Israel:Zurück in Krisen und Kabalen

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Die Viel-Parteien-Regierung in Jerusalem steht vor dem Aus, nach nur zehn Monaten. Und schon hält sich jemand bereit, um das Land wieder in die Vergangenheit zu führen.

Kommentar von Peter Münch

Politik ist in Israel stets ein Schauspiel wie im Zeitraffer: Krisen, Kriege und Kabalen lösen einander ab, Zeiten der Ruhe sind selten. Doch jüngst hat ausgerechnet die komplizierteste Regierungskoalition, die je in Jerusalem gebildet wurde, zumindest relative Ruhe ins Geschehen gebracht. Plötzlich ging es im politischen Tagesgeschäft nicht mehr nur ums Freund-Feind-Schema, sondern um Kompromisse und konstruktive Lösungen. Zehn Monate lang ging das gut - aber nun hat diese Regierung ihre Mehrheit verloren, und Israel ist zurück im Krisenmodus.

Fort- und Ausgang dieser Krise sind noch ungewiss. Noch ist die Regierung nicht gestürzt, noch hält sie ein Patt im Parlament und hegt ein paar Überlebenshoffnungen. Aber allzu gut stehen ihre Chancen nicht, und der aktuelle Abgang einer einzelnen Abgeordneten könnte leicht einen Dominoeffekt auslösen. Denn die weltanschaulichen Gegensätze im Regierungslager sind tatsächlich enorm groß.

Premier Naftali Bennett und sein Rotationspartner Jair Lapid werden es also schwer haben, diese ins Rutschen geratene Koalition aus rechten, linken und einer arabischen Partei nun noch zusammenzuhalten. Ein anderer aber erlebt dabei seinen Lazarus-Moment: Benjamin Netanjahu, der im vorigen Sommer mit vereinten Kräften von der Macht verdrängt worden war, nachdem er das Land in 15 der vergangenen 25 Jahre regiert hatte.

Als Oppositionsführer hat Netanjahu keine gute Figur gemacht. Seine größte Bühne der letzten Monate war ein Jerusalemer Gerichtssaal - und da sah man ihn nicht in der Helden-, sondern in der Schurkenrolle als angeklagter Korruptionsbetrüger. Nun aber kann er sich wieder Hoffnung machen, mit einem rechts-religiösen Bündnis an die Macht zurückzukehren. Vorwärts in die Vergangenheit aber kann kein guter Weg sein für Israel. Die neue Regierung war angetreten, die von Netanjahu betriebene Spaltung des Landes zu überwinden. Sie hätte es verdient, dafür mehr Zeit zu bekommen.

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