Terror in Israel:Die Angst ist zurück

Lesezeit: 3 Min.

Die Trauer ist groß um die beiden Todesopfer und die Verletzten des Terroranschlags an der Dizengoff Straße in Tel Aviv. (Foto: Jack Guez/AFP)

Der Attentäter von Tel Aviv wurde aufgespürt und erschossen, doch nach vier Anschlägen mit 14 Todesopfern in zwei Wochen gleitet Israel zurück in einen alten Alptraum.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Die Entwarnung kommt erst am nächsten Morgen. Neun Stunden lang hatten mehr als 1000 Polizisten und Soldaten die Straßen von Tel Aviv durchkämmt, hatten an Haustüren geklopft und von Hubschraubern aus gespäht, um den Attentäter zu finden, der am Donnerstagabend mitten im Ausgehtrubel zwei Menschen erschossen und rund ein Dutzend weitere verletzt hatte - einer von ihnen starb am Freitag. Dann haben sie ihn aufgespürt, nahe einer Moschee in Jaffa, nur wenige Kilometer vom Tatort entfernt.

Bei einem Feuergefecht wurde der 28-jährige Palästinenser, der aus dem Westjordanland stammt, von den Sicherheitskräften getötet. Doch ein Aufatmen ist nicht zu spüren in dieser Stadt, in diesem Land. Premierminister Naftali Bennett stimmt die Bevölkerung noch am Freitag darauf ein, dass dies womöglich nur der Anfang ist. "Wir bleiben in Alarmbereitschaft, aus Sorge vor weiteren Attentaten durch Nachahmer", erklärt er. "Unser Krieg gegen den mörderischen Terror ist lang und hart."

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Israel gleitet in diesen Tagen zurück in einen alten Alptraum. Vier Anschläge in zwei Wochen lasten auf den Seelen, 13 unschuldige Todesopfer stehen in der Statistik. So etwas hat es seit den unseligen Tagen der Zweiten Intifada, die 2005 ein Ende fand, nicht mehr gegeben.

Was das für die Stimmung und wohl auch für die nahe Zukunft bedeutet, sieht man am besten in Tel Aviv, wo immer der Puls des Landes schlägt. Meist schlägt er schnell und laut, so auch an diesem Donnerstagabend. Endlich ist es richtig warm, endlich sind Ferien kurz vor dem Pessachfest, und endlich sind nach den zähen Zeiten der Pandemie all die Bars und Restaurant auf der Dizengoff Straße wieder berstend voll.

Auf die Schüsse folgt die Schockstarre

Und dann kommt der Attentäter, schießt um sich, mordet wahllos. Schon kurz danach verfällt die Stadt in eine Art Lockdown. Alle eilen nach Hause, per Telefon wird abgefragt, wer wo ist und wer sicher ist. Am Anschlagsort sammeln sich noch ein paar Schaulustige, einer buhlt laut betend um Aufmerksamkeit, ein paar andere nutzen die Präsenz der vielen Kameras für wütende Tiraden gegen Premier Bennett.

Die Regierung, die ohnehin gerade in einer tiefen Krise steckt, weil sie die Mehrheit im Parlament verloren hat, gerät durch die Terrorwelle unter enormen Handlungsdruck. Oppositionschef Benjamin Netanjahu lässt das Land wissen, nun brauche man eine "harte Hand", und meint damit die seine. Bennett kontert mit kernigen Ankündigungen, ruft zur Terrorbekämpfung die "Operation Wellenbrecher" aus, schickt neben der Polizei auch Soldaten auf die Straßen und erhöht die Truppenstärke im besetzten palästinensischen Westjordanland. Den Bürgern mit Waffenlizenz hat er schon vor Wochenfrist zugerufen: "Jetzt ist die Zeit, die Waffe zu tragen."

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Dabei verläuft die Fronten nicht zwischen Israel und dem Westjordanland oder dem Gazastreifen, sondern sie ist potenziell überall im Land. Die ersten beiden Anschläge der jüngsten Serie waren von israelischen Arabern mit Verbindungen zum sogenannten Islamischen Staat verübt worden. Die Attacken drei und vier kamen von jungen Palästinensern, die beide aus der Gegend von Dschenin stammten und illegal nach Israel eingereist waren.

In Blick geraten ist dadurch wieder der Grenzwall zum Westjordanland, der auf dem Höhepunkt der Zweiten Intifada auf 700 Kilometer Länge konzipiert wurde - mit dem Argument, den Terror abzuhalten. Der Zeitung Haaretz zufolge wurden bis heute 20 Milliarden Schekel, umgerechnet 5,7 Milliarden Euro, in den Wall investiert. Fertiggebaut wurde dieses Monstrum aus neun Meter hohen Mauern und Zäunen jedoch nie. Es klaffen Lücken, die jeder kennt, und um die sich jahrelang niemand kümmerte.

Es herrscht Terror- und Eskalationsgefahr

Die Diskussion, ob der Wall vollendet und damit das Westjordanland komplett abgeriegelt werden soll, flammt nun wieder auf. Dies aber könnte sich als zweischneidiges Schwert erweisen. Denn die Lücken wurden geduldet, weil sie Palästinensern die illegale Arbeit in Israel ermöglichten - in der Hoffnung, dass bessere wirtschaftliche Verhältnisse im Westjordanland zur allgemeinen Beruhigung der Lage beitragen könnten.

Trotz aller markigen Worte werden die israelischen Sicherheitskreise also voraussichtlich noch weiter beobachten, wie sich die neue Welle der Gewalt entwickelt. Bislang ordnete der Inlandsgeheimdienst Schin Bet alle Angriffe Einzeltätern zu. Die radikalen Palästinensergruppen haben die Anschläge zwar bejubelt und Süßigkeiten zum Zeichen der Feierstimmung verteilt. Am Freitag wurde zudem aus Dschenin ein Festzug zum Haus des kurz zuvor erschossenen Attentäters von Tel Aviv vermeldet. Doch bekannt haben sich zu den Taten bislang weder die Hamas noch der Islamische Dschihad. Beide bleiben lieber in Deckung.

Großangelegte israelische Militäreinsätze oder gar ein neuer Gaza-Krieg sind deshalb in naher Zukunft kaum zu erwarten, eher einzelne Razzien und Verhaftungswellen zur Abschreckung. Doch auch das kann schnell aus dem Ruder laufen, mit jedem neuen Angriff werden die Spannungen zunehmen. Es herrscht Terror- und Eskalationsgefahr in Israel.

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