Ukraine:Planen für den Wiederaufbau

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Die Kriegsschäden wie hier in der Stadt Lyman sind immens. Sie zu beheben, wird Hunderte Milliarden Euro kosten. (Foto: Friedrich Bungert)

Die Bundesregierung erklärt, wie sie der Ukraine bei der Beseitigung der enormen Kriegsschäden helfen könnte. Nötig wäre aber auch zu verhindern, dass die russischen Angriffe noch mehr zerstören.

Von Daniel Brössler und Paul-Anton Krüger, Berlin

Es sind Nachrichten, die zumindest auf den ersten Blick nicht zusammenzupassen scheinen: In der Nacht zum Mittwoch hat Russland seine Angriffe auf Odessa und die ukrainische Energie-Infrastruktur fortgesetzt. 17 Kampfdrohnen iranischer Bauart seien von den Russen eingesetzt worden, meldete die ukrainische Luftwaffe. 14 davon habe man abschießen können. Die Schadensbilanz ist erneut erheblich. Die Angriffe sollen mehrere Anlagen der Energieversorgung im Süden des Landes beschädigt haben. Derweil beschloss die Bundesregierung in ihrer Kabinettssitzung am Mittwochvormittag ein Eckpunktepapier mit dem verheißungsvollen Titel: "Wiederaufbau der Ukraine".

Während der russische Gewaltherrscher Wladimir Putin die Zerstörung der Ukraine systematisch vorantreibt und die Frage immer lauter wird, wie lange die Luftverteidigung des überfallenen Landes noch standhält, hat die Bundesregierung in 15 Punkten formuliert, wie der Wiederaufbau befördert werden kann. Das sei kein Widerspruch, erklärte Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD). "Die Ukraine braucht mehr als Waffen, um in diesem Krieg zu bestehen. Es kommt auch darauf an, dass die Wirtschaft weiterläuft und das Land den Wiederaufbau finanzieren kann", sagte sie.

Öffentliche Mittel allein werden nicht ausreichen

Ähnlich äußert sich Vizekanzler Robert Habeck (Grüne)"Wenn wir an die Ukraine denken, haben wir vor allem die Frontregion vor Augen. Die Ukraine braucht aber nicht nur unsere kontinuierliche militärische Unterstützung", sagte Vizekanzler Robert Habeck (Grüne). Es müssten alle Möglichkeiten genutzt werden, "der ukrainischen Wirtschaft in dieser schweren Zeit zu helfen und ihr eine Perspektive zu eröffnen".

Genau darum soll es auch bei einer großen Wiederaufbaukonferenz am 11. und 12. Juni in Berlin gehen, zu der Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zusammen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij einlädt. Für Scholz ist dabei die erhoffte Botschaft eine doppelte. Der Kanzler will gegenüber den Partnern die deutsche Führungsrolle bei der Hilfe für die Ukraine unterstreichen und Putin deutlich machen, dass die Unterstützung der Ukraine auf Dauer angelegt ist.

Klar ist allerdings auch, dass die Aufgabe mit jedem Tag des Kriegs, mit jedem Angriff und jedem beschädigten Kraftwerk teurer wird. Schon jetzt schätzt die Weltbank die Kosten des Wiederaufbaus auf etwa 486 Milliarden US-Dollar (453 Milliarden Euro). Mit öffentlichen Mitteln allein ließen sich die enormen Schäden nicht beheben, machte Vize-Regierungssprecherin Christiane Hoffmann klar. Öffentliche und private Akteure müssten deshalb eng zusammenarbeiten.

"Gute Vorsätze statt konkreter Ankündigungen", heißt es aus der CDU

So ist im Eckpunktepapier von "Verzahnung" und "verbessertem Zusammenwirken" verschiedener Instrumente zur Förderung von Investitionen in der Ukraine die Rede. Gestärkt werden soll der ukrainische Business Development Fund, den die Ukraine 1999 gemeinsam mit der deutschen Kreditanstalt für Wiederaufbau gegründet hat und der sich vor allem an kleine und mittlere Unternehmen richtet. Der Zugang zu Investitions- und Exportgarantien soll noch weiter erleichtert werden, obwohl er im internationalen Vergleich bereits "sehr weitreichend" sei.

So soll die Selbstbeteiligung der Unternehmen in einzelnen Schadensfällen von fünf auf 2,5 Prozent gesenkt werden können. Einsetzen will sich die Bundesregierung auch dafür, dass Zinserträge eingefrorener russischer Vermögen für den Wiederaufbau der Ukraine genutzt werden. Allerdings will die EU dieses Geld auch für Waffenkäufe für die Ukraine verwenden. "Gute Vorsätze statt konkreter Ankündigungen prägen das Konzept der Bundesregierung", kritisierte der entwicklungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Volkmar Klein.

Wer kann "Patriot"-Raketen liefern?

Ohnehin fragt sich, wie Unternehmen dafür gewonnen werden können, in der Ukraine zu investieren, wenn Russland die Hauptstadt Kiew, aber auch andere Ballungsräume mit Raketen- und Drohnenangriffen überzieht. Die Ukraine hat nicht genügend Flugabwehrsysteme, um das Land flächendeckend zu schützen, zudem gehen die Abwehrraketen zur Neige. Präsident Selenskij richtet deswegen zunehmend verzweifelte Appelle an westliche Staaten, die Luftverteidigung der Ukraine zu stärken. Das Land brauche 25 der in den USA hergestellten Patriot-Systeme.

Frankreich und Deutschland haben da besondere Verantwortung übernommen; sie koordinieren die Unterstützung. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) verwies am Dienstag auf das Treffen mit ihren Nato-Kollegen, bei dem die Beteiligten vereinbart hätten, eine Übersicht der in Europa und weltweit verfügbaren Systeme zu erstellen und die Idee eines Fonds zu verfolgen, um Luftverteidigungssysteme auch weltweit in Drittländern zu kaufen und in die Ukraine zu liefern.

Bis zum G-7-Außenministertreffen nächste Woche in Italien sollen erste Ergebnisse vorliegen. Allerdings seien gerade auch die deutschen Patriot-Bestände "mittlerweile ziemlich erschöpft". Nach Einschätzung des Verteidigungsministeriums wäre es bei einer weiteren Abgabe nicht mehr möglich, die Zusagen an die Nato vollständig zu erfüllen.

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