammensetzung der neuen EU-Kommission betont sie: "Ich habe noch überhaupt keine einzige Entscheidung getroffen." Sie werde nun aber zügig ein Portfolio zusammenstellen. Denn, und das betont sie im Hinblick auf eine Frage nach EU-Skeptikern: "Die Welt braucht ein selbstbewusstes, aktives Europa. Und das wird sich niederschlagen in der Zusammensetzung der Kommission."
Thomas Kirchner
Von der Leyen verspricht "kurzen Draht" zum Parlament
Erste Pressekonferenz der frisch gewählten Kommissionspräsidentin. Ein belgischer Kollege weist auf das schlechte Ergebnis hin - trotz der überzeugenden Rede am Morgen - und fragt, was das bedeute. "Mehrheit ist Mehrheit in der Demokratie", sagt von der Leyen. Sie sei unbekannt gewesen, und es habe viele Ressentiments wegen des Spitzenkandidaten-Prozesses gegeben, was sie verstehe. Deswegen arbeite sie nun daran, alle zu überzeugen. "Jetzt bin ich extrem glücklich, dass es mir innerhalb von zwei Wochen gelungen ist, eine europäische Mehrheit zu bilden."
Auf die Frage, woher die Stimmen für die knappe Mehrheit kamen, sagt sie: "Das weiß ich nicht." Ihr sei es wichtig gewesen, eine proeuropäische Rede zu halten und die Kluft zwischen Nord und Süd und Ost und West zu überbrücken.
Ein österreichischer Kollege möchte wissen, ob von der Leyen das Parlament bei der Erstellung ihres Arbeitsprogramms einbinden wird. VdL antwortet, sie habe in den letzten 14 Tagen intensiv mit allen gearbeitet, habe inhaltliche Schwerpunkte der Fraktionen mit ihren Überzeugungen abgeglichen. Sie wünscht sich einen "kurzen Draht" zum Europäischen Parlament, denn nur dann ließen sich auch schwierigere Vorschläge durchbringen. Und auch den Osten Europas, der bei den Top-Jobs leer ausging, versucht sie zu beruhigen. Sie wolle "eine gute geografische Balance" finden. Dabei vertraue sie auf ihre "pragmatische Art zu arbeiten".
Philipp Saul
Die Männer vor von der Leyen
In der Geschichte der Kommission ist die CDU-Politikerin die erste weibliche Präsidentin. Vor ihr hatten 13 Männer den Vorsitz inne. Unter ihnen waren sechs Christdemokraten, vier Sozialdemokraten und zwei Liberale.
Barbara Galaktionow
SPD-Spitze gratuliert, Söder schmäht die SPD
Mit der Gratulation stellt die SPD von der Leyen zugleich aber Forderungen: "Europa braucht mehr sozialen Ausgleich als Fundament unserer Gesellschaften, eine entschiedene Politik für Klima- und Umweltschutz und eine zukunftsfähige Wirtschaft mit starken Arbeitnehmerrechten", heißt es in einer Erklärung der kommissarischen Parteivorsitzenden Malu Dreyer, Thorsten Schäfer-Gümbel und Manuela Schwesig.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder freut sich über die Wahl von der Leyens. "Sie hat es auf den letzten Metern selbst herausgerissen mit einer sehr überzeugenden europäischen Rede“, sagt er. Das Ergebnis sei "gut für Europa, toll für Deutschland", aber - so schickt Söder hinterher "blamabel für die SPD". Die deutschen Sozialdemokraten im Europäischen Parlament hatten im Vorfeld der Wahl angekündigt, gegen von der Leyen zu stimmen. Ob sie das tatsächlich getan haben, weiß man allerdings nicht. Die Mehrheit der sozialdemokratischen Fraktion im Europaparlament wollte der deutschen Kandidatin ihre Stimme geben.
Jana Anzlinger
Von der Leyen: "Ich denke, dies ist ein guter Anfang"
In einer Pressekonferenz unmittelbar nach der Wahl gibt von der Leyen zunächst zu: "Ich bin noch etwas überwältigt." Sie habe die zwei intensivsten Wochen ihres Lebens hinter sich. Dann fasst sie noch einmal knapp ihre Hauptziele zusammen: Europa solle "klimafreundlich", "wirtschaftlich stark", "digital" und "rechtsstaatlich" mit einer "lebendigen Demokratie" werden. Trotz des knappen Ergebnisses sagt sie: "Ich denke, dies ist ein guter Anfang für das Parlament, für die Kommission, für den Rat."
Sie wolle nun kurz nach Deutschland zurückkehren, um sich von der Regierung zu verabschieden. Die kommenden Wochen werde sie ein Arbeitsprogramm erstellen und ein "starkes Team" von Kommissaren aufbauen - sie hoffe, in dieser EU-Kommission "ebenso viele Frauen wie Männer anzutreffen".
Philipp Saul
Merkel: Gewinne neue Partnerin in Brüssel
Natürlich freut sich auch Bundeskanzlerin Angela Merkel über den Sieg ihrer Vertrauten von der Leyen. Mit ihr werde eine überzeugte und überzeugende Europäerin Kommissionschefin, teilt Regierungssprecher Seibert auf Twitter mit. "Sie wird nun mit großem Elan die Herausforderungen angehen, vor denen wir als Europäische Union stehen." Auch wenn sie eine langjährige Ministerin verliere, so Merkel, gewinne sie in Brüssel eine neue Partnerin. Sie freue sich auf eine gute Zusammenarbeit.
Thomas Kirchner
Ein knappes Ja
Es gab immer viele Gegenstimmen bei der Wahl der Kommissionspräsidenten, und es ging öfter mal knapp zu. Von der Leyens Vorgänger Jean-Claude Juncker kam aber auf immerhin 422 Stimmen. Mit 51 Prozent der Stimmen hat die Deutsche das schlechteste Ergebnis seit dem Luxemburger Jacques Santer erzielt. Das wird nicht leicht für sie an der Spitze der Behörde.