Sicherheitspolitik:Immer Ärger mit den Nachbarn

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Mal offen, mal geschlossen, je nach politischer Großwetterlage: der Grenzübergang zwischen Pakistan und Afghanistan in Torkham. (Foto: Shafiullah Kakar/AFP)

An drei Grenzen Pakistans wird öfter mal geschossen. Und über die vierte kommt zwar viel Geld ins Land, aber selbst das bereitet zunehmend Probleme.

Von David Pfeifer

Pakistan ist ein schwieriger Nachbar in einer schwierigen Nachbarschaft. Das wurde vor zwei Wochen deutlich, als auf einen großen Knall eine lautstarke Versöhnung folgte. Zuerst schickte Iran Drohnen und Raketen hinüber nach Pakistan. Daraufhin feuerte das angegriffene Land zurück. Am vergangenen Montag dann: Händeschütteln der beiden Außenminister vor der Presse in Islamabad und eine Erklärung, dass beide Länder "die Souveränität und territoriale Integrität des jeweils anderen Landes respektieren".

Die Beziehungen zwischen den beiden muslimischen Nachbarn sind seit Langem schwierig, doch die Raketenangriffe waren die schwersten Zwischenfälle seit Jahren. Sie waren so unnötig wie zwecklos. Tatsächlich wurden in den jeweiligen Grenzdörfern nur Zivilisten getötet, unter ihnen einige Kinder. Teherans Angriff richtete sich erstem Anschein nach gegen Kämpfer der Jaish ul-Adl, Separatisten, die für die Unabhängigkeit Belutschistans von Iran eintreten und sich immer wieder nach Pakistan zurückziehen, um von dort Anschläge in ihrer Heimat zu koordinieren. In Islamabad hingegen suchte man sich die Balochistan Liberation Front als Ziel aus, die vom iranischen Teil Belutschistans aus für die Unabhängigkeit belutschischen Gebiets von Pakistan streitet.

"Die Souveränität und territoriale Integrität des jeweils anderen Landes respektieren": Handschlag zwischen Pakistans Außenminister Jalil Jilani (rechts) und seinem iranischen Kollegen Hossein Amir-Abdollahian in Islamabad. (Foto: Pakistan Ministry of Foreign Affars/Reuters)

Die beiden Länder vereinbarten bei dem Treffen der Außenminister, den Terrorismus in ihren jeweiligen Gebieten zu bekämpfen. Dabei dürften angebliche Terroristen nicht das einzige Ziel Irans gewesen sein. Es ging Teheran wohl auch darum zu zeigen, dass man zu Angriffen in der Region bereit und imstande ist. Das war eine Botschaft, die sich eher an die Amerikaner und Israelis richtet als die Pakistaner. Vor allem aber will das Regime in Teheran offenkundig von inneren Problemen ablenken. Iran befindet sich in einer dauerhaften Wirtschafts- und Gesellschaftskrise.

Der Ölhandel, eine wichtige Einnahmequelle der Mullahs, bringt aufgrund der amerikanischen Sanktionen nicht genügend Devisen ins Land. In Belutschistan, das zu einem großen Teil in Pakistan und zu einem kleineren Teil in Iran liegt, wird Öl in den pakistanischen Teil geschmuggelt und von dort aus weiterverkauft. Das erledigen Terrorgruppen und das organisierte Verbrechen in der Region. Für die Einwohner, die keiner der beiden Gruppen angehören, bedeutet das stets nur mehr Ärger, etwa wenn Iran wieder einmal die Grenzen schließt.

Auf der pakistanischen Seite versucht das mächtige Militär, Ordnung herzustellen. Das muss es auch, denn die chinesische "Belt & Road"-Initiative verläuft durch Belutschistan, bevor sie an die maritime Neue Seidenstraße anschließt. Seit 2015 wurden der Tiefwasserhafen Gwadar und die Strecke dorthin als "Chinesisch-Pakistanischer Wirtschaftskorridor" (CPEC) ausgebaut. Mehr als 50 Milliarden Euro an Investments aus Peking kamen so nach Pakistan. Das wichtige Infrastrukturprojekt reicht von der Grenze im Himalaja bis hinunter an den Golf von Oman. Mittlerweile aber wächst auch in Pakistan das Bewusstsein, dass man sich damit in große Abhängigkeit von Peking begeben hat. Die Balochistan Liberation Front hat sich deswegen unter anderem auf Attacken auf chinesische Projekte spezialisiert, weswegen man in Islamabad hart gegen die Miliz vorgehen muss, um die Zusammenarbeit mit Peking nicht zu gefährden.

Im 2600 Kilometer langen Grenzgebiet zu Afghanistan wiederum halten sich nicht nur die pakistanischen Taliban auf, sondern auch das Haqqani-Netwerk, der "Islamische Staat" und die al-Qaida, die einst in Peschawar gegründet wurde, der Hauptstadt der Provinz Khyber Pakhtunkhwa. Vor allem die pakistanischen Taliban kämpfen gegen die Regierung in Islamabad, fordern die Einführung der Scharia und wollen die Fusion ihrer Stammesgebiete in die Provinz rückgängig machen, die seitdem durch das Militär kontrolliert wird.

Als Reaktion auf mehrere Anschläge in der Provinz begann Islamabad im November damit, etwa eine halbe Million Afghanen ohne gültige Papiere auszuweisen. Seitdem stauen sich die Vertriebenen am Khyberpass. Mindestens 1,7 Millionen Afghanen leben teilweise seit Jahrzehnten in Pakistan, sie waren vor Krieg und Terror in ihrer Heimat geflohen. Mehr als eine halbe Million kamen nach der erneuten Machtergreifung der Taliban im Jahr 2021 dazu.

Auch im Osten liegt Pakistan im Dauerkonflikt: mit dem Bruderstaat Indien. Seitdem Britisch-Indien im Jahr 1947 in einen Staat für die Hindus und einen für die Muslime getrennt wurde, haben beide Länder mehrmals Krieg geführt, vor allem um die geteilte Region Kaschmir. Sowohl Indien als auch Pakistan erheben vollständigen Anspruch auf das gesamte Gebiet im Himalaja. Nachdem Delhi den Sonderstatus des indischen Teils von Kaschmir 2019 aufgehoben hatte, stufte Islamabad die diplomatischen Beziehungen zu Delhi herab und setzte den Handel aus. Einen neuen Krieg aber wollte man nicht riskieren. Seither herrscht Dauerstress. Indien bot Pakistan Lebensmittellieferungen an, als das Land nach einer verheerenden Jahrhundertflut vor eineinhalb Jahren in eine Versorgungskrise geriet - wohlwissend, dass die Regierung in Islamabad das Angebot aus Stolz nicht wahrnehmen würde.

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